Gebet

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Nikolaus
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Beitragvon Nikolaus » 04.04.2021, 17:19


Gebet

Herr
du auferstandener
weine mit uns und
für uns
bleibt die unsicherheit
und das verlieren von zuversicht

gekreuzigt
sinken wir
zu deinen füßen
und weinen nach innen
dir zu

erlöse uns oh Herr
von dieser zerrissenheit
in uns die oft
sich richtet
gegen anders zweifelnde
anders glaubende und
anders denkende
auf dass wir begraben
was wir selbst zuließen
und dem wir helfen
zu leben

alles liegt in unserem handeln
und dem glauben
an eine bessere welt und
an dich
Herr

.
Ich lese Lyrik. Das spart Zeit.

(Marilyn Monroe)

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birke
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Beitragvon birke » 05.04.2021, 12:01

es wäre wohl nicht fair, wenn ich hier kommentiere, da ich nicht gläubig bin und mit dem inhalt absolut nicht mitgehen kann. ist mir alles zu eingeengt... auch wenn es mich reizen würde (zu kommentieren) äh, und ich tus ja auch schon. :) (zb: warum "herr"? das ist schon etwas antiquiert und zumindest hinterfragenswert, oder?) aber egal.
nur eines noch: wenn schon überhaupt, ist doch jesus auferstanden und nicht "der herr", oder sehe ich das falsch?
verzeih und liebe grüße,
diana
ps - für mich wirkte dieses gedicht/ gebet in der ich-form stärker, weil es persönlicher wäre, daher für mich glaubhafter und weniger verallgemeinernd. aber: vielleicht sehen das andere leser ganz anders! :)
tu etwas mond an das, was du schreibst. (jules renard)

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Nikolaus
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Beitragvon Nikolaus » 05.04.2021, 12:31

Danke für deinen Kommentar, Diana!

Ich gehe davon aus, dass du auch "irgendwie" Ostern feierst und auch Weihnachten feierst. Trotz Unreligiösität! Und das ist auch gut so!

Ich selbst bin Rheinländer, streng katholisch erzogen. Im Laufe meines Lebens lernte ich, dass die Kirche ein Dreckshaufen ist, der viele Menschenleben zerstörte. Ich habe mich von der Kirche abgewandt und bin ausgetreten. Ich finanziere nicht sexuellen Missbrauch mit meiner Kirchensteuer!
Aber Religion hat mit Kirche nix zu tun. Ich glaube grundsätzlich an Gott. Den nenne ich althergebracht auch in der direkten Anrede "Herr". Klar könnte ich auch "Frau" oder sonstiges sagen. Ich sage Herr, weil es in mir!!!! so verwurzelt ist.
Es gibt im übrigen in dem Christlichen Glauben den Begriff der Dreieinigkeit. Drei "Personen" in einem Begriff. Vater (Gottvater) Sohn (Jesus) und Heiliger Geist. Und wer sagt , dass "Herr" automatisch Gott bedeutet und nicht Jesus oder die drei zusammen?
Mein Text - bei genauem Lesen ist es vielleicht erkennbar - ist eher ein verzweifeln und ein anklagen. Und wir alle und ich denke auch du wirst wissen: In großer Not lernen wir das Beten. Was individuell sehr unterschiedlich sein kann.
Es ist ein wenig banal, das Wort Gebet zu lesen, das erste Wort "Herr zu sehen und dann schon die religiös verschränkten Schotten dicht machen, finde ich.
Dir noch einen wundervollen Ostermontag!
(ach....du feierst ja kein Ostern....)

Herzliche Grüße - Niko
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Quoth
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Beitragvon Quoth » 05.04.2021, 12:44

Hallo Nikolaus, ich finde es mutig, dass Du den Gebetstext in dies erkennbar linksliberal-agnostische Forum gepostet hast. Das tut der Vielfalt gut! Und ich kann dem Text in einer als-ob-Haltung sehr gut folgen (als ob ich gläubig wäre), nur in einem Punkt gehe ich nicht mit: "gekreuzigt sinken wir zu deinen Füßen ..." Das ist eine Verharmlosung des Kreuzestods. Gruß Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.

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birke
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Beitragvon birke » 05.04.2021, 12:44

lieber niko, nur das noch, nein, ich feiere ostern tatsächlich nicht im christlichen sinne, sondern eher im heidnischen. :) (auch weihnachten hat übrigens einen heidnischen ursprung.)
dir auch noch einen schönen ostermontag und herzliche grüße
diana
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Nikolaus
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Beitragvon Nikolaus » 06.04.2021, 16:35

Hallo Quoth!

Zu den Agnostikern zähle ich mich ebenso dazu. Als Agnostiker geht man ja davon aus, dass die Existenz eines Gottes durchaus angenommen werden kann, diese aber grundsätzlich nicht erklärbar oder erkennbar ist. Also rational betrachtet. Für mich gehe ich von Gottes Existenz aus, verfluche die Kirche ganz offen und glaube dennoch an Gott. Das muss ich nicht mit Kirchbesuchen oder offenkundigen Gebeten unterstreichen.
Dies hier ist für mich - wie schon erwähnt - eine Art Verzweiflung und Flehen. Denn in der Not lernt man das Beten wieder. Vielleicht ist diese derzeitige Pandemie dazu angetan, zu beten. Unter Beten verstehe ich übrigens nicht Hände falten und zum Himmelschauen und Gebetsfloskeln herunterleiern. Ein Gebet ist für mich etwas, was aus der tiefsten Seele kommt.
Ich glaube, wenn ich das Wort Gott und Gebet weggelassen hätte, wäre es doch ein Gebet und auch akzeptierter gewesen. Nun aber ist es so wie es ist.
Das "gekreuzigt sinken wir" ist für mich keine Anmaßung an das Leiden Gottes. Es ist eher ein Vergleich, der eben keiner ist. Eine Art Ironie.

Ganz herzliche Grüße - Niko
Ich lese Lyrik. Das spart Zeit.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 07.04.2021, 14:00

Hallo Niko,

ich gehöre wohl zur Minderheit der KirchgängerInnen (oder "Gläubigen") hier.
Mir persönlich ist Deine Diktion stellenweise etwas "altertümlich", aber ich könnte mir vorstellen, dass Dein Gebet tatsächlich in praxi gelesen werden kann. Ich finde, es spiegelt unsere derzeitige Lage, und beim Schluss kann ich sehr gut mitgehen.

Epiklord
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Beitragvon Epiklord » 07.04.2021, 19:58

Moment ma, Amanita. Ich glaube an Gott, aber nicht an alles, was in der Bibel steht und die Kirche lehrt. Es gab Bibelübersetzungen, ich erinnere an Wulfila, durch den das erste germanische Schriftstück entstand. Das war im 4. Jahrhundert, da hat er Lehnwörter gebastelt, um aus dem Griechischen für die Goten zu übersetzen, die noch nicht über Worte für Moralwerte verfügten. Jesu wurde nachweislich auch nicht gekreuzigt, sondern an einen Pfahl gehängt. (Übersetzungsfehler). Und heute wissen wir vieles, zum Beispiel über die Evolution. Das ist nicht eine Sache des Glaubens. Da muss die Bibel anders interpretiert werden, als es die Kirche tut, die sich dogmatisch an den Bibeltexten hält. Sogar Physiker glauben an Gott, auch Albert Einstein war religiös, kosmisch, nicht an die Moralreligion gebunden. Wenn Gott die ersten Bibelschreiber inspiriert haben sollte, so konnte er damals noch nicht von Evolution und chemischen Elementen sprechen. Hätte keiner verstanden. So sprach er in Symbolik, Gleichnis und Alegorie oder so. Ich glaube, es gibt keinen Teufel, wie in der Bibel steht, es ist eine Personifizierung des Bösen. Wie gesagt, man muss die Bibel auf den heutigen Menschen neu abstimmen und das heutige Wissen berücksichtigen, sie total neu übersetzen und sich auch von dem Bild vom Vater verabschieden. Denn der Bart des Alten ist längst ab.

aram
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Beitragvon aram » 07.04.2021, 22:00

epiklord - toll, dass hier mal wer den vollen durchblick hat und gott und die welt erklären kann.
damit kommst du mir aber ganz schön ins revier.-)
würdest du z.b. den "übersetzungsfehler" bitte mal aufzeigen? wer hat was falsch übersetzt?
näheres befassen mit historischen varianten der kreuzigung im römischen reich lässt weder mit "kreuzigen" noch mit "an einen pfahl hängen" ein problem haben - beides ist unspezifisch ausgedrückt und widerspricht sich nicht. erst die konkreten ausführungsformen, derer es es eine vielzahl gab, gehen in unterschiedlichste details - und werden im übrigen unter "kreuzigung" subsumiert.
in solch alleinseligmachender dogmatik würdest du dich hervorragend als (gegen)papst eignen, der den unwissenden schäfchen die wahrheit verkündet - womit leider wenig gewonnen ist.

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birke
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Beitragvon birke » 07.04.2021, 22:16

also, ich kann dem, was epiklord schreibt, viel abgewinnen. religion kann, darf oder muss sogar sich doch auch weiterentwickeln?
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Amanita
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Beitragvon Amanita » 08.04.2021, 10:34

Wo steht denn, dass sie sich nicht weiterentwickeln soll?

Sie tut es doch, mal mehr, mal weniger.
Mein Zugang hat sich deutlich verstärkt, als ich die Poesie z. B. eines Gottesdienstes entdeckt habe. Und die Verbindung mit meinen/ unseren Ahnen, die trotz ganz anderer Lebensverhältnisse oft dieselben Probleme hatten wie wir.

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Beitragvon Amanita » 08.04.2021, 10:40

(Ich schreibe immer mal was zum Thema, z. B. hier: Gedicht "mein Gott")

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Beitragvon birke » 08.04.2021, 11:21

das steht nirgendwo, liebe amanita, aber in nikos gedicht finde ich das halt nicht, es klingt für mich eher wie ein "gebet aus uralten zeiten" sozusagen, und das scheint epiklord auch u. a. gemeint zu haben.
ja, die poesie weiß ich auch zu schätzen, es gibt bspw. wunderbare bibelstellen, die zum teil auch zu wunderbarer musik geworden sind. und ja - das ist es allemal: ein weites feld, ein sehr weites feld! :)
ps - mit deinem gott-gedicht kann ich übrigens viel anfangen, danke für den link.
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Beitragvon Amanita » 08.04.2021, 11:30

Liebe birke, d'accord! Ich hatte den Begriff "altertümlich" benutzt ...


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