Seit Tagen

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Klimperer

Beitragvon Klimperer » 15.06.2016, 00:27

spiele ich mit dem Gedanken
mir die Nägel der Hände
zu schneiden
schon lange
mache ich das mit einem
Nagelzwicker
ein Instrument
das ich schon
seit meiner Kindheit kenne
vermutlich
in den 50er Jahre erfunden
früher verkaufte man diese
in der Nähe des Flughafens
fliegende Händler
Kinder fast
ich weiß nicht genau
aus welchen Gründen ich
diesmal die Operation
verzögere
es gab Zeiten
da benutzte ich eine Schere dazu
und meine Freundin
half mir
mit der linken Hand
ich besitze sogar
eine Schere für Linkshänder
habe sie aber nie benutzt
liegt nagelneu da
irgendwo

Klara
Beiträge: 4530
Registriert: 23.10.2006

Beitragvon Klara » 17.06.2016, 08:51

Hallo Klimperer,

das Spannende an deinen Texten finde ich die "Holper" der im Grunde sonst prosaischen (also als Prosa lesbaren) Sätze durch die Vers-Brüche.
Das ergibt dann ein interessantes, ganz neues Bild, einen anderen Blick auf Prosaisches (diesmal im nicht fachlichen Sinne), auf Alltag - und wird zu Lyrik. Dass das sogar - oder gerade?! - bei einem scheinbar so wenig poetischen Instrument wie einem Nagelzwicker zumindest für mein Lesen funktioniert, ist überraschend - und stimmt mich irgendwie froh. Aus Liebe zur Sprache.

Herzlich
klara

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 29.06.2016, 09:45

Vielen Dank, Klara, für deinen Kommentar.

Ich war verreist, daher miene verspätete Antwort.

Wirklich interessant finde ich deine Analyse meines Schreibens, erinnert mich an Borges, der so ähnlich reflektiert, und erbarmungslos mit sich selbst.

Man hat längst auf Reim und Klang verzichtet, man schreibt keine Oden, geschweige denn Balladen mehr, aber im Grunde träumt man doch weiter davon, irgendwie was meisterhaftes zu produzieren.

Vielleicht ist es ein Grundfehler der Wunsch, etwas perfektes, vollkommenes zu kreieren.

Manchmal geschiet das, wie bei großen Symphonien, oder bei manchen Schlagern, die Leute stehen auf und klatschen unaufhörlich, und dann kommen sie auf die Straße, und was bleibt?

Wäre es nicht eine Alternative, bewusst auf Höhepunkte zu verzichten?

Als Dank für deinen Kommentar werde ich dir ein ("nennen wir es Gedicht", wie Borges sagt) gleich widmen.

Ich danke dir vom Herzen

Carlos


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 12 Gäste