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Der Eyjafjallajökull streute
Verfasst: 26.04.2010, 18:33
von fenestra
Der Eyjafjallajökull streute ...
... auf die Häupter seiner Lieben
reichlich Asche. In Getrieben
gar nicht gut: Der Absturz droht!
Man erließ ein Flugverbot.
Viele tausend Flieger blieben
einfach in den Hangars liegen
und noch viel mehr TUIristen
harrten auf Mallorcas Pisten.
Merkels Delegation
strandete in Lissabon.
Hätte gern den Zug genommen
wär jedoch nicht weit gekommen
denn in Frankreich, man wird’s ahnen
streikten wieder mal die Bahnen!
Fluggesellschaft fand sinister
das Verhalten vom Minister.
Dieser aber sprach: ich wasche
meine Hände (nicht in Asche)
Eruptionen kommen halt
unverhofft und mit Gewalt.
Nur die Mauersegler flogen
wie es ihnen anerzogen
heimwärts in die Mauerlücken
ihre Nester zu bestücken.
Dieses Flugverbot war prima
fürs labile Weltenklima.
Stürmisch wirbelten die Lüfte -
Schwefelstaub und Frühlingsdüfte -
und die Sonne lachte kalt
in den roten Magmaspalt.
Verfasst: 26.04.2010, 21:50
von Max
Liebe Fenestra,
einige der Ideen in dem Text tragen für mich, ich könnte ihn mir gut als Glosse vorstellen ... als Humorgedicht (ich gebe zu, dass ich mit der Sparte sowieso meine Schwierigkeiten haben - es scheint genau eine Tonart zu geben, genau eine Art des Metrums) finde ich es schwierig, da ich mich dann an den sprachlichen Dingen wie einem Reim "sinister - Minister" hängen bleibe.
Liebe Grüße
Max
Verfasst: 27.04.2010, 22:22
von Quoth
Hier hat Fenestra, wenn ich Dich, lieber Max, darauf aufmerksam machen darf, als Kennerin der französischen Lyrik (und Frankreich wurde ja gerade im Zusammenhang mit Streiks angesprochen) einen jener in Frankreich nicht nur erlaubten, sondern geradezu typischen "rimes riches" verwandt, bei denen auch der Konsonant am Beginn der Reimsilbe mitreimt: Si-nister, Mi-nister - formidable, vraiment! Der lakonisch reimende Tonfall, in dem Du, Fenestra, Dich hier über das an sich bedrückende, ja, beängstigende Geschehen erheiterst, verrät die Evolutionistin, die aus der Distanz der ungeheuerlichen Natur (oder der "kalt lachenden Sonne") aufs angstvolle Gewimmel der Menschen schaut wie auf einen Ameisenhaufen ... Ich hab gerne mitgeschaut und -gelacht!
Verfasst: 27.04.2010, 22:42
von fenestra
Lieber Max,
auch ich habe überlegt, ob dieser Text in die Humor-Rubrik passt. Da in der Beschreibung dieser Rubrik auch etwas von Ironie und Satire steht, habe ich es gewagt. Sicher gibt es nicht nur diese Art schlicht gereimte Texte, um Humor in der Lyrik zu transportieren. Vielleicht landen aber gerade solche Reimgedichte eher hier, weil die Autoren sie selbst nicht ganz ernst nehmen - zumindest unter streng literarischen Kriterien? ;)
Übrigens: Bist du wirklich in Breizh? Gab es etwa einen Flieger von FMO?
Lieber Quoth,
danke, dass du meinen sinistren Reim derart veredelst - ich muss zugeben, dass ich ihn selbst auch ganz hübsch fand, jedenfalls besser als etwa "Ramsauer / sauer". Die Position des Betrachters in diesem Gedicht hast du vollkommen treffend charakterisiert.
Dank euch und viele Grüße
fenestra
Verfasst: 28.04.2010, 11:25
von leonie
Liebe fenestra,
ich finde die Idee und Umsetzung ganz witzig, habe es aber auch so gelesen, wie Du schreibst, als auch von Dir als Autorin nicht so ganz ernst genommen.
Manche Reime finde ich richtig klasse, an anderen Stellen sind für meinen Geschmack zu viele Füllwörter eingearbeitet, um die Reime gelingen zu lassen, zum Beispiel hier:
fenestra hat geschrieben:denn die Eruption ist halt
eben ne Naturgewalt.
Ich denke, in einem von Dir selbst ernst genommenen Text würdest Du Dir das nicht durchgehen lassen

.
Ich habe den Text trotzdem gerne gelesen, viel von Deiner Originalität und Deinem Können blitzt für mich auch durch die kleinen Schwächen des Textes hindurch, hier zum Beispiel, das finde ich einfach klasse:
fenestra hat geschrieben:Stürmisch mischten sich die Lüfte -
Schwefelstaub und Frühlingsdüfte -
und die Sonne lachte kalt
in den roten Magmaspalt.
durch!
Liebe Grüße
leonie
Verfasst: 28.04.2010, 21:43
von Max
Bist du wirklich in Breizh? Gab es etwa einen Flieger von FMO?
Zur ersten Frage: Ja, auch wenn ich froh bin, wenn ich mich mit meinen gnadenlosen Kollegen (da wird nicht eine Silbe langsamer gesprochen) auf Französisch unterhalten kann - mein Bretonisch liegt da noch arg im Argen ... ich habe es heute bei Ebbe im Schlick versenkt
Zur zweiten Frage: Nö, also da geht nie ein Flieger, da FMO auch die Flieger nach Paris eingestellt hat ... macht aber eh nix, da meine Hunde eh nicht fliegen können, musste ich Auto fahren und sitze nun in einem riesigen Haus mit Meerblick.
Liebe Grüße
Mix
Verfasst: 29.04.2010, 22:15
von fenestra
denn die Eruption ist halt
eben ne Naturgewalt.
Liebe leonie,
du hast recht, das kann ich eigentlich nicht durchgehen lassen. ;)
So ists vielleicht etwas besser:
Eruptionen kommen halt
unverhofft. Naturgewalt!
Es freut mich, dass du dem Text etwas abgewinnen konntest!
Lieber Max,
riesiges Haus am Meer klingt gut! Dann lass dir und deinen Hunden den Wind mal noch ordentlich um die Nase wehen (falls die Arbeit es zulässt).
lg
fenestra
Verfasst: 30.04.2010, 21:03
von Quoth
Ich finde den zitierten Vers gerade in seiner Laschheit und Nachlässigkeit gut, denn das ist die Haltung des ganzen Textes, der sich den Anstrich eines laienhaften Gelegenheitsgedichts gibt und an dieser Stelle ja zudem noch behauptet, den Minister zu zitieren.
Verfasst: 30.04.2010, 21:13
von leonie
Ja, ich meinte das gar nicht unbedingt als Änderungswunsch, sondern dass der Charakter des Textes da deutlich wird in dem Sinne, wie Du, Quoth, das auch beschreibst als laienhaftes Gelegenheitsgedicht und das ist nicht abwertend gemeint. Mir gefällt es immer noch.
Liebe Grüße
leonie
Verfasst: 30.04.2010, 23:30
von fenestra
Die Laschheit und Nachlässigkeit hatte ich auch in Hinblick auf das meist leere Blabla der Politiker - und ihre offensichtliche Hilflosigkeit in diesem Fall - so stehen lassen. Wenn ihr es in diesem Sinne lesen könnt, ists gut. Man müsste es beim Vortrag dann auch entsprechend betonen und mimisch begleiten, damit es nicht einfach nur dilettantisch wirkt.
Verfasst: 01.05.2010, 16:22
von Mnemosyne
Hallo Fenestra,
ein hübsches Gedicht, das mich gut amüsiert hat. Ich lese es automatisch als Teil einer kabarettistischen Darbietung.
Hier:
Merkels Delegation
strandete in Lissabon.
Gerate ich irgendwie aus dem Takt - ist das ein Mangel im Metrum oder lese ich es nur falsch?
Viele Grüße
Merlin
Verfasst: 01.05.2010, 17:06
von fenestra
Hallo, Merlin,
ist das ein Mangel im Metrum oder lese ich es nur falsch?
Der Mangel im Metrum offenbart sich, wenn man es RICHTIG liest. ;)
Man muss das Wort Delegation hier - getreu meiner von Quoth zitierten Nachlässigkeit - etwas quälen und mit fünf Silben lesen:
De - le - ga - ti - on
Ja, es ist zur Unterhaltung geschrieben - bestenfalls Kabarett. Danke fürs Lesen und viele Grüße
fenestra
Verfasst: 02.05.2010, 15:32
von Mnemosyne
Hallo Fenestra,
ja, so habe ich es auch versucht. Das trägt noch zu meinem Eindruck bei, dass das Gedicht durch lebendigen Vortrag sehr gewönne, da könnte man so eine "Wortquälerei" als zusätzliche Pointe zelebrieren. Willst du es vielleicht mal aufnehmen? Beim bloßen Lesen stört mich die Stelle eher etwas, weil man erst einmal darauf kommen muß, wie du es meinst. (Es gibt ein Eichendorffgedicht, das diesen Effekt vermeidet, weil jedes dritte Reimwort "gequält" wird. Kennst du das?
http://www.physiologus.de/unsinn.htm )
Übrigens halte ich das Kabarett durchaus für eine ernstzunehmende Kunstform.
Liebe Grüße
Merlin
Verfasst: 02.05.2010, 19:31
von fenestra
Hallo, Merlin,
da könnte man so eine "Wortquälerei" als zusätzliche Pointe zelebrieren
ja, so meinte ich es. Das Unsinnsgedicht von Eichendorff kannte ich noch nicht, herrlich, wie hier die haarsträubenden Reime in die romantische Sprache eingebaut sind und diese damit karikiieren.
Ich habe großen Respekt vor guten Kabarettisten! Da es dabei auch auf Tempo und Mimik ankommt, ist freilich der formale Anspruch an die Texte meistens nicht so hoch.
lg
fenestra