Nifl hat geschrieben:Nö, so:
Das Kunstvolle ist, dass der Autor sich jederzeit zurückziehen und 'was wo wieso' steht das im Text behaupten kann.
Du kannst auch gerne einen Thread im Cafe eröffnen zum Thema, "Kann man Text und Autor gänzlich trennen?". Das Thema beschäftigt ja seit Generationen, Stichwort: Werther Effekt
Diesen altbekannten Ansichtsspielraum meine ich nicht. Ich meine das Verlassen dieses Ansichtsspielraums. Vielleicht irren wir uns beide, Nifl. Meinem Eindruck nach impliziert der von Dir geschriebene Begriff "kunstvoll" eine Künstlerexistenz. Kunst schaffen kann nur ein Künstler oder Kunstinterpret; Schaffen ist eine Tätigkeit. Tätig sind allein der Erschaffer und der Interpret; Buchstaben hingegen tun nichts außer dastehen.
Das Erschaffene regt den Leser zum Interpretieren an. Das Erschaffene, also der Text, erschafft sich nicht selbst, schon gar nicht interpretiert der Text sich selbst; der Text hat kein Hirn. Deshalb, Nifl, schreibst Du
richtigerweise an der obigen Stelle, dass nicht der
Text, sondern der
Autor sich zurückziehen könne, eben weil Du weißt, dass das Kunstvolle nicht durch das Kunstwerk selbst entsteht, sondern nur im Hirn des Künstlers oder des Interpreten entstehen kann.
Mit anderen Worten:
"Das Kunstvolle in Michelfritzens Tätigkeit ist, dass Michelfritz sich jederzeit zurückziehen und 'was wo wieso steht das im Text' behaupten kann." -- An dieser Stelle zielt die Kritik nicht auf das bereits Erschaffene hinsichtlich dessen Wirkung auf den Leser, sondern auf das Erschaffen als Tätigkeit mit speziellen Absichten. Hierdurch verlässt die Kritik den Ansichtsspielraum der Text-Autor-Trennbarkeit und redet vom Erschaffen, nicht vom Erschaffenen.
Aufgrund der Meinungsfreiheit ist diese Kritik natürlich trotzdem berechtigt.
Ich meine lediglich die Inkonsistenz. Zu sagen, man kritisiere hier nur den Text und nicht den Autor, erscheint mir in diesem Fall inkonsistent.
Ich denke, konsistent wäre Deine Text-Autor-Trennung, Nifl, wenn der Autor Michelfritz seinen Text als Erzählung eines anderen Sprechers, etwa des Seppelpauls, darstellen würde, während Michelfritz also auf einer neutralen Meta-Ebene stünde, und Du, Nifl, schriebest,
"Das Kunstvolle in Seppelpauls Tätigkeit ist, dass Seppelpaul sich jederzeit zurückziehen und 'was wo wieso steht das in meinem Text' behaupten kann."