Presto agitato - Der unerbittliche Tanzlehrer

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Lisa
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Beitragvon Lisa » 23.07.2006, 00:02

Presto agitato - Der unerbittliche Tanzlehrer

Er dreht die
abgehackten Kreisel

wieder und wieder

den Pelz auf den Schuhen

denkt er an ihr*
brennendes Kleid

und an die wehenden Schatten
der Bäume im Saal

Schwarzer Schweiß
fliegt ihm aus dem Haar

Die Platte kratzt
sein Herz wund

wieder und wieder

die Puppe
in seinen Armen


----
* ursprünglich das brennende Kleid


Dieses Gedicht ist ein Dankeschön an meinen neuen Musiklehrer ;-) (lichelzauch) und bezieht sich auf das Stück: Sonata no. 14 in C Sharp Minor 'quasi una fantasia' Op. 27, No. 2, presto agitato (der dritte Satz der Mondscheinsonate)

(wer möchte, kann den dritten satz hier hören:

http://www.youtube.com/watch?v=Mb-BZ4F7 ... =moonlight sonata (bezieht sich NUR auf den dritten Satz, der dort gespielt wird)
Zuletzt geändert von Lisa am 30.07.2006, 10:37, insgesamt 1-mal geändert.
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Gast

Beitragvon Gast » 23.07.2006, 00:26

Stark!!!
Mehr kann ich noch nicht dazu sagen... am besten gefällt mir

Die Platte kratzt
sein Herz wund

wieder und wieder

die Puppe
in seinen Armen


weil ich da den Bezug zur Musik spüren kann, die Musik tropft aus dem Text...

dicht, spannend, agitato - Bravo!

(Passt außerdem auch noch ins Themenrund der Pn, die ich gerade an Max gesandt habe, deinen Text Viglien betreffend)

Begeistert Grüße
Gerda... ich werde noch ein wenig Beethoven hören... aber von CD ;-)

lichelzauch

Beitragvon lichelzauch » 23.07.2006, 09:25

Hmm, das machst du also, wenn du deine Aufgaben nicht erledigst... :mrgreen:

Nein, ernsthaft: Wow. Mir hat noch nie jemand ein Gedicht geschrieben! :d040:

Und dazu noch ein so schönes (wenngleich man es auch mit einem bösen Blick lesen könnte)... ich werde mich hüten, dazu irgendetwas anderes als Danke zu schreiben.

[schild=14 fontcolor=0000FF shadowcolor=C0C0C0 shieldshadow=1]Für diese Überraschung einen Sommerregen Dank![/schild] :blume0028:

Ich bin gerührt.

Liebe Grüße,
lichelzauch

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Beitragvon Lisa » 23.07.2006, 09:57

Lieber lichel und liebe Gerda;

danke, wie schön, dass es euich gefällt, ich habe nach dem Schreiben die ganze nacht diesen dritten satz gehört..mag sein ich habe ihn etwas zu oft gehört :tiere0051: .

lichel: Findest du denn, dass es zu dem Stück passt? 8Böse stimmt durchaus, muss aber nicht, es ist nicht entschieden)

Liebe grüße,
Lisa

EDIT: Und nicht zentriert gesetzt, gerda!! :mrgreen: (und das auch noch, weil es nicht zentriert gehört!)
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

lichelzauch

Beitragvon lichelzauch » 23.07.2006, 10:09

Du weißt ja, wie ich es mit konkreten "Geschichten" zur Musik halte... insofern musst du natürlich selber wissen, ob du die Musik so empfindest.

Nichtsdestotrotz konnte ich mir die beschriebene Szene wunderbar vorstellen, und zum "Charakter" des Stückes passt es natürlich ausgezeichnet. Das ständige Hin und Her, immer im Kreis, "wieder und wieder" (besonders die "wehenden Schatten der Bäume im Saal" haben es mir angetan und natürlich das Ende)... ich könnte mich auch täuschen, aber ich finde nicht nur die Szene, das Gedicht selbst ist wirklich "presto agitato" geschrieben... ganz anders als deine ruhigeren Gedichte (oder bilde ich mir das ein? na, was soll's).

l
Zuletzt geändert von lichelzauch am 23.07.2006, 11:14, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitragvon Lisa » 23.07.2006, 10:12

Lieber lichel,

ich kenne mich nicht so gut mit Musikspielweisen aus wie du...wenn du sagst, dass Gedicht sei treffend in dieser Art geschrieben wäre das wundervoll, ich habe mich nur nach der Musik gerichtet. Und du hast sicher recht...die anderen Gedichte von mir sind fast nie (nie?) hektisch oder schnell...

Ich melde mich, wenn ich die HA erledigt habe :-)

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
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scarlett

Beitragvon scarlett » 23.07.2006, 10:28

Sehr schön, LIsa, super umgesetzt!
Am besten gefallen mir die wehenden Schatten der Bäume im Saal. Das ist phantastisch! Ebenso die Platte, die das Herz wund krazt...
Woher nimmst du bloß diese Einfälle???

Staunende, begeisterte Sonntagsgrüße,

scarlett

Gast

Beitragvon Gast » 23.07.2006, 10:44

Liebe Lisa,

das Gedicht hat Substanz über 3. den Satz der Mondcheinsonate hinaus.
Das kann jeder verstehen, der Musik mag und ein wenig vom Tanzen lernen versteht... ;-)
Jedenfalls empfinde ich so.
Die Worte tragen unabhängig :daumen:
Das ist eben das, was ein Gedicht braucht um alle erreichen zu können, die es unvoreingenommen lesen.
Natürlich habe ich etwas zu mäkeln...

den Pelz auf den Schuhen

denkt er an das
brennende Kleid

ungewöhnliche Metaphern, die dem gesamten Gedicht diese Unwirklichkeit der Szenerie verleihen, aber dennoch...
sie passen nicht so recht (ich weiß, das ist wieder sehr pingelig)
Da hst du wahrscheinlich etwas ganz bestimmtes in deinem Innenauge gesehen...

Liebe Sonntagsgrüße
Gerda

Max

Beitragvon Max » 23.07.2006, 11:59

Liebe Lisa,

wenn man zu dem Gedicht die Musik hört, weiß man erst, wie gut dass Gedicht auf die Musik passt und - da hat Gerda recht - es hat noch eine Dimension über das Gedicht hinaus (so wie natürlich auch die Musik eine Dimension jenseits des Gedichtes hat). Und tatsächlich hates auch mit Tanzen zu tun oder mit jeder Übung, die man gerne meisterhaft beherrschen mag und doch anfangs nur dilettantisch ausübt: Man denkt an die wehenden Bäume, die brennenden Kleider (das ist jetzt schon Interpretation), aber man hackt - mit plezigen Schiuhen - selbst den Kreis noch eckig.

Die Szenen mit den brennenden Kleidern erinnerrt mich übrigens an eine Szene aus dem Film Poem, es ist als schlüpfst du kurz in diesen Film und wieder hinaus. Das schwarze Schweiß erinnert mich an die schwarzglänzenden Konzertflügel. Es gitb eine merkwürdige inhaltiche Verbindung zwischen dem wundgekratzten Herz und der Puppe .... Ich bin ganz begeistert.

Liebe Grüße
max

Die letzten drei Strophen finde ich meisterhaft

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Beitragvon Lisa » 23.07.2006, 12:58

Liebe scarlett,

also bei diesem Gedicht kann ich sagen, woher mir die Ideen kamen, von der Musik :mrgreen: ....ansonsten...frage ich mich das bei deinen Gedichten ja auch ganz oft, oder bei Louisas..oder bei...allen anderen...ich glaube, da kann man gar nichts für :-)

Liebe Gerda,

ja, du hast recht...

der pelz damit ist staub gemeint...staub im sinne von schimmligen/zeitvergangenen...die schuhe stehen halt..als richtige schuhe ewig im schrank...

das brennende kleid...

würde es helfen, wenn dort stehen wpürde: ihr brennendes kleid? zwischen diesen beiden versionen habe ich geschwankt...

Lieber Max...danke.... :wub:
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Trixie

Beitragvon Trixie » 24.07.2006, 13:46

Servus Lisa!

Ich bin genauso begeistert, wie die anderen. Ich habe nicht zu meckern. Es ist wundervoll und einmalig. Und trotz der Ungewohntheit, trotzdem ein Lisa-Gedicht, wie ich finde. Und die Mondscheinsonate ist nunmal wunderschön.... Da kann ich es schon verstehen, wenn man sich inspirieren lässt, egal von welchem Satz!

auch begeisterte Grüße, Trixie

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Beitragvon Lisa » 28.07.2006, 09:44

Liebe trixie,

hui, das habe ich deine Worte doch tatsächlich gar nicht mitbekommen...

DANKE! 8auch für das typisch Lisa...das klingt schön)

Liebe grüße,
Lisa
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Trixie

Beitragvon Trixie » 28.07.2006, 12:51

Komisch: Gestern Abend lag ich im Bett und dachte mir, dass ich morgen - also heute- unbedingt nochmal schauen muss, was aus Lisa's traurigem Tanzlehrer geworden ist. Hoffentlich hat sie nichts verändert! Und dann schaue ich heute hier rein und sehe, du hast es sogar "vergessen" :bumper: was mich in diesem Fall überhaupt nicht stört ;-)!

Liebe Grüße zurück, Trixie

Gast

Beitragvon Gast » 29.07.2006, 22:43

Weißt du, Lisa, dass ich da nicht drauf gekommen bin, dass Pelz auch Staub meinen kann, tz, tz, tz, :icon_redface2:
Klar doch. Ja und mit dem Kleid, jetzt ist es einfach zu sagen, du kannst es auch so lassen... ich weißt nicht, vielleicht wäre das "ihr" vor Kleid doch ein guter Hinweis.
Abendliche Grüße, nach Radtour und Hof kehren - aber geduscht ;-)
Gerda


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