wir flüchten

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Estragon

Beitragvon Estragon » 28.05.2016, 16:46

wir flüchten vor unserem diebstahl
unsere augen sehen
aber sie erkennen nicht
du bist in der stadt geboren
du träumst: ideen blasen sich auf
die liebste liegt neben dir
sie schläft
ihre augen sind im halbmond
sie verwechselt die nacht der abschiede
mit jenen der umarmungen
sie kehrt den mond um
was sie verkehrt macht weißt du nicht
wir flüchten vor den bleistiften
vor den ersten
die unsere augen kürzen
die sagen
ihr könnt nicht alles erfassen
du spülst die gläser in ein geheimnis
vielleicht erkennst du die zukunft zu früh
du schließt dich in der nacht ein
wenn du erwachst hört sie dich
aber sie erkennt dich nicht mehr

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 29.05.2016, 11:46

Sehr schön, wenn man es einfach wirken lässt, ohne im Nachhinein mit der Lupe hinzuschauen und es auseinanderzupflücken.
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Niko

Beitragvon Niko » 29.05.2016, 11:52

Das ist wirklich, wirklich sehr gut! Da sitzt jede Zeile. Eines jener Gedichte, wo man sich sagt, es ist wie ein tiefer Atemzug auf meiner lieblingsinsel!

Danke fürs teilhaben lassen

Niko

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Werner
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Registriert: 08.05.2014
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Beitragvon Werner » 29.05.2016, 15:20

schön

nur eines:

entweder!
sie verwechselt die nacht der abschiede
mit jener der umarmungen

oder!
sie verwechselt die nächte der abschiede
mit jenen der umarmungen

mir würde hier der plural "nächte" mehr taugen.

Klimperer

Beitragvon Klimperer » 30.05.2016, 10:59

Gut beobachtet, Werner. Ganz ohne Lupe geht doch nicht.

Ich frage mich, ob das Besagte nicht im Singular mehr Kraft hätte.


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