Klangfülle des Nein

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
resumee

Beitragvon resumee » 14.08.2006, 16:20

geänderte Version, 26.08

Das Nein trat flüsternd an das Ohr
und klopfte zaghaft an.
Luftwehte zarte Töne nur,
behutsam, dann und wann.

Versuchte es wohl hundert Mal,
die Fülle, sie nahm zu.
Doch nur ein leiser Paukenschlag,
so fand es keine Ruh'.

Den letzten Knall, den hört' man wohl,
es trommelte das Fell
und platzte durch des Neines Kraft,
schallte nun laut und grell:

Nein!


14.08.
Das Nein trat flüsternd an mein Ohr
und klopfte zaghaft an.
Luftwehte zarte Töne nur,
doch kam es niemals an.

Versuchte es wohl hundert Mal,
die Fülle, sie nahm zu:
doch nur ein leiser Paukenschlag,
so fand es keine Ruh'.

Den letzten Knall, den hört' ich wohl,
es trommelte das Fell
und platzte durch des Neines Kraft,
so schrie ich laut und grell:

NEIN!
Zuletzt geändert von resumee am 27.08.2006, 13:49, insgesamt 2-mal geändert.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 15.08.2006, 07:56

Also denn :welcome:

Mir gefälllt die Idee ausgesprochen gut und diese Steigerung samt Ergebnis.

Hast du mal überlegt das Versmaß der jeweils zweiten und vierten Strophen auf fünf zu verkürzen?

Auch sei die Frage nach dem Bezug zur Kultur erlaubt. Ich lese es sehr persönlich.

Mit liebem Gruß

moche.c

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 15.08.2006, 10:28

Hallo resumee,
auch dir ein Willkommen :stern:

Mich hat dr Titel deines textes angezogen, den finde ich gut, ein wenig skurril und ein wenig tapferkeit versprechend. Mit dem Text, der dann aber darunter steht, kann ich nicht so viel anfangen - das fängt an beim ruckelnden Versmaß- warum überhaupt dieses den Inhalt gefangen haltende Versmaß, wenn es doch um einen Ausbruch gibt?

Der Mittelteil scheint mir dann zu sehr "Füllstruktur", es gibt zwar durchaus eine Klimax, aber die ist nicht klar genug entschieden. Sie zittert auf das Ende zu...

Versuche doch mal (nicht um das Gedicht völlig zu ändern, nur als Übungsform), eine freie Version des textes zu erstellen, eine ganz strikt reduzierte...das wäre jedenfalls meine Idee...

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Eliane

Beitragvon Eliane » 15.08.2006, 11:48

sois bienvenue, résumée! ;-)

deine Idee gefällt mir!

obwohl in Ichform geschrieben, sehe ich doch einen Bezug zu unserer Gesellschaft, in der das "Nein!" einerseits aus dem Bedürfnis nach Anerkennung heraus, andererseits aus Feigheit und fehlender Zivilcourage von Vielen nicht offen ausgesprochen wird.

...bis möglicherweise das Gewissen "mit einem Knall" zuschlägt.

Was die Form angeht, so könnte daran gefeilt werden, wobei ich sagen muss, dass ich ein Reimfan bin.
Aber in einer freien gekürzten Form, wie von Lisa vorgeschlagen , dränge die eigentliche Aussage möglicherweise stärker ins Bewusstsein. Der Text wirkt stellenweise etwas verspielt, was zur Thematik nicht so ganz passt.


liebe Grüße,

Eliane

resumee

Beitragvon resumee » 15.08.2006, 14:14

Auch hier allen Lesenden, Denkenden und Schreibenden ein herzliches Dankeschön.

@moshe.c

Was ist aus Deiner Sicht der Gewinn, wenn ich die jeweils zweiten und vierten Zeilen kürze? Die Verdichtung der Entwicklung???

In diese Rubrik habe ich es gestellt, weil im Untertitel stand, dass hier menschliches Verhalten focussiert wird. Wenn ich hier falsch bin, dann möchte doch bitte einer der Mods es in die richtige Rubrik verschieben. Danke sehr.

Liebe Lisa,

Danke für Deine Kritik. Ich kenne Deine Stücke nicht und kann nur vermuten, dass Du ein Anhänger der freien Lyrik bist. Ich mische das.

Nein, ich finde nicht, dass man den Mittelteil auslassen kann, denn er veranschaulicht aus meiner Sicht die Entwicklung der Wahrnehmung. Ich finde auch, dass durch die Wortwahl stark die Struktur bis zum Klimax unterstützt wird.
Wenn ich zu Beginn der dritten Strophe von einem

Knall

spreche, so kann ich ebenfalls nicht empfinden, dass das ein" bis zum Ende zittern" ist.

@eliane

Danke für Deine positive Rückmeldung.

Das "Nein- Sagen" lernen lässt sich sicherlich auf sehr viele, verschiedene Bereiche übertragen..individuell, aber auch gesellschaftlich oder politisch. Ein Hauch von dem, das etwas nicht in Ordnung ist zunächst, dann deutlich wahrnehmbar, aber noch nicht zwingend genug um zu verändern, und erst mit dem Knall passiert etwas Handelndes. Lernen, NEIN zu sagen war lange Jahre ein wichtiges pädagogisches Motiv.

königindernacht

Beitragvon königindernacht » 15.08.2006, 23:50

Oh, ich kenne das!

Manchmal braucht man scheinbar Ewigkeiten, um das erste Mal "NEIN!" sagen zu können.

Mir gefällt die Gedichtidee, aber die Umsetzung weist noch Reserven auf. Z.B. Strophe 1: Da enden S2 und 4 jeweils mit "an". So eine Wiederholung in einem kurzen Gedicht tut nicht gut. Vielleicht denkst du über ein Umformulieren doch noch einmal nach, was meinst du?

Herzlichst, KÖ

resumee

Beitragvon resumee » 16.08.2006, 09:21

@kö

(ich las, dass man Deinen nick hier so abkürzt) Ja, da bist Du natürlich im Recht. Zwei an in einer Strophe sind deutlich zuviel. Das muss klar geändert werden.
Auch habe ich entschieden aufgrund eliane's Kommentar die Ich- Form herauszunehmen, um zu einer generalisierenden Aussage zu kommen.
Das Ergebnis werde ich in den nächsten Tagen einstellen.
Vielen Dank,

resumee

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 16.08.2006, 12:49

Liebe resumee,

also ich bin weder Anhängerin der freien noch der gebundenen Lyrik (auch wenn ich fast immer frei schreibe) - es kommt eben ganz darauf an, was man damit macht. ich glaube einfach nur, dass die meisten Menschen den Fehler machen, mit reimgedichten anzufangen. Ich glaube, es gibt wenige Menschen, die von Anfang an dieses Klang- und rhythmusgefühl haben, dass einen Reim seine Natürlichkeit behalten lässt. Daher finde ich es immer einen guten Rat, wenn versmaß und Reim noch nicht ganz gelingen wollen, es erst einmal mit freieren Formen zu spielen. Den Reime und strenges Versmaß sind ein Drahtseilakt. Und meiner Meinung nach brauchen sie einen Grund.

Diesen Grund sehe ich in deinem Gedicht nicht und die Umsetzung ist in meinen Augen nicht gelungen. Zum Beispiel "missbrauchst" du den eigentlich stilvollen Genitiv in einer Art, dass ich nicht lesen mag. Durch die ganzen unnatürlichen Konstruktionen geht für mich die Idee des Gedichts verloren, die ich (vielleicht interpretiere ich da auch zuviel rein) gar nich schlecht finde.

Neins von außen sind so mächtig und lautstark, dass man am Ende selbst nein schreit, dass zwar ein Nein ist, dass ein verweifeltes nein ist aber dennoch dem Nein gleicht, das von Außen (Gesellschaft, Umfeld) das Nein erzeugt hat?

Liebe Grüße,
Lisa
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moshe.c

Beitragvon moshe.c » 16.08.2006, 19:10

LIebe Lisa!

Ich kann deinen Ausführungen hier nicht folgen und verstehe die Schärfe nicht.
Einerseits schreibst du von 'ruckelndem Versmaß', andererseits siehst du hier ein 'strenges Versmaß'.
Das verwirrt mich und ich bitte um Aufklarung, auch unter Einbeziehung dessen, was ich darüber schrieb.

Den Grund für die Form sehe ich wohl: Das Anwachsen des des Neins bis zur Übernahme. Das ist eine sehr gute Beschreibung eines Vorganges, der immer wieder passiert. Der immer wieder passiert und eine Beständigkeit hat, dem einzelne Menschen erliegen. Es ist geradezu ein alltäglicher Vorgang, dem sich jeder für sich ausgesetzt sieht. Und dieses finde ich hier von der Idee sehr gut umgesetzt.
Als ich im Forum neu war, stellte ich das Gedicht An Villon hier ein, und heute habe ich noch ein Gedicht aus meiner alten Phase hier gepostet mit dem Titel Schwarz.

Ich hoffe es trägt zur Diskussion bei.

moshe.c

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Beitragvon Lisa » 16.08.2006, 21:27

Lieber moshe,

vielleicht bin ich hier zu streng - falls ja, resümee, tut es mir leid. ich ziehe mich dann auch gern aus der Diskussion zurück. Sicher gab es schwächere texte als dieses Gedicht, die ich nicht kritisiert habe, hier bleibt mir nur der text auf der Hälfte stehen und schafft es so für mich nicht eine durchaus interessante Idee umzusetzen, daher vielleicht die hartnäckigkeit.

Zum versmaß: Resümee hat sich ein festes Versmaß auferlegt (=streng), aber es nicht geschafft es umzusetzen (=ruckelt)...ich drücke mich da also nicht verwirrend aus :-)

Die Form ist in meinen Augen dem Inhalt abträglich - das wollte ich sagen...

schwarz schaue ich mir an...

Liebe grüße,
Lisa
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resumee

Beitragvon resumee » 17.08.2006, 10:49

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Liebe Lisa, ich sehe wirklich nicht, wo das Versmaß aus Deiner Sicht extrem "ruckelt".Ich sehe einen beständigen Wechsel von vier und dreihebigen Jamben. Das einzige, das man m.E. anmeckern könnte wäre das "trat" der ersten Strophe, da es streng genommen dort drei aufeinanderfolgende betonte Silben gäbe. Da dies aber in der deutschen Sprahe nicht geht, so lautet die Regel, dass das mittlere Wort, so es am wenigsten Sinn trägt, unbetont bleibt (sagte die Metrik Werkstatt).

Inhaltlich gefällt mir die festgelegte Struktur, das es sich aus meiner Sicht auch um einen festgelegten Ablauf handelt.

In einem indischen Restaurant bestellte jemand chicken Bombay. Er erwartet aufgrund des Namens Fleisch mit einer fruchtigen, leicht scharfen Currysauce. Die Rezeptur in diesem Lokal war anders. Er bekam Fleisch mit einer scharfen süß-sauren Sauce, darin befindlich Kichererbsen und Ingwer.
Zunächst Enttäuschung..er hatte etwas anderes erwartet...als er sich jedoch von seinen Vorstellungen frei machte und das Gericht um seiner selbst Willen aß, merkte er, dass es ihm in dem ihm eigenen Geschmack durchaus gefiel.


Wenn Versmaß und Reim noch nicht gelingen wollen

Weißt Du, Lisa, ich schreibe und komponiere seit sechs Jahren Kindermusik. Versmaß, Reim und Rhythmik sind mir sicher längst in Fleisch- und Blut übergegangen. In der Lyrik habe ich nur ein einziges Jahr ausschließlich frei gearbeitet, danach, das sagte ich schon, mischten sich die Formen.

Über Deinen letzten Kommentar habe ich mich sehr gefreut. Danke dafür.

resumee

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 18.08.2006, 14:14

Liebe resumee,

vielleicht ist meine Argumentation ein wenig müßig...es ist nur so, wie soll ich es sagen:

Wenn ich den text lese, dann wirkt seine Form auf mich unnatürlich (und das nicht absichtlich gesetzt)....er klingt für mich nicht. Das Metrum ist sicher "eingehalten", aber die Wahl des Metrums holpert trotzdem für mich...ich kann das nicht weglesen, auch wenn mir das Thema gefällt...

Aber vielleicht ist das letzlich wirklich eine Geschmackssache - wenn es für dich klingt (und für moshe tut es das ja auch), dann ist es ja genau richtig so wie es ist. Ich glaube hier trennen sich unser Leseempfinden einfach.

Liebe grüße,
Lisa
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resumee

Beitragvon resumee » 26.08.2006, 15:36

Hier bin ich noch eine Überarbeitung schuldig geblieben, Entschuldigung, dass es etwas gedauert hat.

Den doppelten Reim habe ich nun heraus"operiert" *lacht*, die Ich - Form getauscht, was sich gerade in der letzten Strophe als gar nicht so einfach entpuppte..manchmal ist eine Überarbeitung schwieriger als ein neuer Text.

Allen ganz lieben Gruß,

resumee

Louisa

Beitragvon Louisa » 26.08.2006, 16:21

Hallo resumee!

Ich muss ganz kleinlaut sagen, dass ich vom Sinn her "doch kam es niemals an" viel schöner finde, als dieses umgangssprachliche "dann und wann"...das drückt für mich viel weniger aus-

Wo wir auch schon beim Thema wären :smile: ...

-Ich finde es schade, dass Lisas Kritik nicht zu einer Überarbeitung geführt hat. Denn sie hat, so denke ich, recht. Das ist eine fabelhafte Idee mit dem personifizierten "Nein" und auch, dass es ganz still und heimlich angeschlichen kommt (böse wie es ist). Wirklich gut!

Aber viele Reime ergeben für mich einfach keinen Sinn und wirken zu künstlich. Das ist ja das schlimme mit den Reimen. (Ich kenne das Problem und schreibe dann lieber, was ich denke, dann wirkt es ehrlicher)-


Den letzten Knall, den hört' man wohl,
es trommelte das Fell
und platzte durch des Neines Kraft,
schallte nun laut und grell:


-Das gefällt mir nicht so gut wie die erste Strophe. Besonders "es trommelte das Fell" ist mir zu viel des guten Reimens... (das ist nur meine Empfindung)

-Denn ich mag lieber die Gedichte, bei denen ich mir denken kann: "Ja, so ist es! So hättest Du das auch empfunden!"

-Bei der dieser Strophe kommt mir das aber nicht so vor, weil mehr auf den Reim, als auf den weltbewegenden Gedanken geachtet wurde (so scheint es mir, ich kann mich auch irren).

Ich bezweifle zwar, dass Du das jetzt wegen mir alles ändern wirst und ich nur noch die schöne Idee heraus lesen kann, aber ich wollte auch mal was dazu sagen :smile: ...

(Also das wichtigste ist der Gedanke, sagte mir jemand- Wenn dann noch zufällig ein Reimschema und Metrum daher kommt, hat man Glück gehabt. Aber er kann auch ganz allein alles überstrahlen, der Gedanke...)

Liebe Grüße, louisa


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