Skizze - Heiligabend

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 23.12.2014, 22:24

Der Heiligabend kommt doch ungelegen -
Was schenkt man nur? Hier steht er: kalt und steif,
nur ein elektrischer Kometenschweif
erwärmt zum Schein den feinen Nieselregen.

"Last Christmas" schrammelt 's von den Glühweinständen
und er erwischt sich, wie er's leise summt,
obwohl er's gar nicht mag, und dick vermummt
die Losverkäufer ihre Zeit verschwenden.

Die Weihnachtsmänner der Verkehrsbetriebe
beschwör'n das Schöne, Leckere und Gute
und irgendwo im festlichen Geschiebe
in dieser schrillen Konsumentenwelt
erhascht ihn doch ein Lächeln, denn ihm fällt
ein Kinderlachen zu mit Schokoschnute.
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

Rita

Beitragvon Rita » 27.01.2015, 11:24

ZaunköniG

nun habe ich doch ein Gedicht von dir gefunden, und es ist leidlich sauber geschrieben und liest sich nicht unangenehm, es hat den Ton weihnachtlichen Treibens in den Straßen. Etwas irritierend, weil die Einheitlichkeit der beiden ersten Strophen mit umarmendem durchbrochen wird in der 3. Strophe ohne ersichtlichen Grund. So ganz gern stehe ich auch nicht auf dem häufigen zu 's verkürzten es, das macht ein wenig den Eindruck, dass da etwas mit Gewalt das Metrum eingehalten werden soll. Ganz erklärt sich mir auch nicht das "er" - der Weihnachtsmann oder wer? In der zweiten Strophe erschließt sich mir nicht, warum du eine Inversion einsetzt, und dass in der ersten Strophe der Kometenschweif den feinen Nieselregen erwärmt, erscheint mir nicht logisch. Insgesamt ist mein Eindruck, dass dir das Reimgedicht noch einige Mühe bereitet, was aber dem allgemeinen Eindruck keinen großen Abbruch tut, der Nichtreimer wird diese von mir angeführten Dinge gar nicht bemerken. Nur, das kann nicht der Maßstab sein.

Ciao, Rita

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 27.01.2015, 15:36

Rita hat geschrieben:Etwas irritierend, weil die Einheitlichkeit der beiden ersten Strophen mit umarmendem durchbrochen wird in der 3. Strophe ohne ersichtlichen Grund.


Braucht es einen Grund? Beim Sonett hat schon der Meister selbst (ich beziehe mich hier auf Petrarca) verschiedene Schemata benutzt, inzwischen ist es bei den Terzinen beinahe völlig freigestellt.
Dass nicht das selbe Schema verwendet wird wie in den Quartetten, ergibt sich schon daraus, dass die Terzinen um eine Zeile kürzer sind. Dies wiederum ist ein Charakteristikum des Sonetts seit Anbeginn. Es gewinnt seine Dynamik ja gerade aus seinem asymetrischen Aufbau.


Rita hat geschrieben:So ganz gern stehe ich auch nicht auf dem häufigen zu 's verkürzten es, das macht ein wenig den Eindruck, dass da etwas mit Gewalt das Metrum eingehalten werden soll.



Du hattest zu einem anderen Text einmal angemerkt, dass du Klammern nicht magst, im Grunde aus typografischen Gründen, wenn ich dich richtig verstanden habe. Mit den Apostrophs geht es mir ähnlich. Im Druckbild sind sie wahrlich keine Augenweide. Ich habe aber, wie du an deinem Text schon feststellen musstest eine andere Vorstellung von "Lyrischer Sprache". Es gibt zwar auch Gedichte von mir die sich Klanglich an Rilke oder anderen Großen unserer Zunft orientieren. Grundsätzlich finde ich umgangssprachliche Wendungen aber nicht nur legitim, sondern habe es mir in jüngerer Zeit geradezu zum Ziel gesetzt, der Jetztsprachje auf der Straße näherzukommen. Eine Lyrische Überhöhung halte ich meinem Thema nicht für angemessen. Es geht mir nicht darum die Heiligkeit des Weihnachtsfestes zu unterstreichen.

Rita hat geschrieben:Ganz erklärt sich mir auch nicht das "er" - der Weihnachtsmann oder wer?


"Er" ist einfach ein anonymer Innenstadtbesucher auf der Suche nach einem Last-Minute-Geschenk. Er ist es also, der die Frage "Was schenkt man nur" gestellt hat. Ich hätte gedacht, dass das eindeutig wäre. An dieser stelle wäre vielleicht eine Zweit- oder Drittmeinung hilfreich.

Rita hat geschrieben:In der zweiten Strophe erschließt sich mir nicht, warum du eine Inversion einsetzt, ...

Hier hast du mich erwischt. Der Grund dürfte klar sein: Um die Reimwörter an die richtige Stelle zu bekommen. Inversionen sind zwar, genau wie Ellipsen grammatisch möglich und üblich, aber im Grunde nur Notlösungen um anderen Stilmitteln zu ihrem Auftritt zu verhelfen.

Rita hat geschrieben:und dass in der ersten Strophe der Kometenschweif den feinen Nieselregen erwärmt, erscheint mir nicht logisch.


Der Kometenschweif erwärmt ihn ja auch nur zum Schein, - durch die warmen Farben seiner Lichter.

Rita hat geschrieben:Insgesamt ist mein Eindruck, dass dir das Reimgedicht noch einige Mühe bereitet, was aber dem allgemeinen Eindruck keinen großen Abbruch tut, der Nichtreimer wird diese von mir angeführten Dinge gar nicht bemerken. Nur, das kann nicht der Maßstab sein.

Ciao, Rita


Dass dir die Verse etwas bemüht vorkommen wundert mich nicht; sie sind es. Ich zähle dies Sonett nicht zu meinen Schlechtesten aber auch noch längst nicht zu meinen besten.
Egal - hier geht es um diesen Text, nicht um mein sonstiges Oeuvre.

ich bedanke mich jedenfalls für deinen ausführlichen, und trotz aller vorangegangenen Nicklichkeiten sehr objektiven Kommentar.

Gruß
ZaunköniG
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck


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