Auf dem Weg nach Feuerland

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Kurt
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Beitragvon Kurt » 01.03.2017, 20:25

Auf dem Weg nach Feuerland

war mir ein stummer Mensch begegnet.
Den genauen Standort verrate ich nicht.
Er war von kleiner, gedrungener Statur,
seine Haut wie ein grauer Neoprenüberzug.

Erst dachte ich: Ein Pinguin.

Im Glastlicht der Abendsonne
schaute ich von oben auf ihn herab;
da wurde er plötzlich unsichtbar.
Sah ich ihn schräg von der Seite an,
zeigte er sich in Giftgrün.
Er selbst verzog dabei nie eine Miene.

Kurzzeitig dachte ich: Ein Chamäleon.

Aber das traf auch nicht zu, wie ich
nach genauer Untersuchung, von
ihm geduldet, feststellen durfte.
Leuchtstoffspuren ließen sich
ebenfalls nicht nachweisen.

Es konnte nur in meinem Blick gelegen haben.

Egal, wie das Licht einfiel, sogar im Halbdunkeln,
von oben herab betrachtet, löste er sich auf.
Schräg von der Seite angestarrt,
erschien ein warnendes Giftgrün.
"Wir befinden uns stets mitten im Weltgeschehen, tun aber gerne
so, als hätten wir alles im Blick." (Kurt)

Mucki
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Beitragvon Mucki » 14.03.2017, 15:38

Hallo Kurt,

dieser Text passt gut zu deiner Signatur. ;)
Es ist spannend geschrieben. Neugierig folge ich dir, um zu lesen, was als Nächstes geschieht.
Aus irgendeinem Grund musste ich kurz denken, dass es sich um eine Pflanze handeln könnte.
Es ist auch irgendwie putzig, sich das vorzustellen. Es ist so bildlich. Und ich sehe es so richtig vor mir, wie das LI das fremde Wesen untersucht (dritte Strophe von unten).
Klasse, wie aus dem "zeigte er sich in Giftgrün" am Schluss das "erschien ein warnendes Giftgrün" wird. Da wird es wohl gefährlich für das LI.
Bitte nicht auflösen, um welches Wesen es sich handelt. ;): Es ist gut, es so offen zu lassen.

Saludos
Mucki

Kurt
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Beitragvon Kurt » 14.03.2017, 18:33

Ja gut, Mucki, bleibt offen. :ö))
Ach ja, die Signatur. Alles im Blick haben wollen. Ich habe neulich im TV einen Beitrag über Philosophie-Professor Markus Gabriel gesehen, finde verblüffend, wenn er sagt, diese Welt gibt es nicht, jedenfalls nicht so, wie wir sie uns gerne vorstellen, als einen großen Behälter in dem wir uns befinden. Und anschaulich erzählt er dann, wenn man eine Liste erstellen würde von allem was sich in diesem „Weltenraum“ befindet. Wir haben also alles auf der Liste, nur fehlt eins, die Liste. Also machen wir eine weitere Liste wo die Liste mit drauf ist. Das würde aber immer so weiter gehen, wir kämen zu keinem Ende.

Oder an anderer Stelle, an einem einfachen Fall, interessant finde ich die Vorstellung, dass sich quasi mein eigenes Gehirn zuschauen kann beim einem Eingriff daran. Ist ja paradox. Also, wir brauchen uns ja gar nicht in der Fantasie so etwas ausmalen. Alles um uns herum scheint ja merkwürdig, wenn man die entsprechenden Fragen stellt.

LG Kurt :??:
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nera
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Beitragvon nera » 15.03.2017, 02:03

wieso wird dieses wesen vom autor nur von oben oder schräg angeguckt? das fällt mir ein, wenn ich diesen text lese? ( mal abgesehen von manchen formulierungen, die mir etwas aufstoßen)

Kurt
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Beitragvon Kurt » 15.03.2017, 04:25

Ja, Nera, er schaut ihn schon im Ganzen an, rundum, nur wenn er von oben oder von der Seite schräg glotzt, hat es die geschilderten Auswirkungen. Is deswegen, weil man keinen, egal ob Ureinwohner, von oben herab, beispielsweise als sich ziviliert und damit überlegen Fühlender, betrachten sollte. Und hier haben wir auch den Umstand, ob er, d. h. sein Gehirn diese Erscheinungen selbst verursacht. Wie kann man da sicher sein?

LG Kurt :x:
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Mucki
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Beitragvon Mucki » 15.03.2017, 14:22

Kurt hat geschrieben:Und hier haben wir auch den Umstand, ob er, d. h. sein Gehirn diese Erscheinungen selbst verursacht. Wie kann man da sicher sein?

Dieses "wie kann man da sicher sein" macht genau den Reiz dieses Textes aus. Es ist ein bisschen Fabelwelt enthalten. ;)

SarahWeidenlicht

Beitragvon SarahWeidenlicht » 22.03.2017, 19:59

Die ersten beiden Verse, oder sagen wir mal banal Zeilen, finde ich wunderschön.

"seine Haut wie ein grauer Neoprenüberzug" geht sich rhythmisch und grammatikalisch nur mit zugedrückten Augen aus.

Ist das "Glastlicht" ein Glaslicht? Und was ist ein Glaslicht? eine schöne Wortschöpfung? Die Beschreibung eines gebrochenen Lichts? Das den anderen irgendwie unberührbar macht? So lese ich es. Das gefällt mir gut, aber dein Gedicht kommt eigentlich ohne solche Wortspielereien aus und ich fände es toll, wenn du bei dieser altertümlichen, ungewöhnlichen Sprache bleibst.

"schaute ich von oben auf ihn herab". Wie wäre "schaute ich auf ihn herab"?

"Sah ich ihn schräg von der Seite an,
zeigte er sich in Giftgrün." zu "Sah/Schielte ich ihn von der Seite an, zeigte er sich in schrägem Giftgrün." oder ähnlichem?

Lag es in oder an deinem Blick? In deinem Blick ist eh auch gut, aber sollte irgendwie bewusst gesetzt sein...

"Egal, wie das Licht einfiel, sogar im Halbdunkeln,
von oben herab betrachtet, löste er sich auf.
Schräg von der Seite angestarrt,
erschien ein warnendes Giftgrün."

Mit diesem Abschluss kann ich nicht so viel anfangen. Ich weiss aber nicht, worauf du damit hinauswolltest- und habe also keinen Gegenvorschlag.

Es ist ein schöner Text, finde ich!

Alles LIebe

Kurt
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Beitragvon Kurt » 22.03.2017, 23:41

Hey, Sarah, Glast würde ich meinen ist Schimmer oder Glanz.

Man kann auf jemand herabschauen von unten aus, aber auch von oben aus. Ich mache beides implzit.

LG Kurt
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