Die große Versuchung

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Rita

Beitragvon Rita » 27.01.2015, 05:38

Die große Versuchung

der Dichter, Wahrheit zu schreiben
das, was sich hinter geschminkten
Mäulern verbirgt; wer Wahrheit schreibt
weiß es zu gut, er muss bezahlen
Dennoch Wahrheit, doch ja
es gibt sie, die Feuilletons bezweifeln
dies; unspektakulär kommt sie
zwischen den Zeilen, manchmal
in einem beiläufigen Vers eines
zufälligen Gedichts

Niko

Beitragvon Niko » 27.01.2015, 12:31

mit der wahrheit ist es so eine sache, rita. es gibt nicht die eine wahrheit. jeder hat eine andere.

regt zum nachdenken an.

beste grüße - niko

Rita

Beitragvon Rita » 27.01.2015, 12:42

Ja, da hast du recht, jeder hat seine Wahrheit, die Maus die ihre, die Katze ebenfalls ihre, das sind ihre subjektiven Wahrheiten. Aber es gibt die objektive Wahrheit, die unabhängig von uns existiert. Und um die geht es in diesem Gedicht.

Ciao, Rita

pjesma

Beitragvon pjesma » 28.01.2015, 01:16

was ist die objektive wahrheit die katze UND die maus vereint? außer- die würme?

Rita

Beitragvon Rita » 28.01.2015, 05:24

Pjesma,

es ist doch ganz einfach, die objektive Wahrheit herauszufinden. Mal ein Beispiel:
Die Sonne scheint, die Straße ist hell. Wenn du aber dir einredest, die Sonne scheine nicht, die Straße sei dunkel, weil du zum Beispiel einen schlechten Tag hast, alles erscheint dir dunkel, es folglich also deine Wahrheit ist, die Straße ist dunkel, sie kann gar nicht hell sein - ist sie dann wirklich dunkel? Ich denke, du stimmst mir zu, dass sie es nicht, sondern die Wahrheit ist, sie ist hell. Du hast also eine Wahrheit für dich, deine subjektive Wahrheit. Befreit von deiner subjektiven Wahrheit existiert aber die objekte Wahrheit der Straße unabhängig von deinem Denken: Sie ist hell, weil die Sonne scheint. Um die Frage der Wahrheit drehen sich viele philosophische Überlegungen, ich habe versucht, die materialistische Sicht zu erklären. Die idealistische Sicht (also der Gegenpol der materialistischen) behauptet nun aber, die Straße sei dunkel, weil du sie so siehst, sie besteht also auf der subjektiven Einsicht des Menschen. Entscheide selbst: Ist die Straße in diesem Beispiel in Wahrheit dunkel oder hell? Dann wirst du wissen, welcher Erkenntnis du zuneigst. Die Wissenschaft übrigens würde ohne die materialistische Sicht zu keinerlei Erkenntnissen gelangen. Ein Beispiel wäre Galilei, der, hätte er auf den Glaubenssätzen der Kirche (die auf der idealistischen Sicht beruhen) bestanden, niemals mit seinem Fernrohr entdeckt hätte, dass sich die Erde um die Sonne dreht, und so die Berechnungen Keplers hätte beweisen können, und wir würden heute noch denken, die Erde sei eine Scheibe, die Sonne drehe sich um die Erde.

Um aber auf die Katze und die Maus zurückzukommen: Die Maus befindet sich in einer anderen Situation als die Katze, sie muss also eine andere, ihre eigene Sicht auf ihre Situation (philosophisch das Sein) haben als die Katze. Was aber die Würmer angeht, so interessieren sich weder Katze noch Maus für sie, sie sind also subjektiv für sie nicht vorhanden, existieren objektiv aber.

Alles klar?

Ciao, Rita

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 28.01.2015, 10:37

Mein Kommentar in dieser Diskussion (an niemanden persönlich addressiert):

Es gibt eine -- eine -- objektive Wahrheit. Der Mensch kann sie nicht mit Sicherheit wissen, er kann nur vermuten.

Alles menschliche Wissen ist Vermutungswissen. Selbst Descartes' "ich denke, also bin ich" ist -- anders als er sich einredete -- nicht gewiss, sondern auch nur eine Vermutung: denn das "Ich" könnte etwas anderes sein als dasjenige, was sein Eindruck ihm vorkaukelt; und das Denken könnte ein Vorgang sein, dass mit einem "selbstständigen" Vorgang nichts zu tun hat. Außerdem benötigt ein Vorgang Zeit. "Zeit" ist eine vom Menschen konstruierte Kategorie. Wer weiß, was wirklich dahinter steckt?

Es gibt in all dieser Vermuterei allerdings eine Ausnahme: Eine -- eine einzige -- objektiv wahre Aussage kann der Mensch machen. Dazu muss er Descartes' Aussage reduzieren:

Aus "ich denke, also bin ich" wird: "Etwas denkt, also ist etwas."
Weiter destilliert: "Etwas ist, also ist etwas."
Die "Also"-Folgerung kann sich nicht selbst beweisen. Die finale Destillation: "Etwas ist." Das ist gewiss. Nichts ist nicht. Das ist der einzige Schnippsel der objektiven Wahrheit, den wir Subjekte sicher wissen können. Der Wissensbegriff per se mag auch konstruiert sein, aber er ist etwas. Er ist nicht nicht. Und das "ist" ist punktuell, es benötigt keine Zeit.

(Dasselbe gilt für die Variante "Ich fühle, also bin ich." Fühlen könnte ein vorgekaultes Phänomen sein.)

Manche Philosophen der letzten 50 Jahre behaupteten (oder tun es immer noch), es könne keine objektive Wahrheit geben. Das ist falsch. Ich füge hier bewusst nicht ein "meines Erachtens" hinzu. Das ist objektiv falsch. Außerdem -- das sage ich aus aktuellem Anlass --, wenn es keine objektive Wahrheit gäbe, wenn jedes subjektive Wissen als "Wahrheit" definiert würde, könnte jeder beispielsweise behaupten, die Aussage "es gab keinen Holocaust" sei wahr. So eine Verleugnung ist keine Wahrheit, auch keine subjektive Wahrheit. Es ist eine bloße Aussage. Es ist nicht einmal ein Gefühl. Wahr kann hier nur sein, dass jemand absichtlich lügt, oder die Geschichte nicht erlebt oder nicht gelesen hat (Vermutungswissen).

Eine Aussage kann nur entweder wahr oder falsch sein, -- nicht beides zugleich. Schon allein deshalb kann es nicht mehrere sich widersprechende Wahrheiten zugleich geben.


Ahoy

P.


Übrigens, die Wissenschaft liefert keine Wahrheiten, sie liefert Theorien. Kein serlöser Wissenschaftler würde jemals seine Entdeckungen als Wahrheiten verkünden, sondern immer als vorläufiges Ergebnis seiner Forschungen. Diese Ergebnisse sind jederzeit anfechtbar, und Überprüfungen sind ausdrücklich erwünscht. Das ist der Unterschied zwischen Wissenschaft und Dogmatismus.

Rita

Beitragvon Rita » 28.01.2015, 11:48

Pjotr,

im wesentlichen hast du recht, es gibt nur eine Wahrheit, die objektiv ist, aber viele subjektive Wahrheiten, die interessengeleitet sind, die aber nichtsdestotrotz von Menschen als d i e Wahrheit vertreten wird - aus bestimmten Interessen heraus, folglich sind sie nicht mehr die objektive Wahrheit, sondern das Gegenteil, auch wenn es eine teilweise Übereinstimmung gibt.

Was die Wissenschaft angeht, so liefert sie natürlich Theorien, die zu Erkenntnissen führen können. Wobei du hier den philosophischen Terminus Sein für Wahrheit = Erkenntnisse einsetzen musst. Dogmatismus ist eine andere Kategorie und hat mit der objektiven Wahrheit nichts zu tun.

Aber was hat die nun geklärte Wahrheit, die Pjesma sicher etwas verwirrend vorkommt, mit meinem Text zu tun?

Ciao, Rita

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Beitragvon Pjotr » 28.01.2015, 12:34

Rita hat geschrieben:... es gibt nur eine Wahrheit, die objektiv ist, aber viele subjektive Wahrheiten, die interessengeleitet sind, ...

"Subjektive Wahrheiten" ist ein sich widersprechender Ausdruck.

Genaugenommen ist "objekte Wahrheit" eine Tautologie. Es reicht zu sagen: die Wahrheit. Der Begriff impliziert Objektivität.

"Subjektive Wahrheiten" gibt es so wenig wie trockene Nässe. Wenn einer sagt, den Holocaust hätte es nie gegeben, dann ist das weder eine Wahrheit noch eine subjektive Wahrheit.

Empfindungen können allerdings wahr sein. Wenn Traurigkeit ist, -- also wenn irgendetwas traurig ist -- dann ist das wahr. Einfach nur wahr. Ohne den Zusatz "subjektiv" oder "objektiv". Es ist wahr. Nachweislich wahr für dieses Irgendetwas in welchem eine Traurigkeitsempfindung ist, egal ob das ein Traum ist oder nicht, ob Illusion oder nicht. Nachweislich wahr ist das allerdings nicht für andere "Irgendetwasse" (vorausgesetzt, sie gibt es), sie können nicht sicher wissen, ob irgendetwas anderes traurig ist.


P.

Rita

Beitragvon Rita » 28.01.2015, 12:46

Gut, das wäre geklärt, Pjotr. Und nun zum Text.

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Beitragvon Pjotr » 28.01.2015, 12:57

Und nun zur Form, oder was? Der Inhalt ist egal?

Rita

Beitragvon Rita » 28.01.2015, 14:01

Ich weiß ja, Pjotr, dass du da nicht richtig durchsiehst, sonst hätte ich schon längst einen Text von dir gefunden. Nur zur Information: Ein Text besteht aus Inhalt und Form.

Ciao, Rita

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Beitragvon Amanita » 28.01.2015, 14:16

Och nö, geht das schon wieder los?

Rita, warum kappst Du jedes Gespräch, das sich aus Deinen Texten ergibt? Ich kann die Watsch'n, dass hier irgendwer nicht durchblickt, nicht mehr hören.

P. S. Wollte vorhin was Inhaltsbezogenes posten, der ganze Text ist aber abhanden gekommen (meinetwegen mangels technischem Durchblick meinerseits), war wohl auch besser so.

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Beitragvon Pjotr » 28.01.2015, 15:48

Rita hat geschrieben:Ein Text besteht aus Inhalt und Form.

Eben. Meine Kommentare bezogen sich auf die vorausgehende Inhaltsdiskussion. Da Du die abwürgst, erwünschst Du Dir offenbar eine Formdiskussion.

(Was die persönlichen Leistungsbewertungen betrifft, die Du jedem Diskutanten mitgibst: die halte ich, aus pädagogischer Sicht, für problematisch. Das sollten wir beim nächsten Elternabend einmal zur Sprache bringen.)

Rita

Beitragvon Rita » 28.01.2015, 16:45

Pjotr,

wenn du nicht willst, ich kann dich nicht zwingen.

Ciao, Rita


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