Zeitstenogramm (Stanze)

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Rita

Beitragvon Rita » 29.01.2015, 18:24

Ach, zeigte mir die Uhr doch meine Zeit,
die wäre dann vielleicht noch zu ertragen.
Ich dächte dann, wer weiß, mit Dankbarkeit
an sie zurück, an ihre dummen Plagen,
ich läge dann mit ihr nicht mehr im Streit
und haderte nicht mehr mit tausend Fragen.
Doch zeigt mir meine Uhr nur Stunden an,
sie tut, was Ihres ist und was sie kann.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 30.01.2015, 08:31

Der Bezug in Zeile 2 ist unklar. D. h. überhaupt, durch den ganzen Text, wabern die Bezüge zwischen Uhr und Zeit.

Und die "dummen Plagen" klingen wirklich reimgeschuldet.

Nach meinem Dafürhalten solltest Du nochmal dran, Rita.

Rita

Beitragvon Rita » 30.01.2015, 09:38

Aber ja doch, du hast recht. Dass ich das übersehen konnte, Uhr und Zeit in Zusammenhang zu bringen, dauernd rede ich davon, und dann noch die "dummen Plagen", es gibt nämlich auch gescheite Plagen bzw. übergescheite Plagen. Aber reimgeschuldet ist das ganze Gedicht, das hast du wohl in deinem Eifer dummerweise übersehen? Und danke für den Rat, ich werde mich hinsetzen, in mich gehen und dann aber frisch ans Werk! Wenn ich dich nicht hätte, Amanita.

Ciao, Rita

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Beitragvon Amanita » 30.01.2015, 09:55

Zuviel der Ehre (ganz bescheiden ... :pfeifen: ) - die - Kommentare der - anderen hier sind Dir ja auch nicht wichtig. Jedenfalls wenn sie einen Hauch von Kritik enthalten.

Du weißt aber schon, dass ich die grammatischen Bezüge meine, das zu Missverständnissen führende doppelte "sie"?
Aber egal, die zweite Zeile geht für mich in keinem Fall auf. Warum sollte eine Uhr, die mir "meine Zeit" zeigt, besser zu ertragen sein? Warum müsste ich dann dankbarer sein? Oder warum sollte "meine Zeit", wenn sie auf meiner Uhr ablesbar wäre, besser zu ertragen sein?

René

Beitragvon René » 30.01.2015, 10:30

Amanita hat geschrieben:Aber egal, die zweite Zeile geht für mich in keinem Fall auf. Warum sollte eine Uhr, die mir "meine Zeit" zeigt, besser zu ertragen sein? Warum müsste ich dann dankbarer sein? Oder warum sollte "meine Zeit", wenn sie auf meiner Uhr ablesbar wäre, besser zu ertragen sein?

Hallo,

nicht die Uhr wäre besser zu ertragen, sondern, sollte die Uhr die restliche Lebensdauer anzeigen, so wäre einerseits diese vielleicht zu ertragen, andererseits würde man die vergangene Zeit eher mit Dankbarkeit betrachten und seinen Frieden finden...
Falls ich daneben liegen sollte, nichts für ungut, dann muss ich doch meine Kaffeesorte schleunigst wechseln :icon_redface:

Gruß
René

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Beitragvon Amanita » 30.01.2015, 10:40

Die Alternative steht ja im letzten Satz (von mir). Wir wissen doch alle, dass irgendwann Schluss ist mit uns. Was würde es erleichtern, eine Uhr zu besitzen, die anzeigt, dass das schon übermorgen ist?

René

Beitragvon René » 30.01.2015, 11:14

Amanita hat geschrieben: Was würde es erleichtern, eine Uhr zu besitzen, die anzeigt, dass das schon übermorgen ist?

Wenn diese Uhr es urplötzlich täte, wäre die "Reaktionszeit" bis übermorgen zugegeben etwas kurz. Jeder mag das dann anders empfinden, vielleicht von geschockt (Gesunder) bis erleichtert (Todkranker).
Selbst wenn die Uhr die Lebensdauer seit der Geburt anzeigen würde, mal 21, .. 52... oder 89 Jahre, so ist es für mich schwer vorstellbar, daß dieses Wissen allgemein als Erleichterung empfunden werden kann. Nachvollziehbarer wäre die Überlegung, ob man vielleicht ein anderer Mensch geworden wäre, im Sinne von ein ganz anderes Leben geführt hätte.. usw.

Gruß
René

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Beitragvon Zefira » 30.01.2015, 11:23

Ich glaube, wenn jeder wüsste, welche Zeit ihm noch zugemessen ist, gäbe es noch mehr Sturheit und blinden Egoismus. Die Einstellung "nach mir die Sintflut" dürfte um so krasser werden, je bewusster dem Menschen ist, wie wenig Zeit er noch hat. (In diesem Zusammenhang verweise ich auf Brecht: "Dauerten wir unendlich ...", Text z.B. hier - und auf Tolkien, bei dem die Elben in ihrer perfekten Welt gewändertragend durch Hallen wandeln, während die sterblichen Menschen "allen voran nach Macht streben", wie es im Prolog des Films heißt.
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

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Beitragvon Amanita » 30.01.2015, 11:25

Ja, genau, Zefira: Wenn sowieso alles egal ist ... und warum sollte das dann im Rückblick dankbarer machen?

René

Beitragvon René » 30.01.2015, 12:18

Ich meine, "wer weiß" verhindert, daß die Dankbarkeit einbetoniert wird. Sie befindet sich eher auf einer Skala, wobei das Lyrich noch unsicher ist, wo es den Schieber einrasten lassen soll. Rückblickend selbst auf negative Zeiten kann (muss aber nicht) die Dankbarkeit "justiert" werden...

Gruß
René

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Beitragvon Amanita » 30.01.2015, 12:50

Ja, das stimmt. Dennoch ist mir ein "Hilfsmittel" wie eine lesbare Lebensuhr ein zu heftiges, um Dankbarkeit zu erhoffen.

Rita

Beitragvon Rita » 30.01.2015, 14:08

Renè

danke für deinen Kommentar. Du siehst das schon richtig. Aber es geht nicht um die Lebenszeit, sondern die Zeit, in der das Ich lebt. Kleiner Unterschied. Ohne jeden Grund, dieser Zeit dankbar zu sein, hofft das Ich, sie besser zu verstehen, mit ihr nicht mehr im Streit zu liegen, ihre dummen Plagen leichter zu ertragen, wenn die Uhr sie anzeigen würde, was natürlich ein Trugschluss ist, aber schön wäre es, gäbe es so eine Uhr.

Eine Stanze hat nur acht Verse, man muss sich auf ein überschaubares Thema konzentrieren. Der Reiz der Stanze liegt darin, dass sie dreimal zwei Reime hat sowie einen Schlussreim, und darin liegt natürlich die Schwierigkeit für den Verfasser.

Danke, Rene.

Ciao, Rita

René

Beitragvon René » 30.01.2015, 17:09

Rita hat geschrieben: Aber es geht nicht um die Lebenszeit, sondern die Zeit, in der das Ich lebt. Kleiner Unterschied. Ohne jeden Grund, dieser Zeit dankbar zu sein, hofft das Ich, sie besser zu verstehen, mit ihr nicht mehr im Streit zu liegen, ihre dummen Plagen leichter zu ertragen, wenn die Uhr sie anzeigen würde, was natürlich ein Trugschluss ist, aber schön wäre es, gäbe es so eine Uhr.

Hm, wenn es weniger um die Lebenszeit in ihrer Ganzheit geht, auch nicht allzu sehr ums Jetzt als Augenblick, so leite ich aus den neuen Hinweisen ab, daß sich das Lyrich mitten im Prozess des Älterwerdens befindet. Somit kann ich die Idee der Wunderuhr in Verbindung mit den "dummen Plagen" besser nachvollziehen.
Danke Rita!

Gruß
René


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