Beitragvon Gerda » 29.07.2012, 10:08
Liebe leonie,
du hast dir ein schwieriges Thema für einen lyrischen Text gewählt, mit dem ich mich als Leserin schwer tue.
Eigentlich ist es nicht ein Thema, sondern eine ganze Reihe, wenn ich den Text hin und her wende.
Trisomie, Abtreibung, "Ab wann ist eine Mensch, ein Mensch", Selbstbestimmung/freier Wille, Todesstrafe, sind die sich mir aufgrängenden Themen.
Irritierend finde ich sogleich den Reim in Z1/2, Marie auf Trisomie. Er scheint bewusst gewählt zu sein, (das Kind könnte ja einen anderen Namen haben) was mir den Einstieg atmosphärisch vergällt.
Dann die Unterstellung des Wunsches "Vielleicht geboren zu werden". Kein kind, kann darüber entscheiden, ob es geboren wird oder nicht. Für mich klingt hier ein "Glaube" an der mit dem geltenden Weltbild für mich nicht zusammenpasst, es sei denn, man ist Kreationist. (Damit unterstelle ich nicht, dass du dieser Gruppe anghörst).
Kurz und gut, die erste Strophe überzeugt mich nicht. Sie animiert zu Spekulationen über den eigenen Willen im Mutterleib. Es bleibt im Diffusen im "Vielleicht". (Ich bin überfragt, ob es darüber bereits gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse gibt). Bei mir stößt diese auf Ablehnung.
Die zweite Strophe behandelt die wissenschaftliche Seite. Das Untersuchungsergebnis "rechtfertigt" die Abtreibung. Hier wird so negativ und überkritisch über die Möglichkeiten wissenschaftlicher Arbeit berichtet. Hier bleibt nichts offen. Dass diese Untersuchungen erfolgen, hat ja auch eine positive Seite, aber hier werde ich das Gefühl nicht los, als solle ich als Leserin in eine bestimmte Richtung gedrängt werden.
Natürlich hat eine Abtreibung nicht nur diese Seite, des "Messens, Zählens und Wiegens". Besonders nicht für die Eltern, die sich entscheiden müssen.
Dass aber die von dir sog. Gen-Profiler (der Begriff ist sehr sarkastisch), genauestens untersuchen, ist überaus wünschenswert, wie ich finde. Der Nutzen mag allerdings nur nebensächlich auch ideeller Natur sein, was ihn aber nicht weniger wertvoll macht.
Die letzte Strophe geht dann für mich ganz und gar nicht auf. Das Leben im Mutterleib ist eben nicht unantastar, auch wenn besonders die katholische Kirche und manch andere Glaubensrichtung dafür plädiert.
Wir haben nicht nur die Aufklärung hinter uns, sondern auch die Emanzipationsbewegung, in der die Frauen u. a. darauf bestanden haben, dass ihr Bauch ihnen gehört und für moderate Abtreibungsmöglichkeiten gekämpft haben. Dieses Wissen kann meines Erachtens nicht außen vor bleiben. Man kann hinterfragen, ob es so gut ist, wie es gekommen ist, ja, aber das tust du nicht, du stellst fest.
Die Frage, die sich mir stellt, ist jene, ob es nicht ein Segen ist, für möglicherweise überforderte Eltern, dass es den Weg der Abtreibung gibt.
Ich bin der Meinung, dass hier sehr viel mehr Diffenrenzierheit angebracht wäre.
Liebe Grüße
Gerda