Die Brücke (geändert)

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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leonie
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Beitragvon leonie » 21.06.2006, 18:01

Aus Trauerzweigen hat er
ein Floß gebaut,
sorgsam den
zerbrechlichen Traum
verpackt,
ein Segel gesetzt
aus sanften Heckenrosen.

Leicht fließt sein Sehnen entlang,
berührt ihre Hand,
die sie kühl
aus dem Wasser zieht.
Sie wendet sich,
atmet die pochende Scheu
stromaufwärts.

Über ihnen
die Brücke
im Sonnenlicht.




Erstfassung

Aus Trauerweiden hat er
ein Floß gebaut,
sorgsam die auf sie
geworfenen Blicke verpackt,
ein Segel gesetzt
aus sanften
Heckenrosen.

Leicht fließt es entlang,
berührt ihre Hand,
die sie kühl
aus dem Wasser zieht.
Sie wendet sich,
atmet die pochende Scheu
stromaufwärts.
Zuletzt geändert von leonie am 29.06.2006, 23:24, insgesamt 6-mal geändert.

Louisa

Beitragvon Louisa » 21.06.2006, 18:18

HAllo leonie!

Das ist ja auch ein schöner, kleiner Sommernachtstraum! Es gefällt mir sehr gut, aber vielleicht:

sorgsam die auf sie
geworfenen Blicke verpackt,


sollte man hier schreiben:

sorgsam seine
geworfenen Blicke
gesammelt und verpackt


Oder so ähnlich (das war vielleicht auch nicht das wahre), aber mich stört ein bisschen dieses "die auf sie"... Man denkt sich ja eigentlich, dass diese Blicke auf sie geworfen wurden...

Aber sonst: Wunderschön! Ich kann mir richtig dieses feine Floss vorstellen aus den dünnen Weidenästen! Das hat bestimmt viel Zeit gekostet O:) .

Besser als ein Blumenstrauß!

Grüßlein, louisa

Louisa

Beitragvon Louisa » 21.06.2006, 18:19

PS: Weshalb heißt das eigentlich "Über die Brücke"? Fließt das Floss nicht unter derselben?

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leonie
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Beitragvon leonie » 21.06.2006, 23:14

Liebe Louisa,

wenn das mit den beiden was werden soll, muss einer über die Brücke gehen, denke ich (oder schwimmen). Vermutlich er, er scheint schon ein klein bisschen entschlossener zu sein als sie. Wird er es wagen?

Danke für Deinen Kommentar, ich denke drüber nach!

Gute Nacht!

leonie

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leonie
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Beitragvon leonie » 22.06.2006, 22:20

Liebe Louisa, liebe weiteren Leser und Leserinnen,
in meiner Erstfassung stand am Ende noch:
Er müsste nur
Über die Brücke gehen.
Aber mir wäre lieber, ich könnte diese Schlussfolgerung dem Leser überlassen. Nur: ist er so nett und zieht sie auch? Das war mir nach Deiner Frage nicht mehr klar. Sollte ich es reinnehmen. Oder ist es offensichtlich und muss nicht erwähnt werden?
Liebe Grüße
leonie

Louisa

Beitragvon Louisa » 25.06.2006, 22:12

Hallo leonie!

Mir war es vorher nicht offensichtlich. Aber jetzt verstehe ich den Titel sehr gut!

Ich finde es so noch viel besser!

Liebe Grüße, louisa

PS: Ach, das ist ein schönes Gedicht!

Gast

Beitragvon Gast » 26.06.2006, 08:03

Liebe leonie,
sehr poetisch, weich gezeichnete Bilder - mit kleinen Schönheitsfehlern...

Die Reihenfolge in Vers 1. solltest umstellen und und erst in den letzten zwei Zeilen den Traum auf die Reise schicken...
Das Verpacken fällt aus dem Rahmen der stimmigen Bildfolge...
Der Bezug im zweiten Vers ist nicht eindeutig... korrekt wird er zu Segel hergestellt, was aber von dir nicht gewollt ist...

Ich denke, dass du das leicht korrigieren kannst.

Liebe Grüße und einen guten Start in die Woche
Gerda

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Beitragvon leonie » 26.06.2006, 12:28

Danke, Louisa, ich freue mich über Dein Lob.
Gerda, ich kann diesmal Deinen Einwänden nur teilweise folgen. Ich denke, man setzt das Segel zuletzt, wenn alles verstaut ist.
Das „verpackt“ ändere ich in „verstaut“
Mit dem Bezug war ich auch nicht so glücklich. Ist es so besser? Was meist Du zur letzten Strophe? Stehen lassen oder rausnehmen? Bin mir immer noch nicht ganz sicher....

Liebe Grüße
leonie

Gast

Beitragvon Gast » 26.06.2006, 12:42

Hm, darüber muss ich auch nachdenken, liebe leonie.

LGG

Louisa

Beitragvon Louisa » 26.06.2006, 17:39

Hallo Leonie,
ich finde "verpackt" sagt dasselbe aus und klingt schöner, aber wie Du meinst...

Grüßlein, louisa

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Beitragvon leonie » 26.06.2006, 20:36

Liebe Louisa,
bei diesem Gedicht weiß ich mal wieder selbst nicht, was ich will. Ich glaube, ich nehme doch „verpackt“, weil es einen weiteren Bedeutungsspielraum ausmisst als „verstaut“. Ich kann mich mit dem Schluss noch nicht richtig anfreunden. Ob man es auch verstehen würde, wenn die Überschrift heißt „Über die Brücke gehen“ und ich die letzte Strophe wieder streiche?
Unentschlossene Grüße
leonie

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 29.06.2006, 16:48

Liebe leonie,
was auf mich noch "komisch" ist, dass er am Anfang aus einer "ganzen" Trauerweide das Floß baut. Lese ich das überhaupt richtig, es ist doch ein ganz kleines Floß, oder? Vielleicht würde ich daher mit Ästen oder dergleichen arbeiten, ich dachte nämlich zuerst an ein recht großes Floß :cool: . Vielleicht assoziiere ich aber auch nur seltsam.

Die Idee: Zwei Flussseiten - ein kleines Floß - eine Brücke, ist wieder einmal ein wunderbares Arragement um in aller Kürze fast alles über die Liebe zu sagen.
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

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leonie
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Beitragvon leonie » 29.06.2006, 20:22

Liebe Lisa,
vielen Dank! Es hieß zuerst: Aus dürren Zweigen. Ich dachte dann, der Leser denkt sich, dass es Zweige sind, was aber scheinbar nicht unbedingt der Fall ist. Was meinst Du zum Schlussvers: Weglassen oder stehen lassen? Ich bin immer noch unsicher.
Liebe Grüße
leonie

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Beitragvon Lisa » 29.06.2006, 21:01

Liebe leonie,
ich wäre für etwas zwischen weglassen und stehen lassen. Für mich ist die jetztige Perspektive zu auktorial zum Vorherigen, es ist (nicht doll, ich überzeichne das jetzt) ein wenig wie ein Erzähler, der plötzlich am Ende die Weisheit verkündet. Zudem hat es so den Anschein als müsse er den ersten schritt tun, wenn ich es aber richtig verstnden habe, könnte es ja auch sie sein, hauptsache einer von beiden.

Komplett weglassen würde ich die Aussage aber auch nicht...wie wäre es denn wenn man neutral die Brücke beschreibt?

Also beginnt mit...

Die Brücke

...(adjektiv, beschreiben)

dazwischen (oder dergleichen)?

dann bleibe man im Bild und gäbe dem leser dennoch eine Idee, warum die ersten beiden Zeilen so arrangiert sind...?
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.


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