Der ganze Park

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Louisa

Beitragvon Louisa » 14.06.2006, 15:38

Die neuste Fassung (mit freundlicher Unterstützung von moshe! §blumen§):


Die fleckigen und müden Greisenhände
warfen Bocciakugeln ins Wiesenbett.

Der nass frisierte junge Herrenkopf
sah nicht, dass der Tod im Luftgewand

Direkt vor seinen grün gefärbten Augen
und in der Flugbahn seines Speichels stand.

Mein höhnisches Lachen fiel von der Holzbank.

Die Sonne streute ständig braunen Zucker
auf schimmernde Sandwege und Sandalen.

Selten schlichen Kokoswolken über blaue Kräne
die sich weich und langsam drehten
heimlich in die fernen Morgen spähten.

Es war so leicht sehr schwer zu werden.

An Bordsteinkanten und an nackte Zehen
flog sanft der Schaum aus Blütenregen.

Beständig zupfte eine alte ruhelose Dame
die weißen Körnchen von der roten Jacke.

Der schmale Studentenmund spricht Frauen
eigentlich niemals grundlos an, aber heute...

Du hast das alles nicht gesehen.
Du hast nichts davon bemerkt.

Aber meine wortlosen Hände stahlen Dir
die schwere Schwüle und sie trugen das

Orangenlicht hinfort in meiner unfassbaren
Handtasche, um ihn einmal vor Dir auszuleeren,
diesen Sommer-Schwebetag -

Und ich nahm den ganzen Park !




"Alte" Fassung:

Die befleckten, müden Greisenhände
warfen Bocciakugeln ins Wiesenbett.

Der nass frisierte junge Herrenkopf
sah nicht, dass der Tod im Luftgewand

Direkt vor seinen grün gefärbten Augen
und in der Flugbahn seines Speichels stand.

(Aber ich auf der Holzbank lächelte höhnisch.)

Die Sonne verstreute braunen Zucker
auf schimmernde Sandwege
und staubige Sandalenschritte.

Selten schlichen Kokoswolken über blaue Kräne
die sich weich und langsam hinter ihnen drehten
um heimlich schon die fernen Morgen auszuspähen.

(Es fiel so leicht sehr schwer zu werden.)

An meinen nackten Zehen und an Bordsteinkanten
sammelte sich sanfter Schaum aus Blütenregen

Und beständig zupfte eine ruhelose Dame
die weißen Körnchen von der Jacke fort.

(Die hereinbrechende Studentenstimme
spricht Frauen eigentlich nie grundlos an, aber - )

Du hast nichts davon gesehen,
Du hast nichts davon bemerkt.

Aber ich nahm den ganzen Park!

Auch die warmen Orangenlichter
und die schwülen Sommerdüfte

In meiner unfassbaren Handtasche mit
um irgendwann das sommerliche Leben
vor Deinen traumreichen Augen auszuleeren.

(Heute nicken mir freundliche Gräser zu.)
Zuletzt geändert von Louisa am 08.10.2006, 16:49, insgesamt 6-mal geändert.

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 14.06.2006, 18:53

Liebe Louisa,
ich kann Dich dort im Park sitzen und höhnisch lächeln sehen. Auch die anderen Szenen waren mir deutlich vor Augen. Gern gelesen!
Liebe Grüße

leonie

Louisa

Beitragvon Louisa » 14.06.2006, 20:11

Liebe Leonie!

Vielen Dank! Du kannst mich sehen ? Wie sehe ich denn aus O:) ?

Es freut mich, dass Dir das Textlein gefallen hat. Ich hatte schon wieder diverse Befürchtungen bezüglich seiner Qualität.

-Vielleicht meldet sich ja noch eine Stimme...

Liebe Sommergrüße, louisa

PS: Viel Spaß im Park!

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 14.06.2006, 21:04

Hallo Louisa.

So ein Gedicht, das auf der einen Seite mich sehr besticht und auf der anderen Seite mir sowas gegen den Strich geht, habe ich noch nie gelesen.

Da es mir so ungewöhnlich ist und mir ein Kommentar kommt, wie noch nie, schreibe ich den selbigen in die Textwerkstatt.

moshe.c

Louisa

Beitragvon Louisa » 14.06.2006, 21:43

Hallo moshe!

Da bin ich ja sehr gespannt. Vielen Dank (für was auch immer).

Grüßlein, louisa

steyk

Beitragvon steyk » 15.06.2006, 06:51

Liebe Louisa,
mir ging es ähnlich wie moshe, als ich den Text durchgelesen hatte.
Das Thema, sich über den Tod lustig zu machen, finde ich gut. Wir nehmen das Unabänderliche meist viel zu ernst und beißen uns ängstlich die Lippen blutig, wenn wir darüber sprechen.
Am Text selbst müßte tatsächlich noch gearbeitet werden. Ich möchte nicht ins Detaill gehen, da sich moshe schon in der Textwerkstatt damit auseinandergestzt hat und ich seinem Vorschlag kaum etwas hinzufügen könnte. Eine gute Basis, um deinen Text - nach deinen Vorstellungen - zur Reife zu bringen.

Liebe Morgengrüße
Stefan

Louisa

Beitragvon Louisa » 15.06.2006, 08:13

Guten Morgen und Danke Steyk!

Ihr seid beide im sommerlichen recht O:) .

Grüßlein, louisa

Louisa

Beitragvon Louisa » 15.06.2006, 08:57

Man sollte vielleicht nicht auf sein eigenes Kommentar antworten, aber:

Gefällt es euch so besser? (-Ich hoffe.)

Grüßlein, louisa

Gast

Beitragvon Gast » 15.06.2006, 11:06

Bild Liebe Louisa, Bild

das ist ein wirklich besonders Gedicht. Ich möchte nicht entscheiden, welche Fassung besser ist. Ich will auch nicht "prüfen" ;-) was du von moshe übernommen hast...
Nein all das wäre zu wenig, um deinem Text, denn es ist entschieden kein Textchen, wie du abschwächend sagst, gerecht zu werden.
Ich muss mich und den Text für mich erst einmal individuell sortieren um darauf eingehen zu können.
Der letzte Satz: Ich nahm den ganzen Park, einfach wundervoll. Bild
Dir hat sich der Park als Schauplatz allen Lebens und des Todes (ich betone des Todes, weil viele Menshen glauben der Tod gehöre nicht zum Leben), geöffnet.
du möchtest dieses Leben einem geleiebten Menschen, der den Park nicht betreten kann sichtbar machen,.
Jedefalls habe ich deine überschäumenden Bilder, die so ungwönlich wie eindrucksvoll sind so gedeutet.
Ich bin berauscht von diesen Bildern.
Es ist ein sehr gutes Stück Posie, dem es auch nicht an Tiefgang fehlt.
Es ist so leicht schwer zu werden
Wie wunderbar!!! Bild

Liebe Feietagsgrüße
Gerda

Weißt du was micht stört?
eine winzigkeit... die weißen körnchen, könnten das nicht Flusen sein?

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 15.06.2006, 11:08

Liebe Louisa,

wieder finde ich nicht alle Änderungen gelungen, weil Du –wie ich finde- tolle Bilder streichst. Am Schluss den Teil mit der unfassbaren Handtasche fand ich sehr gut. Und den Teil mit der zupfenden Dame fand ich vorher auch besser, irgendwie hatte ich sie besser vor Augen.

Liebe Grüße

leonie

P.S. Ich hatte ein schönes Bild vor Augen, als ich Dich im Park sah – trotz den höhnischen Lächelns, ich finde, das darf und muss ab und zu sein.
P.P.S. Ich glaube, Du hast wieder einen Text gelöscht, zu dem ich gerne noch was geschrieben hätte. Schade!

steyk

Beitragvon steyk » 15.06.2006, 11:14

Wieder treffen verschiedenen Meinungen aufeinander, aber das ist gut so. Im Endeffekt mußt du, liebe Louisa, selbst entscheiden, mit welcher Fassung du dich am ehesten identifizieren kannst. Man kann es leider nicht allen Recht machen.
Ich tendiere eindeutig zur zweiten Version.

Ein schönen Tag
Stefan

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 15.06.2006, 17:50

Hey Louisa!

Mir gefällt deine zweite Variante sehr sehr gut.
An zwei Stellen hakt es bei mir noch:
1. .....fiel von der Holzbank 'herab'. Wenn das Lachen nur herabfiel bräuchte ich das Wort herab eigentlich nicht.
2. Zupfte die Dame Körnchen von ihrer Jacke oder Fuseln oder so??

Morgen ist mein letzter Arbeitstag und dann habe ich zwei Wochen frei, werde nicht verreisen, erstmal viel schlafen und Tel Aviv mal einfach so genießen. Aber einiges, was ich in der letzten Zeit aufgeschoben habe, steht auch auf meiner Wunschliste für diese Zeit. Ganz oben: Mich hier auch in die Hörbar einzubringen. Darf ich dein Gedicht lesen?

moshe.c

Louisa

Beitragvon Louisa » 15.06.2006, 20:32

Hallo ihr sommerlichen Gesellen!

In meinen Gedanken ward ihr natürlich auch alle in diesem Park. Moshe hat einen Korb voll Zitronen herumgehen lassen, leonie hat eine Farbpalette voll Sommerfarben angelegt, Steyk sagte häufig "Guten Morgen, meine Liebste..." und Gerda flüsterte "Es ist angerichtet." O:)

Apropos: Gerda, Dein Kommentar hat mich erschlagen. Woher hast du diese schönen Blumenbilder?
-Vielen, vielen Dank! Du hast es genau richtig gelesen. Das ist schön! §blumen§

Leonie, ich werde noch einmal in mich gehen und auf weitere Stimmen warten.

Steyk und Moshe: Auch euch vielen Dank §blumen§. Du kannst es gerne vorlesen, moshe. Das ehrt mich sehr! Außerdem weiß ich dann endlich einmal wie Du klingst.

Mm...vielleicht sollte ich öfter erzählen, was so in meiner kleinen Welt vor sich geht, wenn es euch gefällt.

Ich freue mich wirklich sehr über eure Worte!

Liebe Grüße, louisa

PS: Leonie, ja ich weiß...ich dachte es ist nicht so gut gewesen. Aber vielleicht stelle ich es noch einmal hier her.

PS II: Die Dame zupfte die Saatkörnchen von der Jacke, was mich sehr belustigte, da überall um sie herum die Pollen flogen...

Benutzeravatar
Lisa
Beiträge: 13944
Registriert: 29.06.2005
Geschlecht:

Beitragvon Lisa » 15.06.2006, 21:28

Liebe Louisa,

der ganze Ton in deinem Gedicht ist viel mächtiger und zusammentönend als in den anderen Gedichten bisher...auch mich hat er sehr bewegt...die Stimmung schaffst du einfach zu hunderprozent hinüberzubringen zu mir, die hier nun am PC sicher nicht einen Park vor Augen hat.

Mir erscheint das Gedicht auch so ehrlich...(ich weiß nicht genau, wieso ich dieses Wort wähle).

Und dann der Titel bzw. die letzte Zeile...

Ach was, ich bin froh, dass schon viele ausgedrückt haben, was ich in diesem Fall nicht so genau beschreiben mag (besonders Gerda hat das wundervoll getan). ich mag nur einfach sagen, dass ich ihn sehr sehr gern gelesen habe...

Liebe Grüße,
Lisa

Hüstel: Hier ist noch ein c zuviel... :grin: :
Du hast nichts davon bemerckt.
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Bing [Bot], Google [Bot] und 21 Gäste