brunch mit todgeweihten

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Klimperer

Beitragvon Klimperer » 10.08.2016, 20:48

ich empfand es
als das normalste der welt
absolut keine rührung
kein mitleid
kein erbarmen
ich sah sie aus meinen hohlen
augenhöhlen
mir gegenüber sitzend
mit großem appetit
verschlingend
mein skelett
vor den ihrigen
leicht über die teller gebeugt
unsere mägen
gierige blicke
es gab bio lachs
mit meerrettich
salami mortadella
schinken
helles und dunkles brot
eine bratwurstsuppe
als vorspeise
tomaten mit mozzarella
aus freilaufenden büffeln
spundekäse
käse butter
große grüne fleischige oliven
der sorte calcidica
aus einem delikatessengeschäft
den stein nimmt man gerne in kauf
es gab einige sachen mehr auf dem tisch
aber irgendwie liegt ein nebel vor meinem
geistigen auge
und kaffe und sekt natürlich
danach gingen wir zu einer nolde ausstellung
im landesmuseum
ich winkte jemandem im hof
er hat nicht zurückgewunken
das hat weh getan
ich fühlte mich wie ein idiot
aber die welt ist voll mit idioten
wir verabschiedeten uns dann
kein wort ist gefallen über
krankheit diabetes oder chemotherapie
in diesem wahrscheinlich letzten treffen
kein wort über den tod
genau wie bei den göttern
bei den unsterblichen

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nera
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Beitragvon nera » 23.08.2016, 15:23

ganz schön heftig. trotzdem gefällt es mir, wie du diese situation beschreibst, die völlerei? oder auch nur das gute essen, der erwartete tod, ein stückchen einsamkeit....


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