Hallo Sibirier!
Also...mir gefällt der leichte Klang deines Textes und dieses Welt-Abschüttelnde, Fernweh-Ideal der Matrosen ganz gut.
Aber manchmal habe ich den Eindruck die Bilder sind eher dem Klang oder dem Reim untergeordnet, als umgekehrt. Darüberhinaus hast du auch einen sehr festlichen Tonfall, den es doch gar nicht braucht. Es wirkt dafür für mich eher weniger authentisch - fast wie ein Schlager.
"Weit in der Ferne" - ist ein bisschen doppelt gemoppelt oder? Mir hätte es fast besser gefallen, wenn du gleich begonnen hättest mit:
"Da ist unser Meer
Segel am Himmel,
Matrosen die singen."
Das hat mir nämlich ganz gut gefallen. Es wirkt auch relativ natürlich - obwohl die "singenden Matrosen" mich schon fast wieder in die Schlager-Assoziation treiben.
"Höret die Sehnsucht
ihrer Stimmen"
- ist dann genau dieser festliche Tonfall, den ich persönlich eher vermeiden würde, weil das dem Gedicht so etwas Erhabenes, Bedeutungsschweres verleiht, was es aber eher schwächt als stärkt...
"Verlorene Heimat"
- bringt für mich wenig herüber, weil ich eher das Gefühl der Verlorenheit durch ein sprachliches Bild von dir nachfühlen würde, als das du das Gefühl einfach benennst. Selbst bei diesem bekannten Liedchen:
"Wir lagen vor Madagaskar/ und hatten die Pest an Bord / in den Kässeln da dampfte das Wasser / und täglich ging einer über Bord /...." usw.
Da spüre ich sofort eine ja noch ganz lustig getragene Einsamkeit oder "Verlorenheit" auf See - ich höre sogar die Matrosen singen! Das versetzt mich sofort in ihre Lage, dieses Lied - Aber niemals - oder so gut wie nie sagt jemand, dass es "einsam" wäre - oder "verloren" - oder spricht irgendein Gefühl aus...
Da gefällt mir das einfache:
"Wir segeln im Wind"
schon viel besser. Was allerdings:
"Gott vergib uns,
was wir sind."
da verloren hat, kann ich gar nicht nachvollziehen. Matrosen? Erbsünder? Menschen? - Ja, aber was sucht das denn in diesem Text? Da habe ich wieder den Eindruck der Reim war wichtiger als der Inhalt...
"Wellen die schäumen,
vom Ozean wir träumen (=> ist ein bisschen umständlich oder? Wieso nicht: "Vom Ozean träumen wir." Wobei ich auch nicht verstehe wieso die Matrosen, die doch schon segeln (Strophe 2) sich noch nach dem Ozean sehen?)
Unser Fernweh nach dem Meer
und keine Wiederkehr
Mmpf...das hat mich auch nicht ganz glücklich gemacht. Aber Interessant ist vielleicht der Wunsch nach einer Reise ohne Wiederkehr... Vielleicht ginge ja auch:
Wellen die schäumen,
vom Ozean her
unser Fernweh nach
keiner Wiederkehr
Das würde mich eher faszinieren.
So

... Ich kann dazu nur ganz allgemein sagen: Keine Angst vor reimlosen Gedichten! Keine Angst vor Alltagssprache! Keine Angst vor individuellen Bildern! Das ist nämlich am Schwierigsten....
Schönen Tag!
I.