Engel

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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leonie
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Beitragvon leonie » 11.07.2006, 12:23

Nebelschatten
nehmen
verletzte Konturen mit

Ich lese
Federn auf
schreibe über
verwischten Spuren
Dir
ein Gedicht

Könnte ich dich
sanft
erinnern

mein scheuer Engel

Max

Beitragvon Max » 15.07.2006, 16:06

Liebe Leonie,

an diesem gedicht gefällt mir die Bildsprache, die Nebelschatten und die verletzten Konturen (wobei mir bei letzteren nicht ganz klar ist, ob sie nicht durch die Nebelschatten auch geheilt werden) und die Federn, mit denen auch geschrieben werden kann.
Probleme habe ich ab er mit dem Verständnis des Gedichts: Ich habe mich nach den mir einleuchtenden ersten beiden Strophen nach der Lektüre des Gedichts die innerer Frage gehabt: erinnern, woran und wieso?
Vielleicht bin ich ja auch nur begriffststutzig und jemand andere(r) kann helfen?!

Liebe Grüße
Max

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leonie
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Beitragvon leonie » 15.07.2006, 21:39

Lieber Max,
danke für Deine Rückmeldung.
Der Engel verschwindet ja verletzt im Nebelschatten, und es bleibt nur Erinnerung an ihn. Ich stelle mir vor, dass die beiden gekämpft haben und beide verletzt sind. Das lyrIch würde aber gern einen sanften Engel erinnern und keinen verletzenden. Passt ja auch nicht so ins allgemeine „Engelbild“...
Müsste ich das verständlicher ausdrücken oder ist es okay, wenn es angedeutet bleibt, was meinst Du/Ihr?
Liebe Grüße
leonie

lichelzauch

Beitragvon lichelzauch » 15.07.2006, 22:09

Hallo leonie!

Hm... so habe ich das gar nicht gelesen. Für mich war das lyr. Ich auf der Suche nach dem Engel, den es nur kurz schemenhaft gesehen hatte (weil "scheu"); dies lässt dem lyr. Ich keine Ruhe (deshalb "sanft erinnern", sanft als Adverb); 2. Strophe ist klar und die erste... na ja, hatte ich mir so zusammengereimt, dass der Engel durch das erblickt-werden verletzt wird...

Deine Intention ist aber auch sehr interessant. Es würde schonmal helfen, wenn irgendwie "Kampf" mit aufgenommen würde ("verwischte Kampfesspuren", um es ganz plump zu machen, eben besser).
Und das mit dem sanft... vielleicht
"Könnte ich dich
als sanft
erinnern." ???

Och... jetzt hab ich soviel kritisiert! Dabei ist doch gerade der Anfang... aber Max hat es ja schon gesagt. Mit meiner Deutung hat's mir sehr gut gefallen ( :mrgreen: :rolleyes: ); bei der richtigen würde ich erstmal abwarten, ob du es noch deutlicher machst, ohne das schöne... wie soll ich's nennen? das schöne Gleichgewicht zu stören, das dieser Text hat.

Gruß,
l

Louisa

Beitragvon Louisa » 15.07.2006, 22:47

Hallo leonie,
mir hat das auch gefallenund ich dachte Du meinst mit den Flügeln die abgefallenen Flügelfedern vom scheuen Engel !?

Die "verletzten Konturen" sind auch sehr, sehr gut!

Liebe Grüße, louisa

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Beitragvon leonie » 16.07.2006, 09:38

Hallo lichelzauch,
also, nach Deinem Kommentar möchte ich es eigentlich genau so lassen wie es ist, damit der Text offen bleibt für solch eine Deutung, die mich überrascht, aber auch überzeugt und freut.
Hallo Louisa,
ja, das mit den Federn war auch so gedacht, die hat der Engel gelassen...
Danke Euch beiden und liebe Grüße
leonie

lichelzauch

Beitragvon lichelzauch » 16.07.2006, 09:55

Huhu,
das ist natürlich auch eine Lösung, wenn du es lieber offen haben willst. Dann mag ich den Text sehr; wenn ich meine Deutung noch ein bisschen ausbauen darf: manchmal habe ich nämlich solche "scheuen Gedanken" die irgendwie da sind, sobald man sie aber konkret denkt, gehen sie verloren. Erst in den "Nebelschatten" können sie wieder... ja, existieren, auch wenn ich sie nicht erkennen kann. So geht das dann immer hin und her, bis ein Gedicht entsteht. :biggrin:

Liebe Grüße,
l

Max

Beitragvon Max » 16.07.2006, 16:01

Liebe Leonie,

nach Deinem Kommentar lese ich das Gedicht anders.

Für mich waren die verletzten Konturen in Strophe 1 nicht unebdingt die des Engels. In Strrophe 3 war das erinnern für mich nicht das Erinnern des Engels durch das lyr. Ich sondern das Erinnern des Engels AN etwas (ähnlich scheint es anderen auch gegangen zu sein), von dem ich nicht wusste, was es ist.

Ob Du an dem Gedicht etwas ändern möchtest, ist für mich vor allem eine Frage dessen, ob Du diese Interpretation für wünschenswert/zulässig hälsz oder nicht?! :rolleyes:

Liebe Grüße
max

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Beitragvon leonie » 16.07.2006, 16:33

Hallo lichelzauch, hallo Max,
ich finde, genau so soll es sein, dass der Leser seine eigenen Erfahrungen und Geschichten hineinlesen darf/soll. Mein Lehrer zititerte immer einen klugen Menschen, von dem ich den Namen nicht mehr weiß: „Mein Gedicht sagt Dir, was es weiß. Es fragt dich, was du weißt.“ Ich mag solch eine Interpretationsoffenheit sehr, auch wenn sie manchmal zunächst verwirrend ist.
Wie seht Ihr das denn?
Liebe Grüße
leonie

Max

Beitragvon Max » 16.07.2006, 16:58

Liebe Leonie,

auch ich empfinde eine Offenheit für Interpretationsmöglichkeiten geradezu als Kennzeichen eines literarischen Textes - allerdings möchte ich ja in eigene Texte trotzdem nicht alles hieningelegt wissen, das heißt: Offenheit ja, aber keine Beliebigkeit. Daher musst Du vermutlich wählen, wie weit Du die Interpretation zulassen möchtest (der Text hätte ja auch dann eine gehörige Breite, wenn Du Deine Sichte expliziter machtest).

Liebe Sonntagsgrüße
Max

lichelzauch

Beitragvon lichelzauch » 16.07.2006, 17:03

Wie mir eine weise Frau vor wenigen Stunden prophezeite, muss ich mir darüber auch noch Gedanken machen. Als Autor hat man natürlich den Drang, genau seine Empfindungen zu transportieren - aber ohne Spielraum stirbt ein Gedicht, das ist auch klar. Mein Problem ist eher, dass ich nie einschätzen kann, wie explizit ein Text sein muss, damit er nicht total unverständlich ist.

Das war jetzt nicht sehr hilfreich... :rolleyes:

Trotzdem liebe Grüße,
lichelzauch

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Beitragvon leonie » 16.07.2006, 17:14

Hallo, Ihr zwei,

ich finde diese Überlegungen sehr hilfreich, und Deinen letzten Satz, lichelzauch, kann ich unterstreichen, das geht mir genauso!

Bei diesem Text gingen mir die Interpretationen nicht zu weit, im Gegenteil, ich fand sie schön und interessant. Ich lasse ihn erstmal so, denke ich

Öiebe Grüße
leonie

Max

Beitragvon Max » 16.07.2006, 17:26

Liebe Leonie,

das kann ich verstehen.

Liebe Grüße
max

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 17.07.2006, 22:40

Liebe Leonie,

mir gefällt der doppeldeutige Schluss auch sehr gut. Fehlt es dem Engel an Sanftmut? Handelt es sich um einen (B)engel? Oder: Gibt es nicht vielleicht sogar Erinnerungen, die mit Zorn, Wut und Trauer einhergehen?

Schönes Gedicht...

Grüßt

Paul Ost


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