Zwei Kirschen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Louisa

Beitragvon Louisa » 02.07.2006, 22:28


Wir hingen an unseren Tagen
am selben blassgrünen Strang.
Wir hörten die Hoffnung zwischen uns
im Verzweigten rascheln und rauschen
und wenn ein lauer Herbstwind kam
und meine dünne Haut an Deine glitt
bebte die Berührung nächtelang in mir nach.

Wir hingen an unserem Augenblick
umgeben von verblühendem Land.
Selbst die hungrigen Elstern und Krähen
fanden uns nicht im Dickicht der Stunden.

Doch einmal kam ein kalter Orkan
und die Blätter fingen zu flattern
mit unserer Hoffnung zu fallen an
und der Sturm, es war nur ein Wind -

Der zerschnitt unseren blassgrünen Strang…

Die Äste sind kahl die Lüfte sind kühl
jeder Tag schmeckt gealtert und schal.



Diesen Schlusssatz habe ich gestrichen:

Aber wenn ich schläfrig falle ins Nichts
hängen wir wieder zusammen am Strang.
Zuletzt geändert von Louisa am 09.07.2006, 22:54, insgesamt 4-mal geändert.

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leonie
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Beitragvon leonie » 02.07.2006, 23:11

Liebe Louisa,
das ist wieder ein schönes Gedicht von Dir passend zur Kirschenzeit ich. Nur „im Verzweigten“ finde ich nicht so schön, „in den Zweigen“ lässt in mir mehr Bilder entstehen. Und irgendwie finde ich den der Schlusssatz zu uninteressant, vielleicht könntest Du ein Bild nehmen, dass noch stärker auf die Gefühlsebene geht.
Soviel in aller Kürze
Liebe Grüße und gute Nacht
leonie

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 03.07.2006, 02:22

Vielleicht solltest du diese Form erstmal zu Seite legen und wieder etwas spontaner werden.
Ich habe Probleme im allgemeinen den Fluß deiner vorherigen Gedichte wiederzufinden und bei Strophe 7 und 8 besonders.

Fragen einer Zitrone, die auch eine zweite kennt

moshe,c

P.S: Sache mit dem Kompott ziehe ich echt in Erwägung, hin und her.

Louisa

Beitragvon Louisa » 03.07.2006, 15:20

Hallo leonie und moshe!

Vielen Dank! Ihr habt sicher recht. Dieses und das Tür-Gedicht waren auch ein paar kleine, persönliche Experimente...

Ich werde versuchen es zu retten!

Liebe Grüße, eine einsame Kirsche O:)

Max

Beitragvon Max » 03.07.2006, 20:00

Liebe Louisa,

das gedicht macht mich ein weni zwiespältig. Auf der einen Seite trifft mich das in dem Gedicht enthaltene Gefühl. Auf der anderen Seite könnte ich es mir komprimierter vorstellen. Ich denke der letztere Eindruck kommt daher, dass ein Gedicht für mich idelaerweise den besonderen Augenblick fängt, während deines erzählt. (Hm, man sieht, ich argumentiere mal wieder über meinen Geschmack, statt über den Verstand ;-) )

In der Sumem berührt es mich, aber ich denke, man kann daran noch arbeiten.

Liebe Grüße
max

claire.delalune

Beitragvon claire.delalune » 04.07.2006, 09:27

hallo louisa,

ich hoffe, du hast dies gedicht noch nicht ganz weggelegt. es gefällt mir in seiner ganz eigenen erzählweise.
sicher, man kann argumentieren, daß gedichte "verdichtet", also komprimiert sein müssen. aber ich bin in letzter zeit auch wieder davon abgekommen, alles immer noch mehr zu verkürzen. auch ein gedicht darf erzählen, meine ich, und dabei auch aus dem vollen der worte schöpfen.
mir gefällt, daß du das hier (zumindest in der ersten strophe) tust.

woran ich etwas arbeiten würde wäre die form.
ich würde die vielen leerzeilen wegnehmen - das erzählerische durch längere strophen unterstützen, anstatt es immer wieder zu unterbrechen.

hier z.b.
Wir hingen an unseren Tagen
am selben blassgrünen Strang.
Wir hörten die Hoffnung zwischen uns
im Verzweigten rascheln und rauschen.
Und wenn ein lauer Herbstwind kam
und meine dünne Haut an Deine glitt,
bebte die Berührung nächtelang in mir nach.


diese strophe ist mir persönlich die stärkste in deinem text. sehr schön finde ich "im verzweigten" - das ist so viel mehr als "die zweige" und würde ich unbedingt belassen. überhaupt erzählst du hier ganz wunderbar. an dieser strophe würde ich gar nichts geändert haben wollen, sie hat rhythmus und melodie und einen schönen, gefühlstiefen inhalt.

Wir hingen an unserem Augenblick
umgeben von verblühendem Land.
Selbst die hungrigen Raaben und Krähen
fanden uns nicht im Dickicht der Stunden.


auch das ist noch schön, geht ein wenig schwächer, aber dennoch ähnlich weiter wie du in der ersten strophe begonnen hast. (ich habe es formal auch wieder zusammengerückt.)

doch dann ist ein bruch - für mich.

Doch einmal kam ein kalter Orkan
und die Blätter fingen zu flattern,
mit unserer Hoffnung zu fallen an
und der Sturm, es war nur ein Wind -
Der zerschnitt unseren blassgrünen Strang…


zum einen viele worte ohne wirklich viel zu sagen (verzeih!), dazu ein "kalter orkan", "der sturm" wird aber eigentlich "nur ein wind" war - das paßt irgendwie nicht.

ich denke, einen bruch willst du beschreiben - hinaus aus der beschaulichen nähe, auseinander gerissen zu werden - das ist ein bruch im leben.
aber die bilder, die worte sind mir zu schwach für das starke ereignis.

hier ist die stelle, die für mich noch arbeit vertragen kann, ja, bearbeitung braucht.

das ende
Ich schaue hinab, aber finde Dich nicht am Grund
ich schaue hinauf, aber sehe nur die Erinnerung –
Die Äste sind kahl, die Lüfte sind kühl
jeder Tag schmeckt gealtert und schal
ohne Dich.


wird wieder stärker, es fehlt aber die sprachmelodie, die ich am anfang fand. das mag nun wieder zur trostlosen situation passen, die beschrieben wird. immerhin ist es nicht mehr leicht und fließend, das leben, sondern abrupt beendet, einsam. insofern hat auch der veränderte rhythmus seine berechtigung.

ich würde auch hier die leerzeilen weglassen, auch die letzte, weil sonst das "ohne dich" noch mehr/zuviel gewicht bekommt. es wirkt schon stark genug dadurch, daß es allein in einer zeile steht und weil alles im letzten teil soweiso darauf hinaus läuft.

ein klitzekleines bißchen störe ich mich noch an dem reim "kahl - schal" und auch "kahl - kühl /lüfte - kühl" ragt sprachlich/klanglich aus dem rest des gedichtes heraus. die worte an sich passen zwar alle. doch finde ich sonst an keiner stelle derartige reimfiguren, so daß ich beim lesen daran hängen bleibe.

edit: ich muß mich korrigieren - du hast des öfteren alliterationen verwendet
"rascheln und rauschen" "zu flattern - zu fallen".
allerdings wirken diese anderen stellen auf mich nicht so stark. vielleicht weil nicht so viel auf einmal dort ist?



vielleicht kannst du mit meinen eindrücken etwas anfangen.
auf jeden fall würde ich den text nicht völlig verwerfen. dazu ist der anfang zu gut und steckt auch im rest genug potential, noch mehr daraus zu machen.

an einigen stellen habe ich übrigens noch satzzeichen (hauptsächlich kommata) eingefügt, da du sie teilweise, aber nicht durchgängig verwendet hast.

lieben gruß,
kathrin

Louisa

Beitragvon Louisa » 05.07.2006, 12:03

Hallo Max und Kathrin!

Vielen Dank für eure hilfreichen Rückmeldungen (Erwin dankt: §blumen§ )...

Max, Du hast recht...aber ich bin in dieser Frage ein bisschen zwiegespalten. Ein Gedicht sollte sicherlich dicht sein, aber es gibt ja auch längere, dichte Gedichte. Ich gebe aber zu, dass sich dieses vielleicht noch begrenzen und verbessern lässt O:) ...

Kathrin, ich habe Deine Vorschläge sehr einleuchtend gefunden (siehe oben...) und versuche an diesem "Orkan", der mir auch noch ein wenig zu banal und schwächlich erscheint zu arbeiten!

Eigentlich hatte ich es wirklich schon zur Seite legen wollen, aber wenn ihr meint, kann ich vielleicht noch eine schmackhafte Kirsch-Konfitüre daraus fabrizieren...

Ich melde mich gegen Abend zurück!

Liebe Kirschgrüße vom Ast, louisa


An den einen wunderbaren eine streng-geheime Nachricht: Guten Tag mein s. D.! Ich hoffe sehr, dass es Dir wieder besser geht! Wenn nicht, musst Du nur etwas Geduld haben...obwohl das keine leichte Sache ist, denke ich...aber Du wirst das alles bestimmt schaffen! Wenn Du immer weiter auf bessere Tage hoffst, müssen sie einfach kommen. Man muss sie nur rufen. Gestern war kein schöner Tag...mm...meinst Du die Menschen im Koma verstehen, was man ihnen erzählt? Ich hoffe sie können sich nicht daran erinnern wenn sie aufwachen...Als ich nicht mehr wusste, was ich sagen sollte habe ich nämlich stundenlang von Dir berichtet :-) ...Aber es wird alles wieder besser werden! Siehst Du auch den perfekten, blauen Sommerhimmel? Ist er nicht schön? Leider keine kleinen Wolken....aber das ist ein schöner Sommer! Endlich ist diese Fußballeuphorie vorbei! Ich wünsche Dir einen wunderbaren Tag voller schöner Sommer (nachts-) träume! Vergiss nicht Dich zu sonnen :-)! Ich denke (überraschender Weise) an Dich...komisch, komisch. Bis die Tage, schönster, schlauster D.!

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 06.07.2006, 11:10

Liebe Louisa,

mich fängst du mit diesem Bild...ich finde es wundervoll poetisch und berührend. Auch der Klang und Rhythmus nimmt mich ein.

Ich habe noch klitzekleine Nachfragen:

Doch einmal kam ein kalter Orkan
und die Blätter fingen zu flattern
mit unserer Hoffnung zu fallen an
und der Sturm, es war nur ein Wind -
Ich würde hier nichts ändern! Denn genau so ist es...es ist kein orkan, nicht mal ein sturm, sondern nur ein wind (es wird eine immer geringere Kraft wahgenommen nach dem ersten schrekc, Bezug auf einen), die den Sturz verursacht...diese Einsicht finde ich wundervoll umschrieben. Für mich: So lassen!!


Mit dem Schluss habe ich noch Probleme...es sind doch zwei Kirschen und nur eine fällt, die andere bleibt (noch) oben. Die Beschreibung die aus dieser Situation erfolgt finde ich komisch:

Ich schaue hinab, aber finde Dich nicht am Grund
ich schaue hinauf, aber sehe nur die Erinnerung –


Kirschen können - um mein problem mal platt zu formulieren - doch nicht gucken...

Nach langem Überlegen würde ich die beiden Zeilen einfach streichen (der Inhalt ist ja trotzdem im gedicht und für den Schluss die gestrichenen letzten zeilen verwenden, die ich nicht missen wollte:


Die Äste sind kahl die Lüfte sind kühl
jeder Tag schmeckt gealtert und schal
(ohne Dich.) <--- eventuell streichen

Aber wenn ich schläfrig falle ins Nichts
hängen wir wieder zusammen am Strang.



Liebe Kirschgrüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Max

Beitragvon Max » 06.07.2006, 13:58

Liebe Louisa,

Du schreibst

Ein Gedicht sollte sicherlich dicht sein, aber es gibt ja auch längere, dichte Gedichte.


Da hast Du sicher recht; ich habe ja auch nicht die Länge kritisch kommentiert, sondern doch eher die Dichte. Ich gebe allerdings zu, dass ich zum einen tatsächlich selbst nicht nur kurz schreibe, sondern auch vorwiegend gerne kurz lese und dass zweitens meine Kitik arg vage ist. Das liegt u.a. daran, dass ich mich nicht so recht traue, wirklich in Gedichte anderer Autoren hineinzuschreiben ...

Liebe Grüße
max

Louisa

Beitragvon Louisa » 06.07.2006, 17:56

Hallo Max!


Das ist kein Problem! Ich freue mich, wenn Du "hereinschreibst" (wie der Schnee sich weiß auf die Dächer schreibt O:) )...

Ich bemühe mich es noch dichter zu gestalten! (Bei diesen Temperaturen...)

Verdichtete Grüße, louisa

Bloodbrother

Beitragvon Bloodbrother » 07.07.2006, 13:16

Hallo Louisa, auch bei diesem Gedicht kann ich nur sagen, dass es mir gefällt. Sehr poetisch.
Gruss

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 09.07.2006, 12:33

Hallo Louisa,
hast du meine Zeilen gelesen? :grin:
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 09.07.2006, 16:59

Hallo Louisa.

Leider konnte ich mich nicht wirklich auf den lyrischen Inhalt konzentrieren, weil direkt in der ersten Strophe schon einige 'Ungereimtheiten' stecken:

Ich stutzte bei 'Kirschen' und 'lauer Herbstwind'. Ähm, Kirschen sind reif im Mai (süß) oder Juni (sauer). Den Herbstwind werden sie kaum am Baum mitbekommen, bestenfalls als Marmelade im Glas. Oder habe ich da zeitlich was nicht richtig kapiert?

Des weiteren können Raben (übrigens mit nur einem 'a' geschrieben) kaum Kirschen vom Baum fressen, weil die Äste sehr dünn sind und diese sie nicht tragen. Auch Krähen (das sind keine anderen Vögel, sondern nur kleinere Raben) oder Elstern (auch Rabenvögel) nicht. Das sind allesamt keine Baumakrobaten. Sie fressen nur manchmal heruntergefallene Kirschen. Hauptfeinde der Deutschen Kirsche sind Amseln und Stare. Allenfalls noch diese bescheuerten, fetten Gluh-Gluh-Tauben versuchen sich mal daran, brechen sich aber dabei voll einen ab. Ungeschickt lässt grüßen.

Ich beobachte das nun seit Jahren täglich von meinem Büro aus, weil direkt vor meinen Fenstern im Hof zwei riesige, alte Kirschbäume stehen (einer süß, einer sauer), und alle obengenannten Vögel hier rumflattern. Oder gibt es in anderen Regionen anderes Verhalten von Flora und Fauna?

Jedenfalls geht mir bei solchen Unstimmigkeiten im Text leider etwas die Poesie unter.

Trotzdem liebe Grüße vom Tom Bild

Louisa

Beitragvon Louisa » 09.07.2006, 22:48

Hallo Lisa (pardon, pardon, pardon...) und Tom!

Ich habe Dein Kommentar wirklich nicht gesehen! Aber gleich werde ich versuchen das Werk zu verbessern!

Ich danke Dir sehr für Deine Hilfe!

Gute-Nacht-Kirschen! louisa


An den Einen: Hallo m.s.D.! Heute war wieder ein besserer Tag! Ich hoffe so sehr, dass es Dir (auch) besser geht! Und wenn nicht, darfst Du nicht die Hoffnung und den Mut verlieren, auch wenn es schwer fällt. Es benötigt eine ganze Weile, denke ich. Aber ich träume immer von Dir, in jeder Stunde...und wünsche mir nichts mehr, als dass es Dir gut geht! Sag mal, ich spinne wahrscheinlich....aber Du bist vorgestern bestimt nicht auf einer Kreuzung in meiner Nähe gewesen, oder? -Ich glaube langsam werde ich verrückt. Naja...das ist trotzdem eine schöne Vorstellung...Ich wünsche Dir die schönste Nacht auf der Welt! Ich vermisse Dich (sehr). Bis irgendwann! Mein s. D. !


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