andante

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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leonie
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Beitragvon leonie » 16.12.2006, 14:23

andante

lichterketten flossen
wie an jedem abend
über die Straßen

doch himmeleinwärts

flog der tag
gleich kranichen
ins sommerland

kleine töne
perlten schattenrisse
über die haut

sie war
zuhause
jenseits der zeit

Max

Beitragvon Max » 16.12.2006, 15:30

Liebe Leonie,

wie schön hier noch ein Mozartgedicht zu lesen! Ich finde, dass Du (für mich gerade in der vierten Strophe) diese Sonate hörbar machst. Tatsächlich lässt Mozart ja die Hintergrundakkorde perlen ...

Mit

sie war
zuhause
jenseits der zeit


triffst Du ganz wunderbar die Grundstimung beim Mozarthören.

Eine Kleinigkeiten noch (eigentliuch waren es zwei, aber die zweite war ein Lesefehler meinerseits
;-) ):

In der ersten Strophe

lichterketten flossen
wie an jedem abend
über die Straßen


verstehe ich das "wie" nicht. Brauchst Du es? Meines Erachtens ergibt die Strophe ohne das "wie" mehr Sinn.

Habe ich sehr gerne gelesen und es hat mich ein wenig aus dem Grau dieses Tages gehoben.

Liebe Grüße
Max

Max

Beitragvon Max » 16.12.2006, 15:31

PS: Man findet die Sonate zum Downloaden im Netz, z.B. hier

http://www.enmdgcpc.net/pages/partition ... idpart=218

Nifl
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Beitragvon Nifl » 16.12.2006, 15:38

Hallo Leonie,

ein kantenloser Text, der das Fließen der ersten Strophe semantisch umsetzt.
Schön umgesetzt auch das "Einfügen" des Besonderen in den Alltag …

Ich vermute mit den "kleinen Tönen" spielst du auf die kleine Nachtmusik an? … gefällt.

Dennoch fällt der Text mE. in der vierten Strophe qualitativ ab, wirkt gewollt poetisch originell.
Das Wort "perlen" löst bei mir einen Juckreiz aus. Und Schattenrisse … na ja …

LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Nifl
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Beitragvon Nifl » 16.12.2006, 15:42

Ich finde, dass Du (für mich gerade in der vierten Strophe) diese Sonate hörbar machst. Tatsächlich lässt Mozart ja die Hintergrundakkorde perlen ...

o … ich hatte Max Kommentar nicht gelesen *schwör … aber wir sind wohl nicht kompatibel …macht ja nix.

LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Max

Beitragvon Max » 16.12.2006, 15:48

*Lach* Nifl, war auch mein Gedanke gerade. :pfeifen: Wenigstens auf der Metaebene stimmen wir überein ...
Ich hatte bei den kleine Tönen auch gar nicht an die kleine Nachtmusikgedacht, sondern eher daran, dass in besagtem Andante, die Melodie wie auf kleinen Füßen auf einem Teppich aus perlenden Akkorden läuft.

Liebe Grüße
max

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 16.12.2006, 18:43

Liebe leonie,
interessant, manchmal erzählst du richtig offen, dann wieder setzt du die Bilder wie die "Beine" von Schreibmaschinen ihre Buchstaben ganz klar hintereinander - so wie hier - sehr dicht, sehr aufeinandergezogen - was mir besser gefällt kann ich nicht mal sagen! Auf jeden Fall kann ich sagen, dass mir dieser Text gefällt. Ich wollte eigentlich zu deinem anderen neuen was schrieben, jetzt muss ich aber doch erst mal hier :-).
Als erstes sollte ich wohl die Mozartstelle hören - das hole ich morgen nach - ich denke, der Text sollte und kann auch ohne diesen konkreten Bezug gelesen werden, soll heißen: als Ausdruck dessen, was geschieht/ man empfindet, wenn man Musik hört...

Ich finde trotz Nifls Anmerkungen, dass diese Strophe (ohne dass ich mich als jemand aufführen möchte, der Mozart gut kennt oder generell große Erfahrung hätte mit Texten, die Musik beschreiben wollen, das ist sicher recht einfach gestrickt, was ich dazu sage), einfach so genau die Wirkung von Tönen für mich transportiert, dass ich mir dazu welche vorstellen kann:

kleine töne
perlten schattenrisse
über die haut


Und darum finde ich sie einfach gelungen! Sie schafft es anhand ihrer Bilder mir den Effekt zu suggerieren, den ich von Musik kenne (ob von Mozart oder andere Musik ist ja erstmal perifer, für mich ist es erst einmal "Klavier" (jaja, Cembalo, aber ich meien trotzdem Klavier))

Vielleicht könnte man in Strophe 1 und 2 noch deutlicher machen, dass die Lichterketten als Kontrast zum Sommer gedacht sind? Also soll es doch, da es "früh" dunkel ist? Aber es gibt ja eben auch abends Lichterketten im Sommer, nur halt später...daher würde ich das noch stärker deutlich machen? Oder lese ich das falsch?
Vielleicht einfach ein früh/zufrüh oder irgendsoetwas in die erste Strophe einschieben? So etwas in der Art?

Ich habe das sehr gern gelesen...

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Nifl
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Beitragvon Nifl » 16.12.2006, 19:58

Vielleicht könnte man in Strophe 1 und 2 noch deutlicher machen, dass die Lichterketten als Kontrast zum Sommer gedacht sind? Also soll es doch, da es "früh" dunkel ist? Aber es gibt ja eben auch abends Lichterketten im Sommer, nur halt später...daher würde ich das noch stärker deutlich machen? Oder lese ich das falsch?

*hm … für mich ist es kein jahreszeitlicher Kontrast, sonder eher der der Straße zu dem Himmel. Dh. durch die Musik entgleitet dem LI die banale, routinierte Alltäglichkeit, …das Ratio entschwindet, "verliert die Bodenhaftung" … fliegt gleich Kranichen ins Sommerland (Sommerland = positive Konnotation)…
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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leonie
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Beitragvon leonie » 16.12.2006, 21:32

Hallo zusammen,

hier ist ja richtig was los!

Danke Max für Dein Lob. Hm, das "wie" sollte eigentlich ausdrücken, dass alles wie immer war und doch ganz anders.

Lieber nifl,

also, es geht um die Klaviersonate KV 545, insbesondere den zweiten Satz (Andante), und das "perlen" habe ich aus dem Grund gewählt, den Max schon genannte hat.

Die "Schattenrisse" entstanden durch die Situation, es war eine Autofahrt bei winterlichen Sonnenuntergang mit sehr kräftigen Farben, wo alles davor aussieht wie ein Schattenriss. Dazu diese Sonate, es hatte en bisschen was "überirdisches" jenseits von Zeit und Raum, auch wenn das sehr kitschig klingt, ich kann es nicht anders beschreiben. Deshalb würde ich die Schattenrisse gerne da lassen und lesen, ob andere noch etwas dazu schreiben.

Liebe Lisa,

Dir auch ganz vielen Dank, ich freue mich. Ja, ich bin noch ziemlich am Ausprobieren, was das Dichten betrifft. Eigentlich möchte ich (noch) gar keinen festen eigenen "Stil".
Diese Mozartstelle ist mein momentaner Favorit bei allem, was mich stresst. Sie entspannt mich, macht mir gute Laune, tröstet mich, ach alles irgendwie. Hätt ich noch vor zwei Jahren nicht gedacht, dass ich mal wieder so gerne Mozart höre...
Ich denke eigentlich, dass durch die Kraniche ausgedrückt ist, dass es um den Winter geht, denn dann fliegen sie ja ins Sommerland. Mich würde so ein "früh" ein wenig aus dem Sprachfluss bringen, glaube ich.

Aber jetzt habe ich erstmal erklärt, im Moment lasse ich es nochmal so und warte noch ein bisschen ab.

Liebe Grüße Euch allen und ein schönes Wochenende!

leonie


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