der film

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Gast

Beitragvon Gast » 13.10.2006, 01:56

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Jürgen

Beitragvon Jürgen » 13.10.2006, 23:12

Hallo Gerda

Gute Idee, gute Umsetzung,
nur in der Zeile
"von der leinwand drohen
entschlossen vampire
"
stört mich das entschlossen. Es wirkt etwas überflüssig. Wenn die Vampire schüchtern drohten, wäre es eine Erwähnung wert, aber entschlossen, das steckt beinahe schon fast in dem drohen drin.
"Vampire sehen uns an und fletschen die Zähne" wie fändest Du das?

Schönen Abend

Jürgen

carl
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Beitragvon carl » 14.10.2006, 11:38

Liebe Gerda,

der Titel "der film" ist eine schöne Irreführung des Lesers, die trozdem eine Rahmenhandlung für das eigentliche Geschehen, die Zurückweisung, mitliefert!
Du hast sie auch gut umgesetzt, indem Du kein Subjekt sprechen lässt, sondern Körperteile isoliert und Gegenstände oder Geräusche.
Trotzdem möchte ich Dir einige Fragen zum Überdenken aufgeben ;-):

Ein Zeilenbruch ist für mich entweder eine Sinneinheit oder ihr Gegenteil, als Enjambement der Bruch des Leseflusses, um den Leser zu einer unerwarteten oder neuen Sinngebung des Bisherigen zu veranlassen.
Bei Dir ist er in der Regel keins von beiden, sondern eine Unterstreichung von Einzelheiten. Wenn man aber in einem Satz alles betont, betont man in Wirklichkeit gar nichts. Beispiele:
"die abgewiesene hand zögert
gleitet zurück (auf dem polster)"
Das wäre die Sinneinheit mit der Ortsangabe "auf dem polster", die ich aber im Kontext des Gedichtes für überflüssig halte.
Du willst wahrscheinlich "abgewiesene" betonen. Dann sei konsequent:
"abgewiesen -
die hand zögert (auf dem polster)
gleitet zurück"
Für mein Empfinden sind das Zeilenbrüche mit Sinneinheiten, die trotzdem dynamisch wirken.
Jetzt zu einem möglichen Enjambement:
"taube fingerspitzen
wollen nicht hören
sondern fühlen"
soll möglicherweise mit dem Sprichwort "wer nicht hören will muss fühlen" spielen: Du kannst natürlich jederzeit als Dichterin Verben mit Substantiven verbinden, die nicht zusammenpassen - die tiefste Stelle, die ich zu sehenden Fingerkuppen kenne, ist Celans "VON UNGETRÄUMTEN", wo das Lyrich den Brotteig des Lebens, aus dem alle Namen geknetet sind, abtasten will mit einem "deine(m)/ gleichendem/ Aug an jedem der Finger/.../ die helle/ Hungerkerze im Mund" - aber Celans Lyrik ist auch eine permanente Ohrfeige für die natürliche Sprachlogik.
Das ist nicht Dein Stil (und meiner auch nicht) und fiele hier in diesem Gedicht als "hörende Fingerspitze" ziemlich aus dem Rahmen. Wie wärs deshalb mit
"taube fingerspitzen wollen
nicht hören sondern fühlen"
dann ist das Sprichwort kenntlich gemacht und beides, die Leseerwartung und Sprichwort, konterkariert.
In diesem Sinne könntest Du auch den Satz, den ich inhaltlich sehr gut finde, nochmal überdenken:
"blind sind augen/ hinter denen/ sehnsucht/ schwarze löche/ ins hirn brennt".

"zu eng der sitz
fliehen unmöglich
bedrohlich die musik
schreie gellen eignen schmerz
lüstern der blutige atem -
vampire bei neumond"

Nach dem zu engen Sitz (klasse!) ist der beklemmende Raum nicht nur deutlich schwächer, sondern überflüssig. Eigentlich auch zweimal "drohen". Und dass die Vampire nur auf der Leinwand zu sehen sind, sagt schon der Titel.
"schreie setzten eigenen schmerz frei", falls das "gellen" Dir in dieser Zusammenstellung (s.oben) unpassend erscheint (ich halte es hier für legitim, weil "gellen" den Nachhall bei Überlastung der Ohren lautmalerisch widerspiegelt: hier ist der Nachhall der persönliche Schmerz).

"liebe zur strecke gebracht"
Der Schluss beschäftigt mich noch...

Bis demnächst Liebe Grüße, Carl

Gast

Beitragvon Gast » 14.10.2006, 12:27

Lieber Jürgen,
lieber Carl,

euch beiden erst einmal ganz herzlichen Dank.
Ich werde eure Einwände, die mir jetzt schon einleuchten überdenken und dann bearbeiten.
Ich freue mich über die aktive LeseArt.

Liebe Grüße
Gerda

Gast

Beitragvon Gast » 16.10.2006, 13:22

Lieber Jürgen,

deinen Vorschlag, für dein Einfühlen danke ich dir, kann ich nicht übernehmen, weil er zu sehr abgrenzt zwischen Film und Kopfkino.
Ich möchte bei meiner Intention bleiben, dass die Grenze fließend gelesen werden kann.

Lieber Carl,

deine Vorschläge sind alle sehr hilfreich, vielen Dank.
Dieses Gedicht, wurde bisher noch nie wirlich besprochen, obwohl schon über 2 Jahre alt.
Ich traute dem Text nicht so sehr, nachdem er einmal einfach unsachlich platt gebügelt worden war, brauchte also "Erholung" davon, nochmals Abstand zum Text, um den Mut zu haben, ihn hier vorzustellen.
Deswegen ist es für mich eine besondere Freude, dass du dich damit beschäftigt hast., auch weil ich eweiß, er trägt.
Ich habe mit deinen Vorschlägen gearbeitet und werde eine übearbeitete Version einstellen, in der ich allem gefolgt bin - aber auch noch eigene Ideen umgesetzt habe.
Du schreibst, dass dir der letzte Satz noch Kopfzerbrechen bereitet.
Weshalb? kommt es nicht an, dass das Lyrich das reale Geschehen reflektiert unter Benutzung der bes. Jagdsprache (Jäger-Latein, ist immer so doppelsinnig bei meinem Fam. Namen) ;-)
So ist meine Intention: das filmische Moment der jagenden Vampire habe als Bild benutzt.

Liebe Grüße an euch zwei Beide ;-)

und danke noch Mal
Gerda

maxl

Beitragvon maxl » 16.10.2006, 20:22

Hallo Gerda,

Das ist ein tolles Gedicht!

lg
maxl

Gast

Beitragvon Gast » 18.10.2006, 23:34

Oh, danke, maxl
Gerda :smile:

carl
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Beitragvon carl » 22.10.2006, 17:22

Liebe Gerda,

es hat eine Weile gedauert bis mir klar wurde, was mich am letzten Satz beschaeftigt:
Die Liebe kann nur zur Strecke gebracht werden, wenn sie schon besteht.
Normalerweise ist das von Dir beschriebene "Szenario" aber eine Erstannaeherung: man weiss noch gar nicht, wie der andere ueberhaupt zu einem steht und wenn die Hand warm empfangen wird, kann sich erstes Liebesglueck entfalten. Bis zur Liebe als "kapitalem Bock" waere es dann noch ein weiter Weg.
Wenn Dein Gedicht stimmig ist, handelt es sich um einen Wiederannaehrungsversuch nach einem Streit oder einer laengeren Trennung. Dann ist mit dessen Scheitern die Liebe endgueltig zur Strecke gebracht.
Ich weiss allerdings nicht, ob der Leser Dir soweit in das Gedicht folgen wird wie ich.

Liebe Gruesse, Carl

Gast

Beitragvon Gast » 23.10.2006, 22:59

Hallo Carl,

vielen Dank noch einmal.
Du triffst es sehr gut, meine Intention ist sogar noch vertrackter... ;-)
Aber das habe ich mir erlaubt und wer mir nicht folgen kann und bis dahin gelesen hat, kann sich doch ein wenig wundern...

Liebe Grüße
Gerda


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