ein wort an mich selbst

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Niko

Beitragvon Niko » 18.01.2015, 09:06

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Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 18.01.2015, 10:31

ein wort, vielleicht auch ein spruch an mich selbst. ich nehme dieses gedicht jetzt zum anlass, meine interpretations- und kommentierhemmungen loszuwerden, und einfach einmal darauf los zu reden, zu schreiben, zu assozieren. und dir zu widersprechen, was wir im stich lassen, haben wir nicht verloren, das gerade verfolgt uns und dreht sich und uns in richtungen, die wir beeinflussen können, weshalb wir um so heftiger nach einem fremden willen herumgewirbelt werden.
vergessen und verdrängen als brüder, gar zwillinge, die nur einander verstehen? ich weiß nicht. sind das nicht vielmehr genuine gegensatzpaare, etwas das einander so gar nicht entspricht, versteht? denn das verdrängen ist ja der versuch eines aktiven vergessens, das eben darum nicht gelingt.
und wer sind die untermieter? und wovon reden sie?
ich mag das gedicht, es klingt schön, es regt mich zum widerspruch an, es birgt unverständnis, wirft fragen auf, aber es hat, zumindest in meiner leseart, auch aussagen, die so einfach nicht stimmen, und auch nicht stimmig sind.
xanthi

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 18.01.2015, 12:17

Vergessen und Verdrängen

Sind das nun Zwillinge oder ein Gegensatzpaar?

Es gibt das aktive Verdrängen, wo ein Thema am Familientisch zum Tabu erklärt wird. Da greift Xanthis Auffassung eines Gegensatzpaares die sich ausschließen, wie die Aufforderung jetzt mal nicht an rosa Elefanten zu denken.

Es gibt aber auch das unbewusste Verdrängen nach wirklich traumatischen Erlebnissen, wo eine Erinnerung tatsächlich aus dem Bewusstsein verschwindet und dennoch nicht das gleiche ist wie Vergessen.

Es kommt also sehr darauf an, auf welche konkrete Situation wir hier assoziieren.

Die Untermieter verstehe ich hier als Stimmen, die gelegentlich aus dem Unterbewusstsein heraufsteigen, vielleicht nur Satzfetzen, aber allmählich drängt auch das unbewusst verdrängte wieder an die Oberfläche.

In dieser Lesart finde ich den Text sehr stimmig.

Gruß
ZaunköniG
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Xanthippe
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Beitragvon Xanthippe » 18.01.2015, 13:01

stimmt, Zaunkönig, das war kurzsichtig von mir. Mit dieser Leseart ist es tatsächlich stimmig und auch die Untermieter machen auf einmal Sinn.
Danke für die Erweiterung des Horizonts.

Niko

Beitragvon Niko » 18.01.2015, 19:55

Ja. es ist wirklich so angelegt, wie von Zaunkönig beschrieben. Danke dafür. Ich freu mich, dass der text ankommt bei euch!

Beste Grüße - Niko

Rita

Beitragvon Rita » 19.01.2015, 07:28

Lieber Niko,

ein Gedicht, das zu denken geben könnte, besonders die Zwillinge, die nur sich selbst verstehen. Da kommen mir gewisse Assoziationen, ich lese das als Kritik an geschlossenenen Kreisen.

Die Untermieter können rein logisch aber nicht die Metapher für das Unterbewusstsein sein, wie oben geschrieben wird, denn das LI distanziert sich von den Untermietern, und das ist nun mal nicht möglich, die Persönlichkeit wird vom Unterbewusstsein gesteuert. Ich interpretiere sie vielmehr als flüchtige, eher unwichtige Leute, die man reden lässt und über die man sich auch ein bisschen ärgert, weil sie die vielen guten Taten negieren, auf die das LI sehr stolz ist.

Ein bisschen komme ich mit deiner Behauptung von der stillstehenden Zeit nicht klar. Es ist das objektive Zeichen von Zeit, dass sie nie stillsteht, lediglich subjektiv kann man den Eindruck gewinnen, sie tritt auf der Stelle, es verändere sich nichts. Insofern empfinde ich gerade die erste Strophe, in der das LI sich beklagt, als etwas zu verkürzt.

Der Text gibt sich den Anschein von einer gewissen Kleingeisterphilosophie, der ja die Kurzsichtigkeit anhaftet. Ja, so denken Leute, und dies in deinem Gedicht darzustellen scheint mir gelungen.

Ciao, Rita

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 19.01.2015, 10:44

mal abgesehen davon dass Lyrische Bilder nicht immer logisch sein müssen - Träume sind es auch nicht: Die Untermieter haben dennoch ihre Logik, wenn man die Stimmen als abgespaltene Persönlichkeit(en) betrachtet. Bei Verdrängten Erlebnissen ist das für mich stimmig. Ausserdem kennen wir alle die berühmten Engelchen und Teufelchen die auf der Schulter sitzen und uns beeinflussen wollen. Natürlich kommen beide Stimmen aus einem selbst, aber verschiedene Sichtweisen auch verschieden zu personalisieren ist ein klassischer Kunstgriff. Wundert mich, dass du das nicht kennst, Rita, wo du doch so belesen bist.

Ciao
ZaunköniG
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nera
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Beitragvon nera » 19.01.2015, 11:53

das ist jetzt ja wirklich spannend. der autor bestätigt die interpretation zweier leser und eine dritter leser widerspricht dem autor.

"Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,..."

Niko

Beitragvon Niko » 19.01.2015, 15:06

danke für deine reflektion und durchaus aufschlussreichen kommentar rita!
dass dir die stillstehende zeit fremd ist, verwundert mich jetzt doch ziemlich! ist sie doch schon nahezu ein abgegriffenes lyrisches bild, ja quasi ein geflügelter poetischer begriff in aller munde.
ich glaube zu verstehen, was du mir mit kleingeistig und kurzsichtigkeit versuchst, zu sagen, rita.....-ich lass es mal so stehen, wenn's recht ist. denn wichtig ist mir - wie wohl jedem autor - dass der leser sein für sich schlüssiges bild zusammen bekommt. das scheint ja auch bei dir der fall zu sein. das freut mich um so mehr!

beste grüße - niko


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