Eine Motte

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Last

Beitragvon Last » 27.05.2006, 23:15

Spät ist die Stunde, der Sandmann hat den Sand verbrannt.
Höllenfeuer, Höllenfeuer! Glas beginnt.

Eine Motte flattert sich am Fenster müde,
es ist Nacht und sie will mir an das Licht.
„Meine Kleider frisst du nicht“,
spricht das Glas voll Stolz,
es ist mein letzter Mann in diesem Krieg.

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Thomas Milser
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Beitragvon Thomas Milser » 28.05.2006, 13:40

Hi Last.

Obwohl ich die ersten beide Zeilen sinnlich nicht zurordnen kann, baut sich bei mir ein Bild auf, das ich gut kenne.

So sinngemäß, wenn das Fenster der letzte Schutz vor der Außenwelt ist, vor der man sich zurückziehen muss. das Glas ist doch das Fenster, oder?Die letzten beiden Sätze sind echt gelungen, das Hirn darf danach weiterarbeiten.

Tom.
Zuletzt geändert von Thomas Milser am 28.05.2006, 14:20, insgesamt 1-mal geändert.

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 28.05.2006, 13:53

Hallo Last,

das spricht mich an, obwohl ich gegen Ende immer den Faden verliere. Schläft da jemand am Schreibtisch ein. Ist das Glas der letzte Mann im Kampf des Ich gegen die Motte, die ins Zimmer will?

Sehr verwirrend.

Paul Ost

Last

Beitragvon Last » 30.05.2006, 09:52

Hallo Thomas, hallo Paul,

vielen Dank für eure Kommentare :grin:

@Thomas: So hab ich es gemeint, danke :smile:

@Paul: Ich dachte eigentlich es wäre klar, dass sich diese Grenze verwischt :???: Ich werde noch einmal nachdenken, ob ich das noch etwas eindeutiger herausstellen soll. Ich befürchte aber, dass dann das verloren geht, zu dem Thomas schrieb: "das Hirn darf danach weiterarbeiten."

Louisa

Beitragvon Louisa » 03.06.2006, 11:26

Hallo Last,
ich kenne diese (für mich angsteinflößenden) Motten-Besuche und finde Dein Gedicht sehr gelungen!

-Aber auch ich habe Verständnisprobleme bei den letzten zwei Zeilen. Wieso hat denn das Fenster Kleider? Dann auch noch einen kriegerischen Mann?

In was für einem Krieg befindet er sich denn?

Vielleicht kannst Du mir helfen.

Liebe Grüße, louisa

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 12.06.2006, 19:02

Lieber Last,

für mich wiederum sind die ersten beiden Zeilen (noch, wenn du nicht negieren wirst :grin: ) die schlüssigsten.

Der Sandmann (der, der den Schlaf bringt) hat den Sand verbrannt (aus ihm wird Glas)...
gleichzeitig ist Nacht, für mich also hat der Schlaf/Traum die Oberhand gewonnen. Mir ist nur noch nicht klar, ob über das Ich oder den Rest der Welt.

Mit der Zuordnung der Motte habe ich daher noch Schwierigkeiten. Da nacht ist, müsste bildlogisch wohl das Licht innen sein und die Motte außen und sie will hinein. Doch das Glas lässt sie (als letzter Mann im Krieg des Ichs) nicht hinein....

sind die Gardinen vielleicht die Kleider des Glases, die die Motte aber nicht erreichen kann, weil sie innen sind? Oder sind die Kleider nur im übertragenen Sinne in Bezug auf die Motte (die ja Kleider frisst) zu sehen?

Insgesamt ist mir zwar auch klar, dass es um Grenzen geht, aber mir ist nicht klar, warum diese erhalten werden müssen (wovor das Glas schützt).

Vielleicht ist es auch ganz anders und der verbrannte sand (keiner ist mehr da) steht für das Aufwachen und das Licht ist das innere Licht (des Traumes)?

Hmmmm...
Tom, hat Recht, das Hirn darf weiterarbeiten :grin:

Mir wird einfach die grundabsicht /Bezug des Gedichts nicht klar.

Liebe Grüße,
Lisa

Max

Beitragvon Max » 12.06.2006, 19:04

Lieber last,

nach den vorhergehenden Beiträgen meine ich, die Bildsprache deines Gedichts besser entschlüsseln zu können, zumindest besser, als es mir alleine gelungen wäre.

Allerdings ist mir nicht klar, was an einer Motte, die ins Zimmer kommt, so bedrohlich ist. Wieso ist die Motte ein Bild für die Gefahr?

Liebe Grüße,
Max

Gast

Beitragvon Gast » 14.06.2006, 13:19

...vielleicht wirft die Motte eine RIESIGEN Schatten ?

Da Glas versinnbldlicht vielleicht eine Barriere zwischen einem "letzten Kämpfer", der nicht mehr ausrücken soll und dem Kriegsschauplatz?

Mottten verbrennen im Licht, im Ziel ihres nächtlichen Schwirrflugs.

Vielleicht geht es genau darum , dass Soldaten im Ziel geopfert werden.

Entschuldige, lieber Last, sehr viele "Vielleichts", die du möglicherweise auch noch für zu leicht befindest...

Auf eine Antwort bin ich sehr gespannt.

LGG

aram
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Registriert: 06.06.2006

Beitragvon aram » 16.06.2006, 06:19

hallo last!

... ein heftiges bild:
der vom sandmann in die augen gestreute sand verbrennt zu glas.

für mich drückt das gedicht eine trennung vom fühlen aus.
am ende glasaugen; und fensterglas als trennfläche.

das ich ist schon verloren, nur noch hüllen werden verteidigt.
abwehr ist das letzte, das noch fühlbar ist.


- ich empfinde die glasscheibe als sehr passendes bild für die trennung vom eigenen fühlen: scheinbar ist da nichts, alles transparent - doch kein in-verbindung-sein, nichts dringt durch.
tief beobachtet ist für mich, das das getrennt sein, die negation von kontakt, im kampf des ich um sich selbst zum einzig positiv kontaktierbaren wird, an dem es sich noch konstituieren kann - und deshalb (krampfhaft und zum eigenen schaden) daran festhalten muss.

das (personale) ich erzeugt sich selbst, und bei entfall von (selbst)kontakt wird dies zum kampf, weil kein "material" für den konstitutionsprozess mehr da ist - wenige blicken so tief.

der text erschließt sich jedoch aus anderen gründen schwer, (der bildaufbau scheint etwas 'disloziert' - sehe ich mir viell. noch später an) - ich hätte das eben gesagte ohne die bereits vorhandenen kommentare kaum erschließen können.

vielleicht braucht es noch etwas distanz und zeit, um eine nuance eingängiger zu komponieren?

- danke für das gedicht.
aram

Last

Beitragvon Last » 17.06.2006, 12:55

Hallo ihr alle,

vielen Dank für eure tollen Kommentare :grin:
Entschuldigt bitte, dass ich erst jetzt antworte.

Das Gedicht ist eine Momentaufnahme eines sehr heftigen, intensiven Momentes, so wie Louisa das schon angedeutet hat. Interpretativ ist Aram da sehr nah an meiner Intention, wobei ich das jedoch etwas positiver werte als er.
Interessanter Weise kombinieren sich eure Kommentare sehr gut (in meinen Augen), das Problem ist dabei allerdings genau diese Verknüpfung, die euch allen fehlt. Eine Idee habe ich allerdings nicht, diese mehr herauszuarbeiten, ich sehe allerdings auc nicht die unbedingte Notwendigkeit etwas zu ändern, denn es scheint ja in euren Köpfen zu arbeiten. Ich hoffe, dass das Gedicht einen Nachklang bei euch erzeugt hat, wenn ja passt ist sehr gut (dann kann ich hoffen, dass euch irgendwann das Gemeinte überfällt), wenn nicht, ist mein gedicht als Ganzes gescheitert.

Der Krieg ist es wohl, der noch die meisten Verständnisprobleme bereitet, ich füge dazu dieses Bild an (aber bitte nicht im historischen Kontext verstehen):

Bild


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