nächtliche notiz

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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birke
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Beitragvon birke » 11.05.2023, 18:48

.

müde im sessel
versunken der gedanke
eine sorge greift raum
ich streife mein lächeln ab
und schließe das fenster
lasse den nebel den regen
außen vor der hauswand
schatten einer geschichte
gleich gehe ich
träumen nach

.
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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 12.05.2023, 01:34

Schön.

Ich freue mich auch immer aufs Träumen :-)

Ist "lasse" das optimale Wort hier? Ich denke da an so etwas wie "frei lassen" (eher passiv wirkend). In diesem Bild erwarte ich eher etwas aktives wie schieben, drücken, drängen etc.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 12.05.2023, 09:39

Hallo Pjotr, das sehe ich nicht so. Ich finde zwar den Klang von lasse auch nicht sooo schön, aber das "passiver werden" halte ich an dieser Stelle für geradezu notwendig. Das Fenster (auch: zu den Sorgen) zu schließen war gerade noch möglich in dieser Müdigkeitsphase, und dann geht es nur noch darum, "es gut sein zu lassen", – oder wie auch immer.
Ich hab' eher Probleme mit der Zeile versunken der gedanke – jedenfalls im Zusammenhang mit der nächsten Zeile. Ich glaube, da fände ich den Plural besser: versunken die gedanken (und eine sorge greift raum, also eine aus dem Gedanken"pool"). Bei der Version oben komme ich nicht so ganz klar mit einem Gedanken und einer Sorge. Aber das mag an mir liegen.
Zuletzt geändert von Amanita am 12.05.2023, 12:09, insgesamt 1-mal geändert.

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 12.05.2023, 09:53

Hallo Amanita, Du hast recht. Ich hatte den Text heute nacht in meiner geistigen Umnachtung falsch gelesen. Ich dachte zuerst, dass der Nebel und Regen eine Metapher sei für die "Sorge im Raum" im Intro. Also erst sei der Nebel im Raum, und dann würde er nach draußen getan. Jetzt lese ich das wieder und sehe, der Nebel ist keine Metapher für Sorge, sondern ein separates Objekt (vielleicht die Quelle der Sorge), das bereits draußen ist, und weil nun das Fenster geschlossen wurde, wird der Nebel draußengelassen. Er wird nicht reingelassen. Also ja, das geht schon. Denn das Lyrische Ich tut nichts aktiv am Nebel, sondern aktiv am Fenster; das Fenster ist die aktive Blockade. Das Lyrische Ich "lässt" das Fenster die aktive Blockade sein. Ja, passt :-)

Liest Du "eine sorge" mit der Betonung auf das Wort "eine"? Dann verstehe ich Dein Lesegefühl.

Ich lese das mit der Betonung auf "Sorge", also als eine erläuternde Wiederholung des Wortes "Gedanke".
Ein sorgenvoller Gedanke.

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birke
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Beitragvon birke » 12.05.2023, 12:07

danke sehr für eure feinen gedanken hierzu. :)
ja… der gedanke, die gedanken? es ist eher einer. überlege nur eventuell, ob ich den bestimmten artikel in einen unbestimmten ändere, also ein gedanke, eine sorge… wobei jetzt vielleicht auch mitschwingt „der gedanke (an) eine sorge“. mehrere gedanken wären im gedicht allerdings auch stimmig.
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