Nur ein Traum/Sternenkinder (2 Versionen)

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 01.07.2006, 16:04

Nur ein Traum (Version I)

Manchmal
besuche ich meine Kinder
die nie Geborenen.

Sehnsucht
weist mir den Weg.

Ich sehe sie
spielen und lachen.
Sie vermissen
mich nicht.

Sie wohnen
in einer Liebe,
die größer ist
als meine.

Nur ein Traum.
Ja, ich weiß.

Einer, der wahr
sein könnte.



Sternenkinder (Version II)

Manchmal
besuche ich meine Kinder
die nie Geborenen.

Die Sehnsucht
weist mir den Weg.

Ich sehe sie
spielen und lachen.
Sie vermissen
mich nicht.

Sie wohnen
in einer Liebe,
die größer ist
als meine.





Erstfassung:

Manchmal
besuche ich meine Kinder
die nie Geborenen.

Meine Sehnsucht
weist mir den Weg
zu ihnen.

Ich sehe sie
spielen und lachen.
Sie vermissen
mich nicht.

Sie wohnen
in einer Liebe,
die größer ist
als meine.

Nur ein Traum.
Ja, ich weiß.
Einer, der wahr
sein könnte.
Zuletzt geändert von leonie am 02.07.2006, 15:58, insgesamt 2-mal geändert.

Louisa

Beitragvon Louisa » 01.07.2006, 22:26

Hallo Leonie!

Das ist ein berührender text, obwohl ich noch nie solch eine Situation erlebt habe. Man traut sich gar nicht etwas daran verbessern zu wollen...es ist eigentlich perfekt, finde ich.

Besonders dieses hier:

Manchmal
besuche ich meine Kinder
die nie Geborenen.


hat mir sehr gefallen!

Aber (ganz kleines aber): Am Ende ist mir der Inhalt durch den Titel nichts Neues für den Leser...ich weiß nicht, ob es vielleicht noch besser wirken würde, wenn man die letzte Strophe streicht. Was meinst Du?

Alles Liebe, louisa

PS: Ich weiß nicht, wieso das "hat" doppelt unterstrichen wurde O:) ...

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 01.07.2006, 23:30

Liebe Louisa,

danke für Deine Rückmeldung. Ich habe ein paar Kürzungen vorgenommen. Aber auf die letzte Strophe kann ich im Moment noch nicht verzichten. Das hängt damit zusammen, dass sie das Ganze doppeldeutig macht und mir das wichtig ist. Vielleicht äußert sich noch jemand dazu.

Liebe Grüße
Leonie

Cara

Beitragvon Cara » 02.07.2006, 09:43

Guten Morgen Leonie,

auch mich rührt dieses Gedicht auf eine ganz eigenartige Weise an.
Ändern würde ich nichts mehr daran , es ist gut so, wie es da steht.

Höchstens in der letzten Strophe könntest du dieses "Ja, ich weiß" vielleicht weglassen, je nachdem, ob du auf das Dialogische (weil das "Ja ich weiß" klingt ja so, als führst du mit dir oder jemand anderem einen Dialog) Wert legst oder nicht. Es stellt eine gewissermaßen rechtfertigende Situation her.

Liebe Grüße
Cara

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 02.07.2006, 10:31

Liebe Cara,

ich freue mich, dass das Gedicht Dich berührt. Ich kenne eine Reihe Menschen, die (zum Teil ungewollt) kinderlos sind oder wie ich Fehlgeburten hatten. Manchmal denkt man an das, was unerfüllt geblieben ist. Es ist eine Möglichkeit, sich zu trösten, selbst, wenn man nicht weiß, ob solche Träume irgendeine Entsprechung in welcher Realität auch immer haben.

Liebe Grüße und danke

leonie

Birute

Beitragvon Birute » 02.07.2006, 10:42

Hallo liebe leonie,

das ist ein sehr anrührendes Gedicht.
Es trifft.
Für mich ist es bereits vor dem Traum fertig.
Ich bin überzeugt, dass die Sternenkinder in der Liebe Gottes wohnen.
Die Zeile mit der Sehnsucht könntest du auch getrost einsparen.
Da ist ganz viel Gefühl und Sehnsucht zwischen den Zeilen.
Der Leser spürt, und das ist es, was in meinen Augen ein gelungenes Gedicht ausmacht. Dieses hier ist auf jeden Fall eines. Der Titel allerdings, wird für mich diesem Text nicht gerecht.
Aaaaber, wie immer, nur meine kleine subjektive Meinung.

Lieben Gruß
Birute

Maija

Beitragvon Maija » 02.07.2006, 10:58

Hallo leonie,

Ich habe das Gedicht schon mehrmals gelesen und ich wage noch nichts darüber zu schreiben, da es mich sehr berührte. Ein heikles Thema wie ich finde und oft schon darüber diskutiert.

Gruß Maija

elli999

Beitragvon elli999 » 02.07.2006, 12:23

Hallo Leonie!

wow ein wirklich traurig berührender Text.

Am besten gefällt mir die Sehnsucht,
die den Weg zu den nie Geborenen weist.
So wunderschön formuliert!

§blumen§ §blumen§ §blumen§ §blumen§ §blumen§

Lieben Gruss die elli

Max

Beitragvon Max » 02.07.2006, 12:52

Liebe Leonie,

ich habe den Text schon gestern gelesen und wollte ihn erst einmal wirken lassen - nun, ein sehr starke Wirkung hat er gerade durch eine sehr einfach gehaltene Sprache schon beim ersten Lesen gehabt. Interessanterweise hatte ich aber auch Louisas Assoziation: vielleicht wirkt das Gedicht noch tiefer, wenn man die letzte Strophe streicht, auch. Ich denke, sie beinhaltet Gedanken, die sich der Leser, den Du Dir wünscht, schon während der anderen Strophen selbst macht, oder?

Liebe Grüße
max

scarlett

Beitragvon scarlett » 02.07.2006, 13:24

Liebe leonie,

ich finde den Text so, wie er jetzt da steht, perfekt und würde nichts mehr dran ändern (außer vielleicht doch die Großschreibung von geborenen, wenn das nicht Absicht ist).

Ein leiser Text, der auf Zehenspitzen daherkommt, wie ein Traum eben, mit einer klaren, unverschnörkelten Sprache - gut, sensibel, gelungen!

Gerne gelesen, leonie.

Schönen Sonntag,

scarlett

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 02.07.2006, 13:34

Liebe leonie,

über das Ende würde ich in Ruhe nachdenken - streichen und stehen lassen, beides ist in meinen Augen möglich. Es kommt ein wenig darauf an, ob du wirklich primär "reale" Kinder meinst oder ob du vielleicht auch Kinder meinst, die für Wünsche oder Hoffungen stehen, die nie heranwachsen können (so habe ich nämlich das Gedicht gelesen). Wenn du die zweite Wirkung abschwächen willst und die tatsächlichen Kinder stärken willst, würde ich die letzte Strophe streichen. Wenn im Vordergrund der Gedanke "nur ein Traum" (welcher Art auch immer) stehen soll, würde ich sie stehen lassen (obwohl sich über die Deutlichkeit, die Louisa und Max bedenken) nachdenken lässt.

Wieder ein starker text von dir, zu dem ich dir gerne einen ähnlichen zeigen würde, an dem ich gerade bin, aber der zweite Teil will noch nicht "erscheinen". Wenn er fertig ist, stelle ich ihn mal für dich ein :grin:
(Wenn du magst)
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 02.07.2006, 15:59

Liebe Birute, lieber Max, liebe Lisa (würde Deinen Text sehr, sehr gerne lesen!!!),

danke für Eure Anmerkungen. Ich denke, ich mache eine zweite Version ohne die letzte Strophe und nehme als Titel dafür „Sternenkinder“.
Dieses sollte auch noch ein Beitrag zum Thema „Himmel“ sein. Eine andere Position als in „Aus allen Wolken“. Deshalb will ich die erste Version nicht ganz verschwinden lassen.Beide haben, wie Du. Lisa sagtest, in hedem Fall einen unterschiedlichen Schwerpunkt...

Liebe Elli, liebe Scarlett,
danke, ich freue mich über Euer Lob! Scarlett, irgendwie muss das große „G“ für mich da stehen, auch, wenn es die orthographie anders vorsieht...

Liebe Maija,
ich freue mich, wenn Du noch etwas mehr schreiben magst.

Liebe Grüße

leonie

Maija

Beitragvon Maija » 03.07.2006, 20:36

Liebe leonie,

Mir gefällt das Gedicht so gut und es wurde ja schon viel darüber geschrieben.
Anfangs dachte ich auch an Schwangerschaftsabruch und das du mit erhobenen Zeigefinger darauf verweisen wolltest. Deshalb las ich dein Gedicht mehrmals und verstehe dich jetzt besser. :knuddel:

Ich kenne eine Reihe Menschen, die (zum Teil ungewollt) kinderlos sind oder wie ich Fehlgeburten hatten.


Ein schwerer Schlag, den man nicht so leicht wegstecken kann.

Gruß Maija

savage

Beitragvon savage » 04.07.2006, 07:18

Hallo loenie,
ein sehr anrühriger Text, den du hier geschrieben hast. Ich kann nicht einmal sagen, welche Version ich für die bessere halte. Die Kommentoren vor mir sind sich auch nicht einig.
Ich kenne das Problem aus meinem Freundeskreis. Das Paar ist fast 10 Jahre verheiratet und wird nie eigene Kinder haben können. Ihrer Liebe zueinander hat es nicht geschadet. Inszwischen sind sie glückliche Eltern. Nach einem langen, steinigen Weg, der viel Kraft gekostet hat, konnten sie vor zwei Jahren ihre Adoptivtochter Melanie in die Arme schließen.
Eine Alternative, die alle kinderlosen Paare in Betracht ziehen sollten, die sich Kindern wünschen, aber selbst nicht verwirklichen können. Die Heime sind voll.

savage


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 7 Gäste