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Meerwassertraumschaum

Verfasst: 18.04.2006, 19:23
von woitek
Meerwassertraumschaum

Am blaugrauen Grund schläft der Krebs.
Er hat sich:
beengt gefühlt, gedreht, gewunden,
die Glieder gestreckt,
am Leibe gezittert,
geächzt und gebäumt,
gebeugt und am Ende
aus seiner zu kleinen Haut befreit.

Nun ruht er dort schutzlos und atmet
und keucht.
Er fühlt sich erleichtert, befreit, neugeboren.
Wohl ganz ohne Kraft
auch ohne den Harnisch,
sieht er wie von vorne, ein Maul,
große Zähne, ein Schlund endlos scheinend
um seinen Leib jetzt schließt.

Das alte Gewand liegt dort hinter dem Felsen,
umspielt vom Gewässer,
leblos schwebend am Grund,
daneben ein Fahrrad
mit rostiger Klingel.
„Ring ring, Kling kling!“,
ruft die Glocke des Eismann’s
die Kinder: Die Kugel
ein Euro.

Verfasst: 18.04.2006, 19:34
von Jürgen
Zwei Relikte im Meer, beide haben ihre Geschichte, die eine leitet das Gedicht ein. Zweimal Schäume, von denen nur Überbleibsel zeugen.

Ich finde das Gedicht beeindruckend. Gerne gelesen.

Jürgen

Verfasst: 18.04.2006, 20:54
von Lisa
Hallo woitek,
ganz ganz stark....der Krebs, der Mensch...das Meer...die Schalen...

ich mag gar nicht genauer ins Detail gehen, es gefällt mir einfach sehr!

Verfasst: 18.04.2006, 21:50
von leonie
Hallo woitek,

mir gefällt Dein Gedicht auch. Mir gefällt die Sprache. Ich glaube, in der ersten Strophe, letzter Vers könntest Du das "sich" streichen, weil es ja oben schon steht. In der zweiten Strophe, letzte Zeile fehlt nach meinem Empfinden ein "sich". Aber das sind nir Kleinigkeiten, wirklich: Kompliment für dieses Gedicht!

Viele Grüße

leonie

Verfasst: 19.04.2006, 17:11
von woitek
Liebe Leonie, Lisa und Gurke(Oops: Moderator? Ja war länger nicht hier..)

Danke fürs Lesen, Kommentieren und Komplimentieren.
Es freut mich sehr, dass euch der Text gefallen hat.

Zieht der Krebs den Harnisch aus
ist ganz schnell dann aus die Maus.
(kleiner Kalauer am Rande O:) )

@Leonie
Ich werde das "sich" in der ersten Strophe streichen.

Herzlichst
Woitek

Verfasst: 20.04.2006, 19:29
von maria
... hab´das Gedicht jetzt schon einige Male gelesen - und finde es sehr, sehr schön. Die unsentimentale Weise wie du Vergänglichkeit thematisierst spricht mich sehr an. Besonders die letzte Strophe gefällt mir - überrascht und bleibt noch lange im Kopf ("... Ring, ring! Kling, kling! ...").

LG maria

Verfasst: 21.04.2006, 14:10
von woitek
Liebe maria,

auch dir danke ich herzlich fürs Lesen und Kommentieren dieses Textes.

Prima, dass du den Bruch und die Überraschung der letzten Strophe bemerkt hast. :grin:

Ich frage mich ob überhaupt einem Leser hier der Übergang zwischen Traumwelt und Realität aufgefallen ist?

LG Woitek