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Das Amen
Verfasst: 17.07.2006, 22:12
von leonie
Zu steyks "Tschau Mama"
Das Amen
Unter dem Schutzkleid
zittern die Knie,
er weint seine Tränen
ins Nierenbecken,
schließt seinen Zorn
hinter dem Herzmuskel ein.
Vor ihm das Kind
Mutterseelenallein.
Starrt auf das
rosenbenetzte Holz.
Beschlagene Gläser
Spiegeln die Seele nur.
Fragen vieler
bündeln sich
in seinem Kreuz,
Augen halten sich
an seiner Fassung fest.
Ach könnte er
den verklagen,
der ihm das aufhalst,
endlich einen finden,
der die Schuld
auf sich nimmt.
Doch sein Gott
ist ein anderer.
Sein Atmen gleicht
einem Seufzer,
als er mit fester Stimme
das Amen spricht.
Verfasst: 17.07.2006, 22:21
von Paul Ost
Hallo Leonie,
ein Priester, der bei einer Taufe unter Zweifeln leidet?
Fragt
Paul Ost
Verfasst: 17.07.2006, 22:45
von Herby
Hallo leonie,
das ist ein in seiner eindringlichen Sprache und Bildghaftigkeit ganz starker Text! Ich verstehe ihn im Gegensatz zu Paul so, dass es um die Zweifel eines Priesters bei der Beerdigung eines Elternteils ( einer Mutter ? ) geht.
Auch, wenn ich damit falsch liegen sollte, ist es ein Text, der mich beschäftigt und hängen bleibt!
Liebe Grüße
Herby
Verfasst: 18.07.2006, 08:06
von Jürgen
Hallo Leonie
Ich verstehe das Gedicht wie Herby. Eine Beerdigung, der Priester spricht am Grab ein Gebet für eine verstorbene Mutter, er sieht ihr Kind und ihm kommen Zweifel an der Gerechtigkeit Gottes. Ein sehr intensiver und gelungener Text.
Schönen Tag
Jürgen
Verfasst: 18.07.2006, 08:55
von Birute
Ja, sehr intensiv. Gut gelungen, liebe leonie.
Ich empfinde den Text wie Herby und Jürgen.
Einzig "rosenbenetzt" will mir nicht gefallen. Vielleicht lieber "rosenbesteckt, aber, das ist wie immer, nur mein kleines Empfinden. ;)
Lieben Gruß
Birute
Verfasst: 18.07.2006, 11:13
von leonie
Hallo zusammen,
gestern ging mir Stefans Gedicht den ganzen Tag nicht aus dem Kopf, dazu kam Birutes „Erde“. So schrieb ich abends dieses „Beerdigungsgedicht“ und versuchte mich, in die Lage des Priesters hineinzuversetzen, der die Mutter eines Kindes beerdigen muss.
Danke für Eure Rückmeldungen! Birute, das „rosenbenetzt“ überdenke ich noch mal.
Liebe Grüße
leonie
Verfasst: 18.07.2006, 21:18
von Lisa
Liebe leonie,
ja, ich lese es auch wie Herby, Birute und Gurke.
Was ich mich frage: Warum ist das Gedicht (noch) in ganzen Sätzen gehalten? Man könnte es auch auf die Bilder verkürzen...zumidest für eine zweite Version würde sich der Versuch lohnen...ich wäre auch mutig und versuchte es mal....wenn ich darf...die tollen Bilder, besonders zu Beginn, reizen mich einfach.
Gelungen finde ich auch den Titel, der alle/n Zweifel/Fragen noch einmal bündelt
Zu dieser Version:
Vor ihm das Kind
Mutterseelenallein.
Starrt auf das
Rosenbenetzte Holz.
Beschlagene Gläser
Spiegeln die Seele nur.
Das
starrt (obwohl ich den Bezug herstellen kann) wirkt mir etwas zu bezugslos, da das Gedicht wie gesagt grammatisch sehr weitläufig gehalten ist...also velleicht eher: er starrt?
Liebe Grüße,
Lisa
Verfasst: 19.07.2006, 06:51
von savage
Hallo leonie,
ich liebe Texte und Gedichte, die so gar nichts fröhliches und romantisches an sich haben, weil sie eine traurige Geschichte erzählen, obwohl ich ein fröhlicher und romantischer Mensch bin.
Im Gegensatz zu birute finde ich am rosenbenetzten Holz nicht auszusetzen.
Ein wirklich sehr guter Text.
savage
PS. Ich nehme an, du beziehst dich auf Stefans Gedicht "Tschau Mama" ?
Du solltest den Titel nennen, damit die, die das Gedicht nicht gelesen haben, wissen, wovon du sprichst.
Verfasst: 19.07.2006, 10:14
von leonie
Liebe Lisa,
das Gedicht ist in ganzen Sätzen gehalten, weil es mal wieder zu meinen Spontantexten gehört. Und irgendwie musste der nach dem Steyk-Gedicht gestern noch raus, weil er für mich dazu gehörte. Vielleicht hätte es unter Erzählgedichte gehört.
Ich habe im Moment gar nicht so eine Idee, wie ich das ganze verkürzen könnte, wenn Du es versuchen willst, wäre ich sehr gespannt.
Zu dem Starren: das Kind starrt, nicht der Priester.
Lieber savage,
danke fürs lesen und fürs Lob!
Liebe Grüße
leonie
Verfasst: 19.07.2006, 13:02
von rockandrollhexe
Liebe leonie,
ich finde deinen Text sehr gelungen und wüsste nicht, was man daran kürzen sollte. Ich habe gespürt, dass du deinen Gefühlen freien Lauf gelassen hast, nachdem dir steyks Gedicht nicht aus dem Kopf gegangen ist.
Und sollte man Gefühle kürzen...?
Liebe Grüsse
rockandrollhexe
Verfasst: 19.07.2006, 14:30
von Cara
Hallo Leonie,
das ist ein ganz starkes Gedicht.....und mich stört auch nicht, dass da die Sätze so ausformuliert stehen, wie sie stehen....gleichwohl würde mich Lisas Vorschag auch interessieren.
Dein Sprechen in dem Gedicht ist einerseits flüssig, verständlich, andererseits musste ich doch ein paar Mal hin und herdenken, was jetzt wozu gehört. Das finde ich gut, dadurch wird die Aufmerksamkeit des Lesers angespornt.
Kleiner Hinweis: "Rosenbenetzte Holz"....müsstest du das an dieser Stelle nicht klein schreiben?
Mich hat das Gedicht wirklich sehr berührt!!!
LG
Cara
Verfasst: 19.07.2006, 16:56
von leonie
Liebe Hexe, liebe Cara,
danke für Eure Rückmeldungen, ich freue mich darüber. Das „rosenbenetzt“ wird geändert!
Liebe Grüße
leonie
Verfasst: 19.07.2006, 17:50
von scarlett
Liebe leonie,
ein ganz starker, intensiver Text - immer wieder gelesen, immer wieder die gleiche Betroffenheit, die aus deinen Zeilen zum Leser überspringt.
Die Ausformulierungen stören - finde ich - nicht - aber das ist sicher bei mir kein Kriterium, ich kann selber nicht so gut mit dem Verkürzen umgehen.
Ein äußerst empfindliches Thema gut, sehr gut umgesetzt.
Mit leiben Grüßen,
scarlett
Verfasst: 19.07.2006, 21:16
von Max
Liebe Leonie,
ein Text, den man genau so versteht, wie Du ihn meinst, insofern ein Volltreffer. Auch kann ich die Situation dieses Priestes gut nachvollziehen, denn auch in seiner Sicherheit hat man sicher Unsicherheiten (das ist auch ein Kunststück dreimal "sicher" in einem Satz unterzubringen und dabei nicht der amerikanische Präsident zu sein), aber man darf sie nicht zeigen, denn die Rolle ist eben die dessen, der Sicherheit gibt (nochmal ... 4 Mal!!!!).
Rein sprachlich habe ich mich eher dan den Nierenbecken aufgehalten, kein so schöner Platz. Um herauszufinden, wo denn die genau sind, habe ich nachgeschaut und dabei herausgefunden, dass es auch Nierenkelche gibt. Würden die nicht auch hervorragend in einen religiösen Kontext passen?
Liebe Grüße
Max