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Dem Herbst entgegen

Verfasst: 23.09.2006, 17:23
von scarlett
Dem Herbst entgegen

Liebst du mich noch?

Mein Haar wird grau
vor Alter kaum,
nur von den Sorgen.
Doch lebt in meiner Seele Raum
noch heut wie einst
der Mut zum Morgen.

Liebst du mich noch?

Ich trat schon leis
vom hohen Mittag
in die ersten Schatten.
Das Leben reift,
es naht der Schnitt.
Bald stehn leergefegt die Matten.

Ich warte noch,
ob du nicht kommst,
daß wir dem Herbst entgegen
beide schreiten,
damit wir dann,
wenn´s Abend wird,

nicht einsam gehn
durch Dunkelheiten.

scarlett, 2006

Verfasst: 23.09.2006, 20:39
von Maija
Liebe scarlett,

Eine wunderschöne Beschreibung eines Paares, dass langsam altert und sich fragt, wieviel Liebe überhaupt noch da ist.
Ich kann nur Bewunderung für das wirklich gelungene Gedicht dir mitteilen.
Auch wie du die Stelle offen lässt, gefällt mir gut.

Gruß Maija

Verfasst: 23.09.2006, 21:20
von Paul Ost
Liebe Scarlett,

ein sehr schönes Gedicht. Und was für eine schöner Gedanke.

Grüße

Paul Ost

Verfasst: 23.09.2006, 23:14
von Niko
hallo scarlett!
gefällt mir auch. eine wirklich schöne betrachtungsweise. zwei dinge waren mir aufgefallen. "vom mittag in die ersten schatten" auch der morgen hat seine schatten ;-) natürlich verstehe ich, was du damit ausdrücken willst, aber "erste" schatten sind die schatten nach mittag nicht...
zum zweiten benutzt du fast durchgängig 7 hebiges versmaß (nach meiner rechnung, zeilenübergreifend in phrasen gelesen. ich schreibe mal meine lesart, was nicht heißt, dass ich die zeilenbrüche nicht gut finde:

1)Mein Haar wird grau vor Alter kaum, nur von den Sorgen. 6 hebungen
2)Doch lebt in meiner Seele Raum noch heut wie einst der Mut zum Morgen. 7 hebungen

Liebst du mich noch?

3)Ich trat schon leis vom hohen Mittag in die ersten Schatten. 7 hebungen
4)Das Leben reift, es naht der Schnitt. Bald stehn leergefegt die Matten. 8 hebungen

5)Ich warte noch, ob du nicht kommst, daß wir dem Herbst entgegen 7 hebungen
6)beide schreiten, damit wir dann, wenn´s Abend wird, 6 hebungen
7)nicht einsam gehn durch Dunkelheiten. 4 hebungen

die 4 hebungen am schluss sind völlig ok, finde ich, aber vor allem die so von mir genannten zeilen 4 und 6 empfinde ich als etwas holprig. und ich habe das hier aufgedröselt, nicht weil ich nach etwas suchen wollte, sondern weil ich am ende deines gedichtes immer über den stockenden lesefluss stolperte. ich finde, dein gedicht ist so wunderschön, dass du unbedingt versuchen solltest, diese stellen (ich hoffe, ich empfinde das nicht als einziger so!) nochmal zu überarbeiten. dann wäre es ein traum von gedicht. denn dieser text lebt zum einen von dem geschriebenen, zum anderen aber auch durch die schwingungen, die du mit dem versmaß mitgibst. und dieses versmaß (das zeigen dir ja auch die obigen kommentare) ist absolut gut gewählt.
ich hoffe, du nimmst mir das nicht übel. aber: es ist ja eh alles "subjektive sichtweise".
trotz allem FÜR MICH holprigen übernehme ich mal den ausdruck einer kollegin und sage:

*chapeau*
lieben gruß: Niko
Nachtrag: man solls ja besser machen, wenn man den mund so voll nimmt. :eek: ich versuchs hiermit mal:

Mein Haar wird grau
vor Alter kaum,
viel mehr noch
von den Sorgen.
Doch lebt in meiner Seele Raum
noch stets der Mut
zum Morgen.

Liebst du mich noch?

Ich trat schon leis
vom hohen Mittag
in die langen Schatten.
Das Leben reift,
es naht der Schnitt
und leergefegte Matten.

Ich warte noch,
ob du nicht kommst,
daß wir dem Herbst entgegen
wir beide schreiten, um sodann,
wenn sich der abend naht,

nicht einsam gehn
durch Dunkelheiten.

.........nur so als versuch...

Verfasst: 24.09.2006, 12:54
von leonie
Liebe Scarlett,
das ist ein schönes Gedicht geworden, ganz leise und zart über das Altwerden und Lieben! Den Ausdruck „die Matten“ für Felder? kannte ich noch nicht. Ist der speziell in Deiner Gegend üblich?
Sehr gern gelesen!
Liebe Grüße
leonie

Verfasst: 24.09.2006, 13:29
von Max
Liebe Scarlett,

ich mag den Grundton des Gedicht, diese Gdanken über das Älterwerden finde ich sehr berührend.
Ich mag auch die Parallelen zur Natur und finde die Reimform sehr passend.

Einzig mit dem Metrum habe ich meien Probleme, ähnlich wie Niko. Gerade zu beginn der zweiten, längeren Strophe "ich trat schon leis" holpert zumindest meine Lesart noch ... vioelleicht lässt es sich glätten? Ich denke auch mal nach..
Liebe Grüße und danke für die schönen Zeilen
Max

Verfasst: 24.09.2006, 13:56
von Louisa
Hallo scarlett!

Das ist wieder ein wunderschönes Gedicht von Dir!

Besonders die Frage am Anfang nimmt mich gleich mit, dann gefallen mir auch die Sorgenfalten (statt der Alters-) und der "Mut zum Morgen"! Auch das in die Schatten treten...ach, eigentlich ist alles schön!

Nikos Version hat vom Rhythmus sehr gut gewirkt, aber hier frage ich mich, was es mit dem "in" auf sich hat:

vom hohen Mittag i
n die langen Schatten.


:smile: ...sonst gefallen mir die passenden Reime und das traurige, doch zugleich auch beschwingt wirkende in in Deinem Text sehr!

Liebe Grüße, l.

Verfasst: 24.09.2006, 14:29
von Max
Liebe Louisa,

die Frage mit dem "in" hatte ich auch .. ich schätze es ist ein Tippfehler.

Liebe Grüße
max

Verfasst: 24.09.2006, 15:44
von Niko
jepp.........versehe das versehen mit der richtigen zeile.......
versehentliche grüße: Niko

Verfasst: 24.09.2006, 22:06
von scarlett
Hallo Maija, Paul, Niko, leonie, Max, Louisa...

habt vielen Dank für die Beschäftigung mit meinem - für dieses Jahr :-) - letzten Herbstgedicht.
Es freut mich, daß der Text und das, was dahinter steht, klar rüberkommt und daß ihr die Bilder gut findet.
Was das Metrum angeht - danke v allem dir, Niko, für die Arbeit, die du dir damit gemaht hast - ich werde eure Ratschläge beherzigen. Ich hab mir Nikos Version mal ausgedruckt und werd das genauer unter die Lupe nehmen, einiges leuchtet mir sofort ein, anderes wieder weniger.
Auf jeden Fall werde ich eine zweite, überarbeitete Version erstellen - aber das wird etwas dauern, da ich z Z mit einigem hinterherhinke.
Einen lieben Gruß in die (Abend-)runde und nochmal danke sagt

scarlett

P.S. Die "Matten", liebe leonie, ist ein altes Wort und war in Siebenbürgen (= da, wo ich herkomme) tatsächlich durchaus noch üblich- eine Reminiszenz sozusagen aus meiner alten "Heimat"