Eigene Jahreszeit

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Jelena

Beitragvon Jelena » 19.09.2012, 07:31

Eigene Jahreszeit

Warum Schreiben?
Vielleicht ist es die Entscheidung
gegen Glück oder Unglück.

Ich kann die Bäume umdrehen
und mit den Kronen in die Erde stecken,
die Wurzeln nah bei den Sternen.

Während ich das schreibe,
suchen die Wildschweine Eicheln
unter dem Blätterwald.

Draußen ist es kalt.

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ferdi
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Beitragvon ferdi » 19.09.2012, 10:00

Hallo Jelena,

dieser Text gefällt mir in seiner betrachtenden Art; nur die letzte Zeile scheint mir seltsam unverbunden.

Ferdigruß!
Schäumend enthüpfte die Woge den schöngeglätteten Tannen. (Homer/Voß)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 19.09.2012, 13:06

Hallo Jelena,

das gefällt mir auch sehr. Die letzte Zeile geht für mich gut auf. Wo die dritte Strophe für mich noch schwankt, und so oder so gelesen und gesehen werden kann, erdet die letzte Strophe das Ganze. Kurz und kalt, dreht sie die Bäume wieder um.

Liebe Grüße
Flora

edit: Nur den Titel kann ich noch nicht so richtig einbinden?
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Jelena

Beitragvon Jelena » 19.09.2012, 20:38

Vielen Dank ihr Zwei,

ja der letzte Satz ist die Realität: Es ist kalt, die Bäume sind richtig herum.
Das Schreiben ist die Ausflucht in die eigene Jahreszeit. Die umgedeutete oder nicht-reale Welt.

So hatte ich das gedacht.

Die Wildschweine suchen ihr Glück auf ihre Art und Weise. Die dritte Strophe verweist auch auf die Tatsache, dass die Blätter der Baumkronen tatsächlich jedes Jahr zu Erde segeln. Sie mahnt auch zur Genügsamkeit und ironisiert den suchenden Kreativen.

Draußen will auch meinen: Ohne den Schutz der Blätter. Die Blätter sind mehrdeutig, erinnern an die Blätter als Schreibpapier.

Aber eigentlich kann ich mein Gedicht ja gar nicht interpretieren. Das müsst ihr schließlich tun...;-)

Herzlichst, Jelena.

Gerda

Beitragvon Gerda » 01.10.2012, 07:30

Liebe Jelena,

mir gefällt deine Betrachtung sehr gut.
Ich wusste sofort, wie du den Titel verstanden haben möchtest und auch die Idee, mit den Wurzeln näher bei den Sternen sein zu wollen ist für mich reizvoll ... heißt dies doch, dass es dem Lyrich darum geht, dem Leben vielleicht wieder mehr Freude abzugewinnen oder ihm ein wenig "Sternenglanz" zu geben. :-)


Liebe Grüße
Gerda


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