weiter weben .. die glut

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 13.12.2009, 13:42


weiter weben .. die glut


das zurren, das ziehen, es trieb sie hinaus
eingeschnürt der atem, schwindelnd
an wipfeln entlang, schlingernde
bäume, betörender rauch
sie geriet ins wanken
schaukelte sich auf
ein klammern
über tiefen
tannen
.

wie gellte die welt
an diesem morgen
besudelte was war
färbte ihre augen
aschfahl. dachte sie
beton ergießt sich
aus meinen höhlen
härtet aus, verblasst
dort ende ich. bleib
stehen. schweige!

.

so flehte sie, es nicht zu tun
wendete das versengte blatt
nahm verschwommen wahr
weilende zeilen - sie sah
ihren lippen nach. rot!

der wimpernschlag breitete ihre arme aus
da flatterte sie den ersten schritt
vorwärts

reißen wunden nicht immer
von herz nach himmel?
und daraus erst gesang
ein lauschen, wie nur wie lebendig
lodern, staunen, streicheln das brennen
das klaffen, die ränder, auflecken
schmecken das blut, wie es summt
wenn wir uns vergessen
wie die namen der blumen
und deine hand - die steine
das licht - auf meiner haut

.


weine dich ruhig
das sagte er
sah nicht fort
.

ich sinke - du steigst
um dich - um mich
wir kehren uns um
kreiseln, verweisen
bis wir uns halten
durch nächte
so leise
dass worte wieder weiter weben als der funken flug

.

sie trägt ein nest aus wirren
darin weich gebettet die glut




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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 18.12.2009, 10:02

Weil ich gefragt wurde... Dieses Gedicht wurde beim Umzug einfach im alten Wohnzimmer stehengelassen, ich habe es nicht gelöscht, es kommt wieder. :-)

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Max

Beitragvon Max » 19.12.2009, 15:57

Ah, ich wollte gerade Deinen stark reduzierten Stil kommentieren ...

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 19.12.2009, 21:43

Max hat geschrieben:Ah, ich wollte gerade Deinen stark reduzierten Stil kommentieren ...



:totlach:

Ach Max, herrlich!

LG
ELsa
Schreiben ist atmen

Peter

Beitragvon Peter » 20.12.2009, 18:09

Wo isses denn nu? Wann kommt ed wieder?

Schneit es denn hier?

:schneemann:

( :schaf: )

Bleibt alles weiß?

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 20.12.2009, 19:29

*lach* das Witzige ist ja, dass ich immer dachte, die Zugriffe würden bedeuten, dass meine Texte gelesen werden... mmmh, vielleicht sollte ich doch auf diesen reduzierten Stil umsteigen...

Ich war jetzt Schneeschippen und hab darunter noch ein bisschen Glut entdeckt. .-) Die Formatierung ist ein wenig anders, aber ich hoffe ich habe die letzte Version erwischt.
(Und ich hoffe Armin holt meine anderen Texte aus der Versenkung.)

liebe Schneeflockengrüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Nifl
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Beitragvon Nifl » 29.12.2009, 20:12

Huhu Lächlerin.
Ein wahres Erzählgicht und spannend zudem. Die Verschränkung Erzähler/Gedanken harmoniert hier nicht nur, sondern verstärkt sich auch, legt eine Sicht hinzu . Für mich thematisiert der Text eine unerträgliche Unsicherheit, die aber eigentlich nur „zurrt“, „zieht“ und „treibt“, weil sie eben unsicher ist, wie der Wagemut eines Entdeckers, bis hin zur schlimmsten Krise (der unvermeidlichen), dem Stillstand. Und ich bin ganz angetan von der fragilen Kraft, die nicht aufgibt und um die Glut weiß …
Meine Leiblinge:
sie sah
ihren lippen nach. rot!
der wimpernschlag breitete ihre arme aus
da flatterte sie den ersten schritt
sie trägt ein nest aus wirren
darin weich gebettet die glut
Menno, ich finde gar nichts zum Nifln. Doch!
Die Setzung und Formatierung ist sicher auch „malerisch“ intendiert gewesen, aber ich kann da nichts erkennen, so sehr ich mich auch anstrenge, die Augen weite und zusammenkneife.
LLG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 30.12.2009, 11:05

Huhu Nifl,

dank dir! Das freut mich, dass das Gedicht selbst (*g* he, unter Erzählgicht leide ich aber noch nicht!) hier auch noch einen Kommentar bekommt.
(Max, du darfst gerne zu den vielen Worten auch etwas sagen. ;-))
Die Setzung und Formatierung ist sicher auch „malerisch“ intendiert gewesen, aber ich kann da nichts erkennen, so sehr ich mich auch anstrenge, die Augen weite und zusammenkneife.

Ja, damit habe ich lange herumexperimentiert und einfach geschaut wie es auf mich wirkt. Schön wäre es, wenn sich auch für den Leser daraus ein Zusammenspiel ergeben würde, ohne dass er sich darüber Gedanken machen muss, oder es ihm überhaupt auffällt (mmmh... was ja scheinbar schon mal nicht gelungen ist), dass es sozusagen heimlich mitwirkt und natürlich für das Gedicht erscheint, als könne es gar nicht anders sein. Zum Beispiel das enger werden der ersten Strophe, oder die optische Wirkung der anderen Schriftart, die für mich zwar größer, aber nicht lauter, sondern tatsächlich offener, leichter und ruhig wirkt... Also vielleicht lässt du deine Augen einfach ganz entspannt lesen und schaust, ob dir dann etwas unnatürlich oder unpassend scheint. Vielleicht eher, als ob du ein Landschaftsfoto ansiehst und kein kompliziertes abstraktes Gemälde.

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Max

Beitragvon Max » 31.12.2009, 13:43

Liebe Flora,

sorry, natürlich sollte ich nicht nur dumme Kommentare zu den leeren Gedichten abgeben, sondern versuchen Sinnvolles zum lesbaren und lesenswerten Produkt zu schreiben.

Was mir an Deinem Text am stärksten auffällt ist die Form. Dies kommt wohl daher, weil mir Dein Text zum Teil beinahe eine Antwort auf Fragen, über die seit einiger Zeit habe, ist: Wie kann man dn Stil der Collage überzeugend in die Literatur transportieren (ich habe ja selbst hier auch schon 2-3 Versuche veröffentlicht)? Mir gefallen die verschiedenen Schriftarten und -formen für die verschiedenen Ebenen, die eigenes schildern und doch miteinander kommunizieren.
Stark finde ich auch, dass der Rhythmus des ersten Strophe sehr gut mit dem Inhalt kommuniziert. Wenn ich es so laut lese, wie es hier gesetzt ist, ergibt sich ein tempo, das gut zu dem

es trieb sie hinaus
eingeschnürt der atem, schwindelnd
an wipfeln entlang,


passt. Meine absolute Lieblingsstelle ist allerdings

reißen wunden nicht immer
von herz nach himmel?
und daraus erst gesang
ein lauschen, wie nur wie lebendig
lodern, staunen, streicheln das brennen
das klaffen, die ränder, auflecken
schmecken das blut, wie es summt
wenn wir uns vergessen
wie die namen der blumen
und deine hand - die steine
das licht - auf meiner haut



Die ersten Zeilen davon sind eine eigene Wahrheit.

Wenn ich kritisieren woillte, könnte ich sagen, der Text ist beim ersten Lesen ein wenig verschlossen, man muss arbeiten, um ihn sich zu erschließen - aber das ist ja keine echte Kritik.

Liebe Grüße
Max

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 31.12.2009, 14:30

Danke Max! :blume0028:
Ich freu mich sehr über deinen Kommentar. Mein Nachfragen war auch nicht vorwurfsvoll gemeint, ich war nur etwas verunsichert.

Bei der Gestaltung des Textes habe ich auch an deine Texte hier im Forum gedacht, du hast das ja noch viel stärker eingebaut und ich fand das spannend, wie sich darüber noch eine weitere Ebene im Lesen eröffnet. Schön, dass es für dich hier aufgeht.

Dass du schreibst, dass das Gedicht ein wenig verschlossen wirkt, ist auch eine gute Rückmeldung für mich, weil ich darüber immer wieder nachdenke, (auch bei Texten anderer Autoren) wie, wann und wodurch das entsteht und wie ich das selbst beim Lesen empfinde.

Liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Max

Beitragvon Max » 31.12.2009, 16:58

Liebe Flora,

ich glaube, dass dein Text aber auch keine leichte Kost sein möchte oder täusche ich mich da? Ein bisschen kauen schadet ja nicht ;-)

Liebe Grüße

Max

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 01.01.2010, 19:22

Hallo Max,

es war jedenfalls nicht meine Absicht diesen Text bewusst kompliziert oder sich verschließend zu schreiben.
Wenn er dann aber so ankommt, dass er sich eben letztlich doch öffnet und etwas sagen kann, finde ich auch, dass kauen nicht schadet. .-) Zumindest geht es mir selbst mit Texten oft so, dass es gerade diese sind, von denen mir dann etwas bleibt.

liebe Grüße
Flora
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)

Max

Beitragvon Max » 02.01.2010, 11:52

ja, das geht mir auch so. Außerdem haben wir Mitglieder im Forum, die durchaus hermetischer schreiben als Du ;-).

Liebe Grüße
Max

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 10.01.2010, 22:40

Liebe Flora,

dieser Text überschreitet Horizonte. Ich meine damit zwar auch, dass er meinen überschreitet (ich den Text nicht nicht durch und durch verstehe), aber letztlich ist es doch nur positiv gemeint, weil ich das Gefühl habe, umso öfter man hier vorbeikommt und liest, desto mehr Ahnung bekommt man - und wenn etwas den Horizont überschreitet, dann muss sich ja erst einmal ein neuer vor (oder hinter? neben?) einen schieben, und das wäre doch ein großer Prozess.

Anfangen tue ich am Ende


weine dich ruhig
das sagte er
sah nicht fort
.

ich sinke - du steigst
um dich - um mich
wir kehren uns um
kreiseln, verweisen
bis wir uns halten
durch nächte
so leise
dass worte wieder weiter weben als der funken flug
.

sie trägt ein nest aus wirren
darin weich gebettet die glut





und dann arbeite ich mich hinauf, indem ich immer auf dem unteren aufbaue. Ich sehe diesen letzrwn Absatz als eigenständiges Gedicht, aber dann doch nicht, weil meiner Meinung nach alles zuvor gebraucht wird, damit das Ende dann eben anders wirken könnte, als wenn es allein dastände. Ich meine damit, dass ich alle Teile vorher als eine Sprachschaffung lese, die den Raum, in dem der letzte Teil dann gesprochen wird, erst erschafft. Als hättest du hier mal eben eine ganze Sprache erfunden und schlössest an das veröffentliche Grammatik- und Wörterbuch das erste Gedicht an. Und dann ist es ja keine gewöhnliche Grammatik, sondern eine Personen- und Klanggrammatik: Denn in den Strophen zuvor ist das lyr. ich ja allein anwesend, erst (1. "Strophe") mystisch/träumend oder gar erinnernd, dann (2. "Strophe") aus diesem Zustand erwachend wach in einem analogen Zustand, dann wechselt der Erzähler ins Personale (3. teil) und dann folgt noch eine ins allgemein gehobene Frage (reißen wunden...), die eigentlich eine Behauptung ist (4. teil). Die ganzen Teile sind sprachlich/klanglichen miteinander verbunden (, die Satzstellung, die Vokale, am feinsten finde ich: weiter weben -- reißen wunden).

Und mit diesem Vorbau dann klingt der letzte Teil, das eigentliche Gedicht mit einer ganzen Geschichte im Unterton. Erst hier spürt man, wie allein das lyr. Ich tatsächlich ist, wie abhängig vom Du, weil es zugewandt ist, weil es hört, die Schuld, das TRauma, die nötige Kost von Anfang an und bei allem. Sie ist die Nestträgerin, aber nur weil sie zuließ, dass ihr Haar zerwühlt wurde usf. (ich höre an der Stelle auf, das Gedicht sagt es ja dich besser).

Das einzige, was für mich noch fraglich ist, ist die Setzung und damit meine ich sowohl die Formatierung als auch die zeilebreite/Umbrüche - ich frage mich, ob dieser Text nicht durch eine schlichte, breitere Setzung noch viel stärker wirken könnte und beantworte mir diese Frage mit Ja .-).

liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.


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