Letzte Nacht

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Trixie

Beitragvon Trixie » 18.07.2006, 09:40

Verblasste Ziffern
Zeiger drehen
Zeiten wehen
schemenhafte Düfte
über grau getünchtes Land.

Ein Morgenblühen noch
dann webt der Tag die Sonne
und der Tau in meinem Glas
fällt als Träne dieser Nacht
während hell am Horizont
das erste Schiffchen kreuzt.
Zuletzt geändert von Trixie am 18.07.2006, 20:57, insgesamt 1-mal geändert.

Perry

Beitragvon Perry » 18.07.2006, 15:54

Hallo Trixie,
eine Morgenstimmung am Meer lese ich aus deinen Zeilen.
Gut gefällt mir das Morgenblühen, wobei ich mich frage warum der Tau ins Glas (welches?) fällt. Ansonsten ein schönes Stimmungsgedicht mit leicht wehmütigem Anklang(an was auch immer).
LG
Manfred

Trixie

Beitragvon Trixie » 18.07.2006, 16:05

Dankeschön Manfred!

Es ist mir eine Ehre, einen Kommentar unter meinem Text zu lesen :smile: ! Möchte jetzt nicht schon zu viel sagen, nur, dass das Schiffchen doppeldeutig ist im Zusammenhang mit "weben". Die Überschrift ist ja auch doppeldeutig. Mal schauen, ob noch jemand was dazu zu sagen hat. Aber Danke für dein Lob, das hat mich gefreut :banana_1: !

lg Trixie

Cara

Beitragvon Cara » 18.07.2006, 20:37

Hallo Trixie,

das erste Schiffchen kreuzt am Horizont....das verstehe ich so, als wollest du sagen: Das Leben geht weiter.
Eine Liebesbeziehung ist zuende, es war die letzte Nacht, die letzte Träne fällt, die Ziffern sind im Laufe der Zeit verblasst, aber die Zeiger gehen weiter, es geht weiter, ein neues Schiffchen kreuzt deinen Horizont.

Das Gedicht handelt für mein Verständnis von Vergangenheit und Freude auf eine neue Zukunft.

Für mich gewinnt es im Laufe seiner Entwicklung an Qualität, d.h. die stärkste Aussage steht für mich am Schluss.
Es hat etwas Trauriges, aber auch Lakonisches und letztlich Hoffnungsvolles.

Wie wäre es, wenn du hinter "Land", wo ja auch ein Punkt steht, einen Absatz machen würdest?


Liebe Grüße
Cara

Max

Beitragvon Max » 18.07.2006, 20:54

Liebe Trixie, liebe Cara,

ich staune über Deine Interpretation Cara, die mir jetzt, da ich sie lese so schlüssig erscheint. Andererseits waren für mich die Schiffchen ein Beginn der Arbeit,ein Beginn auch des Tages der gewebt wird.

Sprachlich finde

Ein Morgenblühen noch
dann webt der Tag die Sonne


außerordentlich gelungen, während ich

und der Tau in meinem Glas
fällt als Träne dieser Nacht


für problematischer halte, da für mich, das habe ich lichelzauch glaube ich kürzlich schon mal geschrieben, Träne für ein verbrauchtes Bild halte (ich habe Lichelzauch glaube ich geschrieben die Träne sei der Auerhahn unter den Motiven in der Liebeslyrik ;-) )

Liebe Grüße
Max

Trixie

Beitragvon Trixie » 18.07.2006, 21:02

Huhu ihr beiden!

Wow, Cara, was eine Deutung! Schön, wenn man so viel darin sehen kann! Ja, so kann man es lesen. Das Schiffchen kann man vieldeutig lesen, deswegen finde ich dieses, im Gegensatz zu sonst, nicht verbraucht. Ist wohl auch keiner auf die Idee gekommen, es mit der Werktätigkeit Weben in Verbindung zu bringen? Denn zum Weben gehört ein Rahmen und das Schiffchen und daher fand ich das ganz passend. Der Absatz ist gemacht, denn hatte ich auch ursprünglich und als ich das Ganze auf dem Bildschirm sah, dachte ich dir ganze Zeit: Hm, irgendwas ist da anders... Bin aber nicht drauf gekommen, dass es der fehlende Absatz war! Danke, Cara, manchmal ist man einfach zu doof ;-)!
Max, danke auch dir für die Kritik! Ich hatte anfangs Tropfen statt Träne, aber da es für mich kein Liebesgedicht ist, fand ich Träne passend, weil die Nacht darum eine Träne vergießt, dass sie schon wieder vorbei ist.

Letzte Nacht = Das war die letzte Nacht, die ich erleben werde oder eben im Sinne von: Weißt du noch, letzte Nacht, als wir....

Meine eigene Interpretation möchte ich noch zurückhalten, da ich es spannend finde, was man darin alles sehen kann!

lg Trixie

PS: Da ich für Minderheiten bin (In der WM war ich für Ghana und Togo, weil die mir immer so leid taten, dass sie so bald rausfliegen), finde ich Auerhähne natürlich toll!!

aram
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Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 18.07.2006, 21:56

liebe trixie

freue mich schon auf deine hörbare version!
was mir auch an diesem text wieder gefällt - dass du dir problemlos erlauben kannst, sehr nahe an eine 'kitschige' grenze zu gehen, ohne abzugleiten (ich nannte das glaube ich mal "trittsicher") - wie du das machst weiß ich gar nicht - ich finde deine texte haben etwas subtil-eigenes, das hinter verbreiteten themen, bildern und formen -die für sich genommen alle 'nichts besonderes' sind - durchzuspüren ist.

mich würde natürlich interessieren, ob das andere ähnlich erleben (oder ob ich vielleicht einen 'trixie-tick' habe??)
- bei mir lassen deine texte jedenfalls nie den verdacht entstehen, dass die autorin 1:1 darin lebt, da ist immer eine feine distanz - wie ein erwachsener ein märchen liest - und trotzdem ist der gefühlskontakt zum dargestellten aufrecht, das märchen ist echt.
hat was helles, zauberhaftes, gefällt mir sehr.

aram

Trixie

Beitragvon Trixie » 18.07.2006, 22:23

Guten Abend Aram!

Ich freue mich natürlich auch, deinen Kommentar hier unter einem meiner Texte zu lesen. Und danke dir recht herzlich, dass du immer dasselbe schreibst :cool: . Nein, Quatsch, ich danke dir dafür, dass du etwas erkennst, was nur ein Leser erkennen kann und nicht der Autor selbst. Ich kann nicht sagen, wie ich schreibe. Ich tue es einfach. Das ist wohl fast schon ein Charaktermerkmal, wenn du sagst, dass ich so schreibe. Und es freut mich, denn es ist eigentlich genau das, was ich will: Nicht Kitsch, aber auch nicht zu viel Realität. Nicht Zartrosa, aber auch nicht knallrot. Schön, wenn es mir gelingt, zumindest in deinen Augen!!! ( Ich weiß übrigens auch nicht, wie ich das mache, wahrscheinlich eine Vermischung von all den Vorbildern, die ich habe. Das mögen gleichzeitig Gerda, mit ihrer direkten, kritischen Art zu schreiben sein und Louisa mit ihren verträumten, liebevollen Art zu schreiben sein. Und wenn man beides mischt und noch ein Trixie-Thema, was ja meistens Nacht ist, dazu nimmt, kommt eben sowas bei raus :16_5_26: :lachen0031: .

liebste Grüße, Trixie :hut0045:

rya

Beitragvon rya » 18.07.2006, 22:41

Hallo Trixie.

Zunächst hat mich dein Gedicht einfach nur angesprochen.
Ich hatte dabei das Gefühl etwas über eine entstehende (Jahreszeit ? ) zu lesen.
Besonders gut gefallen hat es mir,nachdem ich mir es mehrfach selbst laut vorgelesen habe. Irgendwie hat es etwas schwermütiges,und von Vergänglichkeit zeugendes.
Schön. (Auch wenn es völlig anders von dir gemeint war..)

Rya

Trixie

Beitragvon Trixie » 18.07.2006, 22:56

Guten Abend rya und Herzlich Willkommen hier!!

Ich danke auch dir für deinen Kommentar und deine Interpretation. Ich hätte nie gedacht, dass man da so viel rauslesen kann. Ich denke, es ist von allem etwas dabei. Für mich ist jede Nacht eine Art letzte Nacht. Jede Nacht etwas besonderes, einzigartiges. Ja, ich dachte in der Tat dabei ein wenig an den Herbst und dass er doch noch nicht kommen möge. Und ich freute mich, dass am nächsten Morgen, egal, ob Frühling, Winter, Herbst oder Sommer, die Sonne wieder kommt,auch wenn wir sie nicht sehen. Es war ein hoffnungsvolles Abschiednehmen von der Nacht. Warum, kann ich auch nicht genau sagen, aber ich mag die Nacht. Und ja, es hat was von der Vergänglichkeit. Vielleicht auch von der Liebe. Oder vom Erschaffen. Vom Wechsel zwischen Tag und Nacht, in der der Tag neu erschaffen wird, in der sich Sonne und Mond umarmen und in der etwas geht und etwas anderes kommt.

Ich hoffe sehr, dass das jetzt nicht zu pathetisch klang... :eek: :pfeifen: !

Werde nun die nächste Nacht begrüßen gehen!

ganz liebe Grüße und eine wundervolle Nacht, Trixie :stern:

PS: Habe gerade einen "Welcome Smiley" entdeckt: :welcome: , rya!!

rya

Beitragvon rya » 18.07.2006, 23:02

Danke Trixie.

und wenn ich dieses Smileyzeugs bgegriffen habe bekommst du auch einen.

Gute Nacht.

Rya

savage

Beitragvon savage » 19.07.2006, 07:03

Hallo Trixie,

wenn ein Text nicht ein ganz genaues Bild zeichnet, liest ihn jeder so, wie er ihn versteht. Daraus ergeben sich zwangsläufig verschiedene Interpretationen - was ja nicht schlecht ist. Nach dem ersten Lesen tendierte ich zu Caras Interpretation. Inszwischen hast du ja etwas zur "Aufklärung" beigetragen und der Text ist schlüssig geworden.

savage

Trixie

Beitragvon Trixie » 19.07.2006, 12:39

Guten Morgn nachträglich!

rya, da freu ich mich schon drauf! Smileys sind toll!

Savage, freut mich, dich hier zu lesen! Ich danke dir für deinen Kommentar. Ich glaube, es gibt gar keine richtige Aufklärung. Es ist einfach ein Text über die Nacht, ein paar Gedankenfetzen, die jeder selbst sehen kann, wie er muss. Mehr die Beschreibung eines Gefühls, welches eintritt, wenn es noch Nacht ist, man aber weiß, dass der Morgen gleich kommen wird. Wenn ich es explizit auf die Liebe bezogen hätte, hätte ich ich ihn in die Liebeslyrik gestellt. Ich schreibe eigentlich sehr selten Liebesgedichte, aber wer es als Liebesgedicht lesen will, kann das gerne tun ;-) :wub:

lg Trixie

rockandrollhexe

Beitragvon rockandrollhexe » 19.07.2006, 13:07

Liebe Trixie,

ich habe deinen Text als kleine Liebeserklärung an die Nacht gelesen,
die nun dem Tag weichen muss. Schöne Worte.

Liebe Grüsse
rockandrollhexe


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