Marie

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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leonie
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Beitragvon leonie » 28.07.2012, 13:58

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 28.07.2012, 22:18

Hallo leonie, Du weißt ja, dass mich solche Themen auch immer wieder umtreiben, und so bin ich entsprechend empfänglich.

Die erste Strophe mag ich - sie klingt vielleicht etwas zu lapidar, allerdings damit auch irgendwie "zeitgemäß", also aktuell.

Dann, in der zweiten, stolpere ich über das doch. Aus der ersten Strophe wissen wir, dass Marie nicht leben durfte - und damit erübrigt sich m. E. dieses Doch.
Ferner meine ich, dass das Entziffern der Blutspur nicht so ganz aufgeht, denn es war ja erst eine winzige "Blutspur", die dann - durch die Leben-oder-Tod-Entscheidung - zu einer riesigen wurde. Nach der Entzifferung.
Ich glaube, diese zweite Strophe solltest Du noch einmal überarbeiten. (Das mikroskopisch passt m. E. auch nicht - liest sich zu altertümlich und kann vermutlich ganz getilgt werden).
Die 98 Prozent finde ich wiederum gut.

Die dritte Strophe könnte für mich schon nach Würde enden, denn um eine Todesstrafe handelt es sich ja nicht.

Nifl
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Beitragvon Nifl » 29.07.2012, 10:01

Hallo Leonie.

Schön die weißen Finger strecken aus den trockenen Ecken. Anklagen! Subtil manipulieren (Marie!) und dann rufen: Todesstrafenvollstrecker ihr!
Nein, dieses Polarisieren ist billig und gemein.
Das sollte nicht der Weg sein wie man Menschen überzeugen könnte, von einer Abtreibung zu lassen. So was schafft nur Gräben und Leid. (Wie soll sich jemand fühlen, der dies liest und sich dagegen entschieden hat?) Übler Text, der keine Verständigung sucht, sondern mit dem Teufel droht und verurteilt. Wenn du provozieren wolltest (wie ein Jugendlicher, der Hakenkreuze in den Bussitz schlitzt), ist dir das "Gedicht" allerdings vortrefflich gelungen.

Schönen Sonntag
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Gerda

Beitragvon Gerda » 29.07.2012, 10:08

Liebe leonie,

du hast dir ein schwieriges Thema für einen lyrischen Text gewählt, mit dem ich mich als Leserin schwer tue.
Eigentlich ist es nicht ein Thema, sondern eine ganze Reihe, wenn ich den Text hin und her wende.
Trisomie, Abtreibung, "Ab wann ist eine Mensch, ein Mensch", Selbstbestimmung/freier Wille, Todesstrafe, sind die sich mir aufgrängenden Themen.
Irritierend finde ich sogleich den Reim in Z1/2, Marie auf Trisomie. Er scheint bewusst gewählt zu sein, (das Kind könnte ja einen anderen Namen haben) was mir den Einstieg atmosphärisch vergällt.
Dann die Unterstellung des Wunsches "Vielleicht geboren zu werden". Kein kind, kann darüber entscheiden, ob es geboren wird oder nicht. Für mich klingt hier ein "Glaube" an der mit dem geltenden Weltbild für mich nicht zusammenpasst, es sei denn, man ist Kreationist. (Damit unterstelle ich nicht, dass du dieser Gruppe anghörst).
Kurz und gut, die erste Strophe überzeugt mich nicht. Sie animiert zu Spekulationen über den eigenen Willen im Mutterleib. Es bleibt im Diffusen im "Vielleicht". (Ich bin überfragt, ob es darüber bereits gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse gibt). Bei mir stößt diese auf Ablehnung.

Die zweite Strophe behandelt die wissenschaftliche Seite. Das Untersuchungsergebnis "rechtfertigt" die Abtreibung. Hier wird so negativ und überkritisch über die Möglichkeiten wissenschaftlicher Arbeit berichtet. Hier bleibt nichts offen. Dass diese Untersuchungen erfolgen, hat ja auch eine positive Seite, aber hier werde ich das Gefühl nicht los, als solle ich als Leserin in eine bestimmte Richtung gedrängt werden.
Natürlich hat eine Abtreibung nicht nur diese Seite, des "Messens, Zählens und Wiegens". Besonders nicht für die Eltern, die sich entscheiden müssen.
Dass aber die von dir sog. Gen-Profiler (der Begriff ist sehr sarkastisch), genauestens untersuchen, ist überaus wünschenswert, wie ich finde. Der Nutzen mag allerdings nur nebensächlich auch ideeller Natur sein, was ihn aber nicht weniger wertvoll macht.

Die letzte Strophe geht dann für mich ganz und gar nicht auf. Das Leben im Mutterleib ist eben nicht unantastar, auch wenn besonders die katholische Kirche und manch andere Glaubensrichtung dafür plädiert.
Wir haben nicht nur die Aufklärung hinter uns, sondern auch die Emanzipationsbewegung, in der die Frauen u. a. darauf bestanden haben, dass ihr Bauch ihnen gehört und für moderate Abtreibungsmöglichkeiten gekämpft haben. Dieses Wissen kann meines Erachtens nicht außen vor bleiben. Man kann hinterfragen, ob es so gut ist, wie es gekommen ist, ja, aber das tust du nicht, du stellst fest.
Die Frage, die sich mir stellt, ist jene, ob es nicht ein Segen ist, für möglicherweise überforderte Eltern, dass es den Weg der Abtreibung gibt.

Ich bin der Meinung, dass hier sehr viel mehr Diffenrenzierheit angebracht wäre.


Liebe Grüße
Gerda

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leonie
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Beitragvon leonie » 29.07.2012, 10:45

Hallo Ihr,

erstmal danke für Eure Rückmeldungen. Ja, ich habe mir schon gedacht, dass das schwierig ist mit dem Text, deshalb habe ich ihn eingestellt und auch versteckt.

Meine Zielrichtung ist eine andere als offensichtlich ankommt. Es geht mir um den gesellschaftlichen Aspekt: Wie erwünscht sind Kinder mit Behinderungen in der Gesellschaft? Unter welchen Druck geraten Eltern, wenn sie sich für eines entscheiden?
Was passiert mit einer Gesellschaft, in der es solche Kinder nicht mehr gibt? Man könnte sie ja auch als Bereicherung empfinden. Ich bin manchen begegnet, eine von ihnen strahlte so eine Lebensfreude und Wärme aus, mir würde etwas fehlen, wenn ich sie nciht getroffen hätte.

Ich hätte gedacht, dass das aus dem Text stärker hervorgeht, dass es gerade nicht darum geht, die Eltern "anzuklagen", (ich habe sie bewusst rausgelassen), sondern um eine Anfrage an die Gesellschaft. Aber das scheint nicht "rüberzukommen".

Natürlich nimmt der Text nur einen Aspekt auf. Ich fürchte aber, die Komplexität lässt sich nicht durch einen lyrischen Text abdecken. Und eine Abhandlung wollte ich dazu nicht schreiben. Es würde mich interessieren, ob jemand eine Möglichkeit sieht, so ein Thema überhaupt lyrisch anzugehen...

Liebe Grüße

leonie

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 29.07.2012, 10:54

Die Eltern sind Teil der Gesellschaft, die Anklage habe ich schon an alle gerichtet verstanden! Denn es ist ja tatsächlich so: Was machbar ist, muss letztlich gemacht werden - "Es ist doch heutzutage nicht mehr nötig, so ein Kind zu bekommen. Das kann man rechtzeitig testen lassen". Dieser Druck ist ohne Zweifel immens und erdrückt den Menschen mit seinen Entscheidungen.

Ich finde schon, dass das angesprochen ist. Aber es könnte entweder deutlich sarkastischer werden oder aber individueller. Dann, meine ich, geht es auch lyrisch.

pjesma

Beitragvon pjesma » 29.07.2012, 11:08

hallo leonie
ich denke dass diese thema schwierig ist um es lyrisch aufzuarbeiten (vielleicht nicht unmöglich?)...es benötigt, entweder viel mehr worte, prosa also...oder einen kryptischerer zugang...so wie es jetzt geworden ist, teile ich schon nifls meinung, es ist etwas pampflettmäsig geworden...dennoch, oT, möchte ich dich für diese paar zeilen herzlich drücken, weil auch mir die liebevolles und lebensbejahendes und freudiges dieser besonderer kinder begegnet ist. in ganzer seiner "aufgeklärheit" wäre die welt ein noch armseligeres wort ohne diesen weltbürger.

lg, pjesma

Gerda

Beitragvon Gerda » 29.07.2012, 11:09

Liebe leonie,

wie ich schrieb hakt es bei mir schon gleich zu Beginn beim Nennen des Namens der den Reim verursacht ... Ansonsten kann ich mir durchaus vorstellen, dass die Aufforderung an die Gesellschaft, über dein Thema nachzudenken in einer äußerst bissigen Form zu bewältigen wäre. Allerdings wäre Eingrenzung nötig. Nicht auch noch die "Todestrafe" unterbringen ...

Liebe Grüße
Gerda
Zuletzt geändert von Gerda am 29.07.2012, 11:10, insgesamt 1-mal geändert.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 29.07.2012, 11:10

Pamphlet darf es schon sein - nur dazu kommt es zu vorsichtig daher.

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leonie
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Beitragvon leonie » 29.07.2012, 11:57

Hallo Ihr,

das hilft mir schon mal sehr weiter zu sehen, wo es hakt und an welchen Stellen die Eindrücke entstehen, die ich so nicht haben wollte. Es zeigt mir auch, dass ich wohl einen ganz neuen Text schreiben müsste, was ich vielleicht auch einmal tun werde.

Diesen lasse ich zur Dokumentation trotzdem so hier stehen, auch wenn ich ihn als gescheitert ansehe.

Mir macht diese Entwicklung manchmal Angst. Denn es wird ja über kurz oder lang noch viel mehr an "Vorhersagen" möglich sein. Darf man geboren werden, wenn man mit 40 wahrscheinlich an Brustkrebs oder mit 50 an Depressionen erkranken wird? Wie alt muss man gesund und leistungsfähig bleiben, damit nicht "empfohlen" wird, eine Abtreibung vorzunehmen?

Wenn dann noch mit dem Wohl des ungeborenen Kindes argumentiert wird, kriege ich die Krise. Selbst Menschen, die schwerstbehindert sind, empfinden ihr eigenes Leben meistens als lebenswert. Ich habe auch schon manches durch und nie die Lebensfreude verloren.

Da möchte ich wirklich sagen: Dann, Leute, lasst uns ehrlich sein und als Gesellschaft sagen:

Maßgeblich für die Entscheidung ist nicht, wie der eigene sein Leben empfindet, sondern was er uns als Gesellschaft zumutet, weil er Zeit, Kraft und Geld anderer Menschen benötigen wird. Es geht dann schon darum, wer erwünscht ist und wer nicht. Um solche Fragen kann man sich nicht herumdrücken...


Liebe Grüße

leonie


Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die Kinder so willkommen heißt wie sie sind.
Nicht eine, die auf der einen Seite Eltern verurteilt, weil sie sich für eine Abtreibung entscheiden, aber in fast demselben Atemzug solchen, die sich für ihr behindertes Kind entscheiden, sagt: Das wäre doch heute nicht mehr nötig gewesen...

pjesma

Beitragvon pjesma » 29.07.2012, 12:14

seh ich genau so, leonie....mich beängstigt vor allem das meines empfindungs immer näherrückender vorgeschriebener "muss" etwas zu tun...obligation...ich durfte noch ablehnen dass man mir mit nadeln ins bauch stöchert und durfte noch sagen "ich nehme von alem herzen alles was kommt" ohne als verantwortungslose egoistin zu gelten...ob das für die frau meines sohnes noch gelten wird? mich ängstigt, dass wissenschaft, wirtschafft etc. (nicht nur religionen!), die regulative und meinungsbeherrschende rolle übernehmen und einem die persönliche freiheit nehmen selbst zu entscheiden...als geschenk geben sie dann "besten gewissen" in wessen namen angeblich gehandelt wird...(und nehmen die persönliche verantwortung für die entscheidung weg)... dankbare unmündigkeit nimmt platz ein...komisch dass sich noch keiner eine versicherung ausgedacht hat gegen fall der fälle dass einem trifft...ich hör schon auf...ist mir ein rotes tuch...
lg

Mucki
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Beitragvon Mucki » 29.07.2012, 12:54

Hallo leonie,
leonie hat geschrieben:Wie erwünscht sind Kinder mit Behinderungen in der Gesellschaft? Unter welchen Druck geraten Eltern, wenn sie sich für eines entscheiden?

das war deine Intention, doch das lese ich nicht aus deinen Zeilen heraus.

Die "Problempunkte" sind für mich die Namensnennung, das "die ... vielleicht ganz gerne geboren worden wäre" und die Todesstrafe.
Damit gehst du in meinen Augen am Thema vorbei. So ist es für mich eine ziemlich unbehaglich pauschalisierende Anklage.
leonie hat geschrieben:Es würde mich interessieren, ob jemand eine Möglichkeit sieht, so ein Thema überhaupt lyrisch anzugehen...

Vllt., indem du dich auf die Eltern und auf das geborene, behinderte Kind konzentrierst, die folgenden Umstände, das Erleben der Eltern mit dem Kind und den Druck thematisierst?

Liebe Grüße
Gabi

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Beitragvon leonie » 29.07.2012, 13:20

Liebe Gabi,

ja, ich denke, ich muss dann etwas Neues schreiben...Die Perspektive wechseln vielleicht. Ich schaue mal, es wird Zeit brauchen, denke ich.

Danke Dir und liebe Grüße

leonie

Sam

Beitragvon Sam » 29.07.2012, 17:42

(Sehr liebe Menschen haben ihr Bedauern darüber geäußert, dass ich mich hier schon lange nicht mehr zu Wort gemeldet habe. Deswegen mache ich einfach mal wieder einen Versuch...)


Hallo Leonie,

Es würde mich interessieren, ob jemand eine Möglichkeit sieht, so ein Thema überhaupt lyrisch anzugehen...


Natürlich kann man das. Aber es erfordert Mut und die Bereitschaft heftigen Widerspruch zu ertragen.

Gedichte über kontroverse Themen sind für mich immer dann ein Problem (bzw. sie gefallen mir in den meisten Fällen nicht) wenn sie argumentierend daherkommen, weil sie sprachlich auf Diskussionsniveau verbleiben. Das bewirkt bei mir, dass ich bei der Lektüre im Geiste schon die Gegenargumente formuliere.

Anders verhält es sich, wenn das Gedicht sich einen Raum schafft, in dem es unabhängig von vorherrschenden Meinungen bestehen kann, da es durch seine Sprache und nicht durch eine vertretene Meinung sein Existenzrecht behauptet.

Und je größer die Kontroverse, oder je heikler das Thema, desto wichtiger erscheint es mir, Begriffe zu verwenden, die möglichst wenig Balast an vorgefasster Meinung oder Urteil in sich tragen oder diese automatisch provozieren (es sei denn, man ist auf Provokation aus). Dann besteht vielleicht (natürlich nicht in allen Fällen und heftigen Widerspruch wird es auf alle Fälle geben) die Möglichkeit, dem Leser einen neuen, einen anderen und ganz eigenen, unvoreingenommenen Blickwinkel zu eröffnen.

Als Beispiel. Bäte man mich aufgrund deines Gedichtes das Thema anzugehen, so änderte ich das Wort "Todesstrafe" in "Lebensstrafe", und würde von diesem Begriff aus versuchen, den Faden zu entrollen.


Gruß

Sam


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