Seite 1 von 1

herbst, unverklärt I

Verfasst: 10.09.2016, 18:14
von allerleirauh
du hörst ein wiehern

der abend führt
den jungen herbst
am halfter
durch die straßen

wenn sein schatten
auf das trafohäuschen fällt
ist da ein mann,
der in die dahlien
im vorgarten pinkelt

käptn wind
kickt einen fußball
durch die dunkelheit

müde schaut der schiefgefahrene
begrenzungspfahl
aus hellen augen
richtung tor

und eine halbe familie
sitzt am tisch

in der birke vorm haus
bewegt sich
ungesehen
das laub

Verfasst: 11.09.2016, 15:01
von birke
unverklärt schön, gefällt mir! :)
eine kleinigkeit, "müde schaut ... aus hellen augen" liest sich für mich widersprüchlich, mit "hellen" augen assoziiere ich automatisch wache augen.
lg
birke

Verfasst: 13.09.2016, 21:12
von Lisa
Liebe allerleirauh,

du schreibst immer tief und stark, aber dieser text von dir holt mich seit längerer Zeit mal wieder wirklich ab, die Bilder sind so einfach und frei und doch so dicht arrangiert, dass man wirklich in die Stimmung taucht und "weiß", wovon der Texte erzählt.

Den Titel unverklärt samt dann auch noch der I mag ich nicht so, weil die Lesart wie eine eigene Analyse schon mitgegeben wird und die Zeilen könnte ich mir auch etwas länger/lockerer vorstellen, aber das tut dem Ganzen keinen Abbruch - wirklich fein und getroffen.

Liebe Grüße
Lisa

Verfasst: 17.09.2016, 20:35
von allerleirauh
liebe birke,

die hellen, müden augen möchte ich gern im text belassen. für mich funktionierts, wenn ich an zersprungene, zerkratzte katzenaugen denke.

liebe lisa,

über den titel denke ich nach, ich weiß, dass er suboptimal ist.

a.

Verfasst: 28.09.2016, 09:44
von Klimperer
"herbst, unverklärt, I"

Das Komma des Titels ist die einzige im Gedicht vorkommende Interpunktionszeichen.

Die lateinische I deutet auf den Anfang einer Reihe, mindestens aber von noch ein Gedicht darüber, über den einschreitenden Herbst.

"Unverklärt" soll es sein.

Ich glaube, es ist ein Versuch, mit Hilfe von wertfreien Bildern, diese Jahreszeit zu schildern, besser gesagt, die Gefühle, die dieser Vorbote des Winters hervorruft.

"du hörst ein wiehern".

Wahrscheinlich hat das Bild des am Halfter geführten Pferdes die Bilderreihe ausgelöst.

Vielleicht sein Wiehern hat das lyrische Ich zum Fenster gerufen.

Alles, was es dann sieht, weckt beim Leser eine Herbststimmung.

"eine halbe familie sitzt am tische..."

Das lyrische Ich, Alleine.

Dieses Gedicht habe ich gleich bei seinem Erscheinen gelesen und es hat mir auf Anhieb gut gefallen.

Erst jetzt finde ich die Muse, diese Worte darüber zu schreiben.