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Beutezug

Verfasst: 24.10.2006, 18:30
von Janosch
Es
ziehen
knarzend
meine Jahresringe
ihre Bahnen
im Holz
aus dem
Ich
geschnitzt

Bereits
mit erstem Wuchern
kamen die Raupen
gierig
meine Krone
niederzehren
dass mir nach
morsch und welk
war

Lang
nicht mehr und
meine hüllenlosen
Jahresringe
kreisen stumm
um deren
wohlgenährte Hüften
Schicht um Schicht
im Schacht

Verfasst: 25.10.2006, 17:58
von moshe.c
Lieber Janosch!

Ich denke, daß es nicht schwer ist zu verstehen, warum dies ein Treffer für mich ist.

Jedoch habe ich Probleme mit dem Lyr-Ich. Wer oder was ist es denn?

Ein Baum ist nicht aus Holz geschnitzt, sondern er ist es.

Und welchen Schacht meinst du?

Vielleicht kannst du noch ein wenig sortieren......

moshe.c

P.S.: Ich warte immer noch auf deine Antwort in Sachen 'affig'

Re: Beutezug

Verfasst: 25.10.2006, 18:43
von pandora
hallo janosch,

es geht in deinem gedicht wohl ums älterwerden, um erfahrungen, die man sich schicht für schicht zulegt.
ich habe trotzdem meine probleme mit dem baumbild.
zum einen: knarzen jahresringe? ich denke an dieses lautmalerische verb eher im zusammenhang mit ästen, die sich zum beispiel im wind bewegen.
hier wechselst du ziemlich abrupt die perspektive. zunächst geht es ums langsame, stetige wachsen (jahresringe), dann plötzlich wildes wuchern.

Janosch hat geschrieben:Bereits
mit erstem Wuchern
kamen die Raupen
gierig
meine Krone
niederzehren
dass mir nach
morsch und welk
war


grammatisch bekomme ich "niederzehren" für mich nicht in den text. ich lese "niederzuzehren" oder "um meine krone niederzuzehren".
"niederzehren" ... hm.

in der letzten strophe ist für mich völlig unklar, um wessen wohlgenährte hüften es geht. "schicht um schicht im schacht" - ????

p.

Verfasst: 25.10.2006, 20:09
von Mucki
Hallo Janosch,

es drängt sich mir der Verdacht auf, dass das LI sich gar nicht mit einem Baum vergleicht, sondern mit etwas anderem (Stichwort: wohlgenährte Hüften) und du den Leser in die Irre führen willst *g*
Kann das sein oder liege ich völlig daneben?
Saludos
Gabriella

Verfasst: 25.10.2006, 20:49
von Max
Lieber Janosch,

das Thema mag ich, es ist mir selbst sehr nah. Auch der Vergleich von Personen mit Bäumen gefällt mir und taucht in manchem meiner Gedichte auf. Der Stil ist aber nicht mein Ding: Wenn ich beispielsweise Strophe 1 betrachte

Es
ziehen
knarzend
meine Jahresringe
ihre Bahnen
im Holz
aus dem
Ich
geschnitzt


so fällt mir außer Pandoras Bemerkung die gewollt getragene Art auf, die leider auch zur Störung des poetischen Bildes führt. Stünnde dort:

Meine Jahresringe
ziehen ihre Bahnen
durch mein Holz

so stimmte das bild für mich. Ist das lyr. Ich aber aus Holz geschnitzt, so ziehen zumindest keine neuen Jahresringe mehr durch das Holz. Außerdem ist "Schicht im schacht" in Strophe 3 ein deutlicher Bruch der Gesamtstimmung und ich weiß nicht, ob der gewollt ist.

Liebe Grüße
max

Verfasst: 27.10.2006, 13:19
von Janosch
Hi moshe.c,
freut mich, dass ich deiner Ansicht nach mal Einen versenken konnte! ;-)
Zum Schacht: "Schicht im Schacht" sagt man, wenn etwas aus und vorbei ist. Wenn MEINE Jahresringe mir nicht mehr eigen sind, wäre dies die logische Konsequenz...
Zum lyrischen Ich weiß ich irgendwie nicht viel zu sagen; es "entscheidet" (hat wohl eher seiner Natur entsprechend kaum eine andere Wahl) sich für eine Entwicklung, die für "Raupen" offensichtlich als nährreich erachtet wird...
Sorry wegen "affig", mir sind da irgendwie die Hände gebunden - sehe keinerlei Möglichkeit, die zu einer Aufwertung dieses "Fehltritts" führen könnte...bitte versteh.

Grüßle Janosch

Hallo pandora,
sorry, aber ich kann mit dem 1. Teil deines Kommentars nicht viel anfangen.
Die Raupen kommen niederzehren/ sie kamen niederzehren, weil etwas wucherte.
In der 2. Strophe zehren die Raupen, also sind sie in der 3. wohlgenährt.

Gruß Janosch


Hallo Magic,
Ups! Dabei hab ich doch versucht schlicht zu bleiben.
Wollte niemanden in die Irre führen, aber wenn dem so ist,
soll dem so sein, oder so... :rolleyes:

Grüße Janosch


Lieber Max,

es geht darum, ob man in irgendeinem x-beliebigen Holz präsent ist oder eben in jenem welchen aus dem man nun tatsächlich geschnitzt, d.h. es besteht die Möglichkeit seinem eigenem Holz zu entfliehn, wenn einem die gegebenen Umstände nicht rechtens sind. Wenn man dies aber tut, verleugnet man sich und die Nährstoffproduktion entspricht nicht dem maximal möglichen (die Raupen werden nicht oder zumindest in geringerer Anzahl fressen). Ziel soll es also sein in seinem eignen Holz gedeihen zu können und gleichzeitig so viel Raupen wie nötig abzuwehren.
Schön, dass dir die Wortspielerei mit dem Schicht und dem Schacht nicht entgangen ist. Das LyrIch nimmt in Strophe 1 und 2 schlicht eine beobachtende Funktion ein - erst gegen Ende von Strophe 2 ("morsch und welk") wird deutlich, dass sich etwas bei ihm tut, dass er eine gefühlsmäßige Reaktion auf das Geschehene zeigt. In Strophe 3 steigt nun, auf Grundlage der Gefühlsanalyse, in ihm allmählich die Ahnung eines nahenden Endes empor und ehe er final fixiert hat, was tatsächlich passieren wird ist es bereits zu spät - deshalb dieses abrupte Ende.

Viele Grüße
Janosch

Verfasst: 27.10.2006, 19:24
von Max
Lieber Janosch,

danke für die Erläuterung. Somit ist das "Sc hicht im Schacht" ein gewollter Stilbruch?!

Liebe Grüße
Max

Verfasst: 30.10.2006, 12:50
von Janosch
Kann man so stehen lassen,
wenn es recht ist! :-)

Grüßle Janosch