Die zehn Gebote

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
moshe.c

Beitragvon moshe.c » 24.06.2006, 16:28

Nach der Hölle sehnte ich mich so sehr,
daß ich Teufel anbetete mit deinen Psalmen,
ich auf deinen Namen schwor, als ich betrog,
deine Feiertage schändete mit Lust und Suff.

So sehr sehnte ich mich nach der Hölle,
daß ich ins Gesicht meiner Eltern spie,
meine Kugeln ihre Schädel durchbohrten,
ich die Hochzeitsnacht mit einer anderen verbrachte,
stahl, was immer ich konnte,
kein einzig wahres Wort in meiner Rede mehr war,
Geld und Gut aller raubte, die ich kannte,
meinen Samen ergoß inden Schoß der Liebsten meiner Freunde.

Nun bin ich im Himmel gelandet
und man sagt mir, es sei
der Bildung wegen gewesen.

Mir ist
spei-übel.
Zuletzt geändert von moshe.c am 30.06.2006, 10:53, insgesamt 1-mal geändert.

Julek

Beitragvon Julek » 24.06.2006, 16:47

Haha :grin: hoffentlich íst es so, dann wäre ich unter Umständen gerettet.

Gruß

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 24.06.2006, 16:52

Ich versichere es dir aus dem heiligen Land.

moshe.c

Julek

Beitragvon Julek » 24.06.2006, 16:56

Dann muss es stimmen :smile:

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 30.06.2006, 10:31

Lieber moshe,

interessant! :grin: . An der Variation der zehn gebote haben sich ja schon viele versucht, ich finde es immer wieder spannend.

Eine Frage, die mir dabei einfiel:
Meinst du, es wurde schon einmal eine der Sünden begangen, nur weil sie als solche deklariert wurde?



Hier würde ich setzen:

meine Kugeln ihre Schädel durchbohrten,
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 30.06.2006, 10:52

Von diesem Herren ja.

Die Änderung übernehme ich, danke.

moshe.c

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 01.07.2006, 22:18

Lieber moshe,
das ist spannend, denn ich glaube, dass bestimmte kulturelle Erscheinungen (Krankheiten, Emotionen, etc.) nur entstehen, weil die Kultur sie entstehen lässt (natürlich ist es auch da wie mit der Henne und dem Ei,). Zum Beispiel Trotz ist für mich eine relativ kulturell hochgezüchtete Emotion, oder auch bestimmte psychische Reaktionen (Traumata etc.).
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 02.07.2006, 01:23

Lisa, Lisa,
wenn ich deine Fragen lese, so ist es nicht das erste Mal, daß am ich liebesten mit dir, Max und Orit 14 Tage an der Cote d'azur oder am Strand von Tel Aviv verbringen würde, um das zu diskutieren.

Zur ersten Frage: Das ist schon länger bewiesen, selbst in der Empirie. Und zwar so, daß 'Kultur' sie hervorruft, ja die Ursache ist!! Ich betone aber an dieser Stelle, daß es nicht eine Frage von Henne und Ei ist (Ich verstehe deine Aussage sehr wohl), sondern eine Frage von Henne und Hahn, die dazu führt.

Dadurch ergibt sich ein Zusammenhang zur zweiten Frage, auf die ich aber erst morgen kommen möchte, schlicht wegen der Uhrzeit.

moshe.c

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 02.07.2006, 01:45

Bevor ich in den Tiefschlaf versinke, noch eine Frage: Was verstehst du unter Trotz?

moishele

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Beitragvon Lisa » 02.07.2006, 09:12

Lieber moshe,

Trotz ist für mich ein reflektiertes Urgefühl (also ein grenzüberschreitendes paradox, was es eigentlich nicht geben dürfte). Es ist für mich ein reflektiertes Beharren auf etwas unreflektierten mit unreflektiertem Habitus (urg, ok, das klingt mistig, aber so meine ich es).

Bin gespannt!
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 02.07.2006, 20:19

Liebe Lisa, nun zum Trotz:

Trotz tritt an mich erstmal mit der 'Trotzphase' der Kinder an mich heran. Auch hier habe ich gelernt, daß sowohl die Bezeichnung, als auch der Umgang damit, sehr gesellschaftlich bedingt ist. (Das kannn ich dir auf Wunsch gern erläutern. Huch.) Es geht dabei um das Ich, und das Erkennen desselbigen und handeln im Zusammenhang von Familie bis zur Gesellschaft im Allgemeinen.

Wie du mir nun deine Beschreibung von Trotz lieferst, erkenne ich eine Verwendung des Begriffes, den ich für ausgesprochen gelungen halte.
Das, was du als reflektiertes Urgefühl, ja, als reflektiertes Beharren auf etwas Unreflektiertem mit unreflektiertem Habitus bezeichnest, ist für mich so zusammengefasst:
Das Ich konnte nicht zum reifen Ich werden.
Deshalb bleibt es in der Trotzphase!

Auf gesellschaftlicher Ebene befinden wir uns in einer Situation, in der es darum geht, ob das Ich in seiner reifen Form, zugelassen werden kann, oder ob es immer wieder zurückgeworfen wird und es dann dort verharren muß in, ja, Unmündigkeit.

Auf inividueller Ebene, habe nicht nur ich, sondern wir dauernd damit zu tun.

Trotz ist für mich nicht hochgezüchtet, sondern Ausdruck des, teilweise verzweifelten, Versuches Ich-Autarkie in Gemeinsamkeit zu finden.

Es geht also um Bildung, Heraus-Bildung des reifen Ich's aus kindlichem Bewußtsein. (damit zurück zum Gedicht.)

Für mich ist das so gewollt in der menschlichen Entwicklung, und gerade durch Auschwitz bewiesen.

Ich laße mich notfalls steinigen dafür!

moshe.c

P.S.: Alternative: Lieber 25 Fragen als Löcher im Bauch, als 5.

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Beitragvon Lisa » 03.07.2006, 13:02

Lieber moshe,
was du zum Trotz schreibst, kann ich voll nachvollziehen, ich denke, wir verstehen sehr sehr dicht, das gleiche darunter. Kindertrotz ist für mich dabei etwas anderes als der Trotz Erwachsener, den ich durch H.v. Kleist kennen gelernt habe. In seinen Werken bildet der Trotz eine Grenzüberschreitung, der bis dahin führt, dass Penthesilea Achill auffrisst. Bezüglich der Auswirkungen und der Entfaltung stimme ich dir also absolut zu!

Den Verweis auf Aufschwitz habe ich nicht genau verstanden (nicht den Verweis, sondern die Verbindung von Trotz und den Eriegnissen des nationalsozialismus. Kannst du das noch einmal ausführen?

PS: Jeder Mensch bekommt ja gleich zu Beginn der Geburt zumindest EIn Loch in den Bauch. Es beginnt also alles mit einer Frage :grin:
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 03.07.2006, 17:28

Da wir also eine Antwort schon im Bauch haben zur zweiten:

Auschwitz ist für mich in mehrfacher Hinsicht eine Antwort auf die Befindlichkeit der Menscheit:

1, Es gibt keinen Gott als eingreifenden Vater mehr, weder auf der Täter-, noch auf der Opferseite.

2. Die handelnden Menschen auf beiden Seiten ziehen sich auf eine Position zurück, um sich zu erklären, die nicht Ich-Autark ist. ( Ich habe nur die Befehle befolgt, wir habe gelitten). Keine Seite will Verantwortung für die Situation übernehmen.
Als zwei Beispiele möchte ich anführen:
1. 'Nur eine Polin' von Monique Lhoir in Schreib-Lust Print, Ausgabe 5, Jahrgang 2, vom Mai 06 ( Die erschütternsde Story über die Täterseite, die ich je gelesen habe)
2. Mein Gedicht hier 'Ausbruch aus Auschwitz', bei dem ich mir bis heute Frage stelle: Was wäre gewesen wenn die Opfer Ich-Autark gewesen wären und kollektiv gegen ihre Situation aufgestanden wären????
(Siehe auch den Film 'Rosenstrasse')

3. Nach der Katastrophe ziehen sich beide handelnden Seiten auf ihre nicht-autarken Position in Trotz zurück und die Täter-Opfer-Rolle wird verteilt, wie bei Kindern, denke ich manchmal. ( Stimmt natürlich nicht 100%, aber in der Grundtendenz (Upps, eigendlich möchte ich Politik hier ganz raushalten, aber weil es hier tatsächlich zum Thema passt: das heutige Israel ist der Versuch aus der fast 2000-jährigen Opferrolle rauszukommen. Nicht zum ersten Mal.))

Ich hoffe sehr deinen Fragen gerecht zu werden,

Moshe

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Beitragvon Lisa » 04.07.2006, 13:19

Lieber moshe,

ja, du wirst meiner Frage gerecht, die in diesem Fall ja auch leichter zu stellen war, als die Antwort zu geben. Ich danke dir sehr dafür!

Für mich ist es schwierig darauf zu antworten, ohne ein Leben lang darüber nachzudenken. Es ist solch ein komplexes Gebilde an Geschichte (die zudem ja fließend ist und nicht in Epochen oder Phasen abgeschlossen), Politik und Mensch zu beachten, dass es mir unmöglich ist, meine gedanken dazu in einem Thema hier im Forum dazu zu formulieren.

Auf jeden Fall ist die 1:1 Täter-Opfer-Einteilung (die ja auch größtenteils von Generationen später eingeteilt wurde) auf jeden Fall etwas, bei der man nicht stehen bleiben kann, wenn sie auch natürlich als erstes folgt. Zumindest, wenn man wirklich etwas an Zuständen ändern möchte.
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.


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