"Mensch"

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Ophelia20

Beitragvon Ophelia20 » 06.07.2006, 21:23

„Mensch“

Schauen auf das Ich des Verderbens
Halten nicht die Blume
Sehen nur den Schein
Ein Gesicht

Lassen ihn nicht
Lassen das Lächeln nicht erhellen
Ein Treiben,
Dass nicht vergeht

Stehen auf ohne zu zählen
Ohne ein Ton

Ein Tropfen der Bewegung
Sonnenuntergang seiner Tränen

Ein Blick in die Wüste
Stich der brennt
Lasst ihn sehen

Ein Blick der leeren Wüste

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 08.07.2006, 09:47

Liebe Ophelia!

Mehrmals habe ich versucht deine Zeilen zu ergründen, aber ich komme mir vor wie bei einem Rätsel, dessen Frage ich nicht verstehe.
Bitte um Hilfe
moshe.c

Gast

Beitragvon Gast » 08.07.2006, 10:08

Hallo Ophelia,
mir ergeht es wie moshe.
Ich finde die Fragen nicht, die du scheinbar zu stellen beabsichtigst,
bzw, nicht das heraus, was du in Frage stellst.

Die Aneinanderreihung von plakativen Worten ist zu wenig... und zu allgemein...
ergibt so für mich keinen Sinn.

Was möchtest du in Frage stellen? :???:

Liebe Grüße
Gerda

lichelzauch

Beitragvon lichelzauch » 08.07.2006, 11:07

Hallo Ophelia und liebes Forum. Erster Post und hoffentlich etwas kluges.

Ich stand zunächst auch vor einem Rätsel ob dieses Gedichts (das ich übrigens nicht als plakativ empfinde), aber dreierlei haben mich dann an einen Text erinnert, den ich vor längerer Zeit gelesen habe. Erstens geht es ja um "den Menschen", zweitens beginnt das Gedicht mit einem Hinweis auf das "Ich des Verderbens" und schließlich wird zweimal auf das Bild der Wüste angespielt. Wie gesagt, Assoziation, und zwar mit einem Text von Heidegger (Was heißt Denken?). Habe mal ein Zitat aufgeschrieben, in dem er über die "Wüste" philosophiert.

"Man findet, die Welt sei nicht nur aus den Fugen, sondern sie rolle weg ins Nichts des Sinnlosen. Nietzsche sagt, alldem weit vorausblickend aus höchstem Standort, bereits in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts dafür das einfache weil gedachte Wort: "Die Wüste wächst". Das will sagen: die Verwüstung breitet sich aus. Verwüstung ist mehr als Zerstörung. Verwüstung ist unheimlicher als Vernichtung. Die Zerstörung beseitigt nur das bisher Gewachsene und Gebaute; die Verwüstung aber unterbindet künftiges Wachstum und verwehrt jedes Bauen. Die Verwüstung ist unheimlicher als die bloße Vernichtung. Auch diese beseitigt und zwar auch noch das Nichts, während die Verwüstung das Unterbindende und Verwehrende gerade bestellt und ausbreitet. Die Sahara in Afrika ist nur eine Art der Wüste. Die Verwüstung der Erde kann mit der Erzielung eines höchsten Lebensstandards des Menschen ebenso zusammengehen wie mit der Organisation eines gleichförmigen Glückszustandes aller Menschen. Die Verwüstung kann mit beiden das Selbe sein und auf die unheimlichste Weise überall umgehen, nämlich dadurch, dass sie sich verbirgt. Die Verwüstung ist kein bloßes Versanden. Die Verwüstung ist die auf hohen Touren laufende Vertreibung der Mnemosyne. [...] "Die Wüste wächst" sagte Nietzsche vor fast 70 (jetzt 120) Jahren. Er fügt hinzu: "weh dem, der Wüsten birgt"."

Ob mir durch dieses Assoziation jetzt der Zugang zum Text gänzlich versperrt ist, kann ich nicht sagen, ich wollte es auf jeden Fall mal als Deutungsansatz hier einstellen. Der (moderne) Mensch findet sich in einer voranschreitenden Verwüstung wieder (Nihilismus).

Oder liege ich ganz falsch?

Gruß,
l

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 08.07.2006, 11:48

Willkommen, willkomen, lichelzauch!

bei deinem Nick warten bestimmt andere auch auf einen Hinweis.

Wie wäre es mit einem Pflänzchen im Wintergarten, bezüglich deiner Frage?

moshe.c

Louisa

Beitragvon Louisa » 08.07.2006, 15:29

Hallo lichelzauch (woher kommt denn dieser schöne Name?),

Meine erste Frage: Was bedeutet Mnemosyne?

-Sonst habe ich mich sehr über dieses Zitat gefreut und frage mich, ob ich auch Wüsten berge...

-Bestimmt. Verwüstet die Wüste in der Natur auch? In dieser Wüste entsteht doch aber auch Leben oder nicht? Ich denke an diese Sandwipern...

Liebe Grüße, (auch ein:) l

lichelzauch

Beitragvon lichelzauch » 08.07.2006, 16:10

Vielen Dank für die lieben Willkommensgrüße.

Louisa: Denk mal an Amnesie, mnemosyne ist altgriechisch für Gedächtnis. Allerdings ist für Heidegger dieser Begriff damit nicht erschöpft; in einer recht gewagten Deutung (u.a. unter Zuhilfenahme seines Lieblingsdichters Hölderlin) bestimmt er die Mnemosyne nicht nur bloß als Erinnerung, sondern als Denken, das an das Gedachte denkt, eben Gedächtnis. Dabei ist das Gedachte in engem Verhältnis zur Kunst zur verstehen (die M. ist die Mutter der Musen). Dieses Denken wird durch die Verwüstung vertrieben. Heideggers "Denken"-Begriff ist dabei sehr speziell und er sieht darin ein Sujet höchster Wichtigkeit, getreu seinem Motto: "Das Bedenklichste in unserer bedenklichen Zeit ist, dass wir noch nicht denken".
Ich bitte um Entschuldigung für die Besetzung des Themas durch den nicht gerade klaren Heidegger (insbesondere, da wir ja noch nicht wissen, ob er überhaupt etwas damit zu tun hat); "Was heißt Denken?" kann ich aber nur empfehlen.

Wie wäre es mit einem Pflänzchen im Wintergarten, bezüglich deiner Frage?
Wenn sich das auf den Namen bezieht, siehe unten; ansonsten bin ich sehr verwirrt. Schön.

Man verzeiht mir hoffentlich auch, dass ich den Ursprung meines Namens noch geheim halte (aber danke für das Kompliment); seine Quelle preiszugeben, hieße diese stillzulegen. ;-)

Zurück zum Gedicht: bin mir immer noch nicht sicher, ob es überhaupt in diese Richtung geht, auch wenn ich mittlerweile die meisten Zeilen so deuten kann. Nur die beiden Zweizeiler in der Mitte... da ist es noch unklar. Mit einer Wertung halte ich mich deshalb immer noch zurück, aber es regt jedenfalls schon mal zum Nachdenken an.

Gruß,
l

Gast

Beitragvon Gast » 08.07.2006, 16:23

Hallo und Bild lichelzauch, vielen Dank, dass du hier versuchst mit dem Hinweis auf Heidegger, etwas Licht in das Bilderdunkel zu zaubern.


Ernsthaft: Wie soll ich darauf kommen, wenn ich Heidegger nie gelesen habe?
Sollte denn ein Gedicht sich nicht auch erschliessen ohne ein Philosophiestudium absolviert haben zu müssen?

Insofern bin ich immer sehr skeptisch, wenn ein Gedicht etwas sehr spezielles, an erlerntem theoretsichem Wissen voraussetzt.

Ich bin sehr gespannt, was Ophelia dazu schreibt. Liebe Grüße an alle hier.
Gerda
Bild

lichelzauch

Beitragvon lichelzauch » 08.07.2006, 16:34

Vielen Dank für das "Welcome"; ich glaube, ich habe hier eine richtig schöne Sommerentdeckung mit diesem Salon gemacht. Sehr angenehme Atmosphäre und tolle Texte.

Auch ich bin sehr gespannt, was Ophelia sagt, und fürchte weiterhin, auf dem Holzweg zu sein.

Aber: Heidegger zu lesen ist wohl kaum nötig, um das Gedicht zu verstehen (wenn doch, wäre es in der Tat ein schlechtes Gedicht). Ich habe das Zitat nur angebracht, weil ich "Wüste" eben seit meiner damaligen Lektüre immer mit dieser Textpassage assoziiere. Aber auch so steht die Wüste ja für Leere und Nicht-Wachsen, Leblosigkeit, insofern ist da kein konkreter Textbezug notwendig oder vorausgesetzt (und ich halte es für ausgeschlossen, dass sich Ophelia auf diesen Text bezieht). Findest du nicht, dass man das Gedicht so lesen kann, dass der Mensch in der heutigen Zeit am "richtigen" Sehen gehindert wird, dass er in Wüsten blickt (und selbst eine wird?).

Gruß,
l

Ophelia20

Beitragvon Ophelia20 » 08.07.2006, 18:22

Hallo Ihr,

erstmal danke für die Rückmedung!

Lichelzauch: Der Name Heidegger ist mir kein Begriff. :-s
An Alle: Ich wollte nichts in Frage stellen, sondern eher etwas verdeutlichen. Lichelzauch hat das schon ganz gut erkannt
Findest du nicht, dass man das Gedicht so lesen kann, dass der Mensch in der heutigen Zeit am "richtigen" Sehen gehindert wird, dass er in Wüsten blickt (und selbst eine wird?).
Das ist schon ganz richtig
Es sollte eher eine Feststellung sein, dass der Mensch sehr beeinflussbar ist und das der Mensch sehr häufig voller Vorurteile ist und meist nicht fähig ist ins tiefe (innere) einzudringen.
Dies wollte ich am Beispiel des
Schauen auf das Ich des Verderbens
Halten nicht die Blume

verdeutlichen.

Aber was war euer erster Eindruck, auch wenn ihr vor einem Rätsel steht?
Wahrscheinlich hat das Gedicht einen Korrektur bedarf :coffee:

Kurz zur Entstehung des Gedichtes, es ist ziemlich schnell entstanden, genau an dem Tag als ich es gepostet hatte, ich musste diese Worte aufschreiben, weil ich an diesem Tag etwas erlebt habe, dass mich dazu geführt hat, den Menschen als beeinflussbar, voller Vorurteile usw. zu sehen. :!:

Gerda: wie su siehst ist das Gedicht nicht etwas erlerntes oder spezielles , davon halte ich auch nichts.

Gast

Beitragvon Gast » 08.07.2006, 18:30

Hallo Ophelia, vielen Dank für die Rückmeldung.
Ja, so wie lichelzauch schon zum Text geschrieben hat, so könnte ich mich inhaltlich mit ihm anfreunden :smile:
Ich bin sehr beruhigt, dass mir meine Bildungslücken, nicht im Weg standen... (Das meine ich ohne jede Ironie, denn ich habe kein akademisches Wissen, auf das ich zurückgreifen kann).

Unter diesem Aspekt, dass Menschen sehr gut zu beeinflussen, ja zu manipulieren sind, werde ich es erneut lesen und zur Form später etwas schreiben.

Dank auch an lichelzauch.

Liebe Grüße
Gerda

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 08.07.2006, 18:43

Ich meinte besonders den Inhalt deiner Anmerkungen in der Philosophen-Ecke.

Die Nachfrage ist da.

moshe.c

lichelzauch

Beitragvon lichelzauch » 08.07.2006, 18:44

Lichelzauch: Der Name Heidegger ist mir kein Begriff. :-s
:mrgreen: Ist glaub ich auch besser so... ansonsten Wikipedia bemühen.

Bin froh, dass ich nicht ganz daneben lag. Jetzt kann ich auch ein bisschen werten... Besonders gelungen finde ich die anonyme dritte Person Plural. Eine sehr passende Idee, gerade im Kontrast zum "Ihn".
Was vielleicht zur Rätselhaftigkeit beigetragen hat, sind die abrupten Bildwechsel (?) Gerade in der ersten Strophe vielleicht bei einer Idee bleiben.
"Sonnenuntergang seiner Tränen" ist für mich persönlich hingegen sehr schön. Ansonsten verwirren mich aber gerade die beiden Zweizeiler (könnte aber auch an mir liegen).
Die "Wüste" macht sich auch ohne Heidegger sehr gut, und hat mich ja auch auf die Deutung gebracht.
Vielleicht... einen anderen Titel?

So. Ich fand dieses Gedicht alles in allem sehr ansprechend; besonders inhaltlich, und in diese Richtung werde ich es auch noch ein paar Mal durchlesen (nach Wahrheit sieben).

Danke Ophelia.

Gruß,
l

Edit:
Ich meinte besonders den Inhalt deiner Anmerkungen in der Philosophen-Ecke.

Die Nachfrage ist da.

moshe.c


*Vor den Kopf schlag* Wintergarten! Aaacchhh sooo! Sorry, bin neu hier. :mrgreen: Aber, ja, mal sehen.
Zuletzt geändert von lichelzauch am 08.07.2006, 18:48, insgesamt 1-mal geändert.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 08.07.2006, 18:46

Ophelia, könnte es sein, daß der persönliche Bezug hier noch zu stark ist, und somit für andere nicht nachvollzeihbar?

moshe.c


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