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Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Klara
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Beitragvon Klara » 23.10.2006, 14:06

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Zuletzt geändert von Klara am 17.06.2007, 15:16, insgesamt 1-mal geändert.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 24.10.2006, 00:03

Hallo Klara!

Hm?

Was möchtest du sagen?

Einige Ereignisse eines Tages?, Hier und dort?

Das es keinen Tag ohne Ereignisse gibt?

Hm?

Gibt es Tage ohne Ereignisse?

Dies scheint mir dein Ausgangspunkt zu sein.

Irre ich mich?

moshe.c

Klara
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Beitragvon Klara » 24.10.2006, 00:45

Hallo Moshe,
ja, was möchte ich sagen?
Es ist so wie eine Stimmung erzählen.
Und eine Stimmung, die ein Kind einst hatte, und die immer bleibt: Es gibt keinen Tag ohne nirgends.
Und keinen ohne Fest.
Das Glück im Unglück.
Und das Unglück im Glück.
Das Schwere daran.
Und das Leichte daran.
Ein So-ist-es-Eben.
Und ein Weinen, heimlich.
Erwachsen und Kind.
Und irgendwann tot: Der Tag. Die Menschen. Das Leben.
Tja.
Gruß
Klara

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 24.10.2006, 10:57

Liebe Klara,

ich mag wie du dich vorgestellt hast und das Thema des Textes nimmt mich gefangen, der ( nicht zu verhindernde) Bruch des Kindes in der Welt. Welt bedeutet hier „unter Menschen“, die – Ironie – ein ewiges Fest feiern, wo keines ist, was es noch schlimmer macht, es fehlt nicht nur der Glanz, es kommt auch Schmutz dazu. So passiert es allen Kinder, prognostiziert der Text und erzählt davon.
Zudem mag ich die Perspektive, die eine Höhnische ist, da dass lyr. Ich Personen mit Mama und Papa anspricht, wirkt es somit involviert. Auch wenn es exemplarisch beobachtet, es selbst ist schon gebrochen, kennt schon den Hohn und so kann der text nicht nur als äußere Beobachtung, sondern auch als innere Erinnerung gelesen werden. Der Hohnton des Textes bewahrheitet sich damit selbst und verabscheut sich (letztlich) auch selbst mit.

In Anlehnung an das Fest passt die Form „Ballade“, das lethargische Weiterfeiern von nichts, das „Geleier“ der Verwandten, das höhnische Lied der Musiker. Das Problem bei so feststehender Form: Sie muss von vorne bis hinten sauber ausgearbeitet sein, sonst wird es für den transportierten Inhalt schwer!
Ich mag die Bilder, die du zeichnest, das wie allerdings ist manchmal noch...

Ich schreibe keine Balladen, habe also gut Reden, meckere aber trotzdem: Bis auf eine Strophe ist zwar das Silbenschema eingehalten (9 8 9 8), Klang und Rhythmus sind an einigen Stellen trotzdem noch verbesserbar – bisher verliert sich dadurch der Inhalt des Textes für mich, ich werde missmutig, „steige aus“.

Hier meine Anmerkungen, ich mache extra keine Textvorschläge, erstens, weil ich nicht weiß, ob du so was willst, zweitens würde das ausarten, ich saß jetzt schon ziemlich lang an den Anmerkungen.

Zuerst zu der Strophe, die aus dem Metrum fällt:

Am Wiesenrand wiegen sich Lampions 9 8 9 8
Verschütten ihr wackliges Licht
Dem Kind schenkt ein alter Mann Bonbons
Das Kind lächelt artig, die Gicht

Belästigt den Mann, das Kind rotzt 8 8 8 8
und ahnt nichts: es kuschelt und lutscht
Der Alte lässt’s laufen und glotzt:
Der Nichte ist’s Kleid abgerutscht


Ich habe die Strophe davor mitkopiert, weil ich denke, weil sie für den Umbau hilfreich sein könnte. Vers vier („Das Kind lächelt artig, die Gicht“) eignet sich gut, um noch ein Wort einzuschieben und dann die Gicht in die neue Zeile zu schieben (dann also: „Gicht belästigt den Mann, das Kind rotzt = damit im Metrum). Vers drei dann einfach wieder umschalten auf 9 durch das ausgeschriebene es („Der Alte lässt es laufen und glotzt“).

Nun zum Rest:

Es gibt keinen Tag ohne nirgends (im Grunde die Zeile und der Moment, warum ich mich mit dem Gedicht beschäftige – das fängt mich, ich weiß emotional sofort, wovon der Text spricht)

Es gibt keinen Tag ohne nirgends
Die Kinder nur wissen davon
Sie hören geschlossenen Auges
bei großen Gelagen den Hohn (Reim schwierig davon/Hohn, außerdem find ich diese ganze Zeile schwierig, erstens klingt sie verquast, zweitens transportiert sie nicht klar genug, dass der ganze folgenden Text auf einer Feier spielen soll, auch wenn dieses Fest sicher nicht nur für den konkreten Anlass steht, sondern Paradigma ist für den Ort, an dem Kindheit leben muss und damit endet = Reim ändern, Ort der Handlung/Einleitung klarer gestalten )

Der spottet, der lästert, der schön tut
Er knabbert am goldenen Rand
Schlägt klirrend auf Teller und trifft gut
Zerrt schelmisch am roten Gewand (schelmisch ist für mich zu harmlos)

Hell spielt die Musik auf, ein Glas springt (hier erstmals Silben zwar richtig, Kadenzen aber widersinnig, ebenso widersinnig die Pause „auf,ein“)
Der Bauch zuckt, die Augen sind voll
Mücken zielen sicher, was Blut bringt (gleiches Problem hier mit „Mücken“, fällt völlig aus dem Rhythmus – notfalls als Probe klare Gegenverse dagegen halten)
Doch kein Weh, das nicht schmölz' in Moll (dieser Vers klingt gedrechselt was Satzstellung und Stil anbelangt)


Am Boden versammeln sich Kippen
Zum nächtlichen Trampelgebet
Im Busch gleich daneben die Rippen (Bild bleibt unklar, wirkt aber)
Gerieben durch Stoffe, zu spät

Kommt Papa, der will’s noch mal wissen (wieso kommt Papa zu spät und wills noch mal wissen? Ist das eine sexuelle Anspielung oder soll es heißen er ist nie da? Bleibt für mich zu unklar?)
Die Mama hat andre am Hals
Am Kleid ist der Saum eingerissen
Das Tischtuch klebt: Sauce und Schmalz (hier zum Beispiel guter Umgang mit dem Rhythmus)

Die Butter ward flüssig und härtet (kann man sagen: Butter härtet sich? Härtet aktiv gebrauchen? Hmmm...bin unsicher...die Butter erhärtet sich...bin unsicher, ob das geht)
Am Tellerrand gläsern sich jetzt (der Bezug von „gläsern“ hallt ins Nichts...härtet die Butter sich gläsern oder ist der Tellerrand gläsern? Bei der Butter gibt es keinen Sinn (jedenfalls mit meinem Erfahrungsschatz), der Teller war oben noch aus gold, zumindest der Rand...und ob er dann oder überhaupt aus Glas ist...hmmm...möglich...läuft aber meiner Vorstellung entgegen /Porzellan, Keramik - eher sogar noch Pappe)
Sie wird morgen wieder verwertet (zusammenschreiben! Bessert Rhythmus und im Kontext ist auch das sich zusammenschreibende Verb wiederverwerten und nicht wieder verwerten gemeint)
Den Schweinen zum Fraß vorgesetzt

Wie alle verderblichen Teile
Ein Kind ist jetzt aufgewacht
Es ruft nach Mamá eine Weile („eine Weile“ Rhythmus...hier wurde zu Gunsten des reimes gearbeitet und das darf man nicht merken!)
Die hört nicht hin, windet sich, lacht (Rhythmus auch nicht konform...“Die hört nicht hin + Pause)


Am Wiesenrand wiegen sich Lampions
Verschütten ihr wackliges Licht (vielleicht zu akribisch, aber kann man etwas wackliges verschütten? Eine Suppe kann verschüttet werden, aber die Suppe ist dann nicht wacklig, sondern das tabellt, die getragene Konstruktion, vielleicht auch der Träger – daher wäre ich hier für „vertreuen“)
Dem Kind schenkt ein alter Mann Bonbons (wieder Rhythmus zu Gunsten Satzbau...die Inversion schluck ich nicht)
Das Kind lächelt artig, die Gicht

Belästigt den Mann, das Kind rotzt (Silben siehe oben)
und ahnt nichts: es kuschelt und lutscht
Der Alte lässt’s laufen und glotzt:
Der Nichte ist’s Kleid abgerutscht

Träge richtet sie sich das Röschen
Am Ausschnitt, wirft Blicke zurück
Der Alte seufzt stumm in sein Höschen
Und richtet dort sein bestes Stück (das dort bricht den Rhythmus, ist um Silbenanzahl einzuhalten unglücklich eingefügt)

Sein Blick stößt sich an ihrem Becken
Und er gibt dem Kind einen Stoß (doppelt: Stößt /Stoß...wenn der Rhythmus anders wäre, könnte man es als Polarität lesen, als Gegenschwung, hier wirkt es aber als unglückliche Wiederholung, daher vielleicht: Sein Blick fängt/hält/bricht sich an ihrem Becken)
Das reibt sich den unteren Rücken (unteren Rücken finde ich eine unglückliche Formulierung..roten Rücken? Wunden Rücken? Heißen Rücken? Oder wenn du das „den“ auch streichst: Das reibt sich geschundenen Rücken?)
Im Hals wie Beton dieser Kloß

Doch Mama, die schüttet sich kaltes (Umbruch hier seltsam, könnte ich nicht laut lesen, da zweisilbiges Wort in nachfolgendem Vers dies unmöglich macht)
Wasser aus dem Hahn ins Gesicht
Zieht flink ihre Lippen nach, altes (nach, altes – das Komma steht an einer Stelle wo aus Rhythmusgründen keine Pause vorhanden ist)
Parfum liegt im Raum, schwer und dicht

Staub fällt von den Schuhen im Tanzrund
Die Takte sind müde verschleppt (eventuell würde sich ein Komma nach müde gut machen ohne den Sinn zu verändern)
Am Tor hechelt traurig der Wachhund
Der Katz hinterher, doch die schwebt

Im siebenten Himmel: Genüsslich
Versenkt sie ihr Mäulchen in’n Topf (in’n...wieder zu sehr Kampf mit Rhythmus...)
Der Hund bellt jetzt laut und verdrießlich (~genüsslich...aber ich mag so was unreines sogar)
Da hebt sie den schwarz-weißen Kopf

Ganze Strophe vielleicht so:

Im siebenten Himmel: Genüsslich
versenkt sie ihr Maul in den Topf
Der Hund bellt jetzt laut, gar verdrießlich
Da hebt sie den schwarz-weißen Kopf


Und schüttelt sich frech, auch die Spitze
Des Schwanzes darf zittern im Fell („darf“..hm...nunja...???...wirkt einfach konstruiert)
Die Tänzer fallen auf die Sitze (Rhythmus...bei fallen auf nicht flüssig)
Doch noch ist es nicht wieder hell

(Insgesamt ist die Hund/Katze-Szene für mich viel zu lang in Relation zur Länge des Gesamttextes – zumindest so unverwoben, ich würde Tier und Festgeschehen mehr verweben, mehr analog schalten)

Der Mond hat sich davon gestohlen (davon gestohlen falsche Kadenzen...)
Die Sonne hat noch keine Lust (insgesamt aber schöne Ortsetzung...weder Mond noch Sonne da...)
Das ist seine Stunde: Verhohlen (für Betonung dieses Momentes vielleicht „dies“ statt das“ oder „jetzt“?)
Wirft sich da der Hohn in die Brust (das da schwächt den Inhalt..zu eingefügt...guckt man welche Wichtigkeit diese Aussage für den Text hat, dies ist ja der Moment,worauf der gnaze Text hinarbeitet...zerstört das „da“ alles...unbedingt stärken!)

- und schwächelt: Zu lieblich, zu milde
Verklingen die Zupfer am Bass
Zu sehr warten alle auf Hilde
Die Nichte des Alten, die nass

Entsteigt einem Seerosen-Weiher (hmmmmmm...hier die Frage...das Fest scheint in einem Garten statt zu finden, wo kommt da ein „Weiher“ her...den kann man nicht im Garten anlegen...ist eine Bezeichnung für kein künstlich angelegtes Teichchen...ich weiß schon, womit die Szene arbeiten will...)
Mit milchweißer Haut, lächelt nicht
Dem Alten entfährt ein „Auweia!" (Auweia trifft es für mich nicht, klingt am Ton vorbei...vielleicht mit Ros/“Sag bloß!“ arbeiten?)
Und er vergisst - fast - seine Gicht (hmm...du baust ein mystisches Bild (Weiher/Seerosen/Nichte ~Nixe...auf, erzeugst starte Spannung zwischen Altem und Nichte, viel größere als wieter oben, das ganze hat aber keine größere Konsequenz als oben und wirkt so nur als Wiederholung...lass den Alten hier doch ruhig offensichtlicher tätig werden...oder streich das fast und änder den letzten Vers..so wirkt die Steigerung poetisch gestrandet).

Indes sucht das Kind in den Neigen
Nach Trost, schüttet Schlaf in den Mund
Und torkelt zurück in sein Bettchen
Und legt sich und sinkt sanft zu Grund (Dopplung "und" klingt unglücklich), daher vielleicht:

Es torkelt zurück in sein Bettchen
Und legt sich und sinkt sanft zu Grund


Traumwissend: Der Hohn singt sein Liedchen
Die Musiker packen zusamm'
Der Alte starrt weiter auf Hildchen
Die geht durch ihr Haar mit dem Kamm (wieder eine Inversion zugunsten des Reimes..)

Die Nacht widmet sich ihrem Ende
Die traumlos sind trinken den Rest
Es gibt keinen Tag ohne nirgends
Es gibt keinen Tag ohne Fest (die Aussage ist klar, aber die Zeile klingt sprachlich schwach und nimmt der Vorzeile „Es gibt keinen Tag ohne nirgends“ alle Kraft...unbedingt umstellen



Ich hoffe, falls dich die Anmerkungen nicht erschlagen, ich konnte ein wenig helfen...

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Klara
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Beitragvon Klara » 24.10.2006, 11:17

Hallo Lisa
dank erstmal ganz schnell für deine ausführliche Arbeit an meinem Text!
Manches hilft, anderes kann ich, glaub ich, nicht richtig annehmen, weil es ja kein Text à la Goethe sein soll.
Manches soll etwas roher gehauen sein, und nicht zu geschnitzt, gerade im Rhythmus. Und es muss sich reimen. Es geht, wenn man's liest. Aber mit dem Katzenmaul im Topf zum Beispiel hsat du unbedingt Recht.
Ich denke drüber nach.
Das Fest muss am Ende! Nicht das nirgends. Wegen der abschließenden Einsilbigkeit und wegen des Hohns.
Danke!
Klara

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 24.10.2006, 11:28

Liebe Klara,

wenn du schon etwas länger im Forum wärst, dann hättest du sicher durch meine zahlreichen Anspielungen schon mitgekommen, dass ich von Goethe nicht allzu viel halte :lachen0042: . Also unbedingt nicht wie Goethe :-).

Sicher ist aber auch klar, dass du nicht alles annehmen musst/kannst, sogar nicht sollst...
...der Text ist rauh und muss es sein, das gefällt mir, die markierten Stellen sind in meinen Augen aber nicht Stilmittel, sondern sprachlich einfach nicht gelungen.

Und es muss sich reimen. Es geht, wenn man's liest.


ja, wie gesagt, dass es sich reimt, find ich ich auch gut! weil passend (s.o. )...
..allerdings habe ich es gelesen und an den von mir markierten Stellen wird es für mich schwierig...man darf nicht merken, dass der Rhythmus vorher festliegt....er muss in den Worten liegen...auch wenn er rauh ist...

warum ich aber überhaupt nochmal schreibe: Klar muss das Fest ans Ende! Da soll es auch bleiben! Nur nicht in der "Satz"konstruktion wie es bisher steht...aus genannnten Gründen...

Vielleicht kannst du ja einiges brauches, anderes darf getrost in die blaue Tonne :-)
Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Klara
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Beitragvon Klara » 24.10.2006, 12:06

Oh, das würde ich mir nie erlauben, von Goethe nichts zu halten.
Darf man das überhaupt?
Nee, im Ernst: Ohne Goethe gäbe es das Andere danach doch gar nicht!
:-)
K.


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