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Seelenkommode

Verfasst: 14.04.2006, 17:12
von Jürgen
Die Schubladen aus
massivem Eichenholz
klemmen zuweilen,
doch wer
sie öffnet,
findet zwischen
allerlei Plunder
manches Kleinod,
und Staub,
denn ich habe
weder Tuch
noch Staubwedel.

Änderungen siehe Kommentare von Lisa und Franktireur.

Verfasst: 14.04.2006, 20:18
von Lisa
Hallo Gurke,

das Bild einer Seelenkommode gefällt mir...auch dass die Schubladen klemmen und es für die Erinnerungen kein Staubtuch gibt (psychologisch komplex!!) . Das ist alles rund. Allein die Setzung, darüber grüble ich noch...(aber da scheine ich einen Spleen zu haben, ich meckere immer daran herum :razz: ):

Die Schubladen
aus massivem
Eichenholz
klemmen zuweilen,
doch wer sie öffnet,
findet allerlei
und Staub.

Denn ich habe
weder Tuch
noch Staubwedel.

hmmmmm..auch nicht so ideal...haben andere vielleicht noch Vorschläge? Oder stört es gar nicht? Ich finde es wirkt durch Gurkes Setzung etwas unfertig...

ansonsten: Tolle Idee und tolles Bild!

Verfasst: 15.04.2006, 21:34
von Max
Lieber Gurke,
ich musste lächeln. Was für eine schöne Idee. Nach zwei Tagen Wohnungräumen und Fußboden verlegen, weiß ich erst, wieviel Staub auch ich besitze ... und dennoch: die Saharah ist größer.

Liebe Grüße
Max

Verfasst: 16.04.2006, 01:50
von Last
Hallo Gurke,
ein interessantes Bild hast du da geschaffen und stringent durchgezogen.
Daumen hoch :smile:

Die eigenen Hände können das Putztuch ersetzen, nur werden sie dabei schmutzig.
Man kann Staub auch wegpusten. Dann bekommt man ihn vielleicht in die Augen, was brennt, oder in die Lunge und muss husten, aber für eine grobe Reinigung reicht es aus.
Eine gute Haufrau kann sogar noch viel hilfreicher sein, die ganze Kommode auf Hochglanz polieren.
Wenn man die Schublade erstmal geöffnet hat ergeben sich so viele Möglichkeiten.

Verfasst: 16.04.2006, 16:03
von Jürgen
Hallo und vielen Dank für Eure Kommentare :razz:

@ Lisa:
Ich werde ´findet´ und ´allerlei´ zusammenziehen. Ursprünglich wollte ich allerlei stärker herausheben, da es der wichtige Inhalt der Seelenkommode ist.

Das sieht dann so aus:

Die Schubladen aus
massivem Eichenholz
klemmen zuweilen,
doch wer
sie öffnet,
findet allerlei,
und Staub,
denn ich habe
weder Tuch
noch Staubwedel.

Besser??? Einen Absatz möchte ich nicht machen, da ein solcher Schlangensatz m. E. zusammenstehen muß.

@ Max
Gott sei Dank ist Staub kein festsitzender Schmutz ;-) . Ziehst Du um??? Alles Gute im neuen Zuhause.

@ Last
Dank auch an Dich für´s Lob :razz: . Tja, wenn man gegen den Staub nicht das rechte Werkzeug hat...

Frohe Ostern Euch

Jürgen

Verfasst: 16.04.2006, 17:49
von Lisa
Hallo Gurke,
ja so gefällt es mir...und sowieso :grin: ...

Verfasst: 19.04.2006, 18:16
von MarleneGeselle
Hallo Gurke,

ein treffendes Bild, man kommt so manchmal ins Grübeln wenn ausgemistet werden soll.

Nur Vorsicht vor allzu gründlichem Hausputz. Wer nicht aufpasst, wischt zuviel Leben fort.

Liebe Grüße
Marlene

Verfasst: 19.04.2006, 21:38
von Gast
Gurke hat geschrieben:
Die Schubladen aus
massivem Eichenholz
klemmen zuweilen,
doch wer
sie öffnet,
findet allerlei,
und Staub,
denn ich habe
weder Tuch
noch Staubwedel.



Hallo Jürgen, mir will dein Text als Gedicht nicht so recht durch- bzw. eingehen.
Ich finde, dass das "Lyrich" stört , da du doch neutral begonnen hast:

Wie wäre es einen Aphorismus daraus zu machen?

Schubladen aus
massivem Eichenholz
klemmen zuweilen.
Wer
sie öffnet,
findet Allerlei,
und Staub.

---
---

Ich finde die beiden letzten Verse wirken wie eine überflüssige Erläuterung.
M. E. verstärken sie das Bild der Seelenkommode nicht.
Ich meine es kann die Kürzung verschmerzen. :smile:


Liebe Abendgrüße
Gerda

Verfasst: 19.04.2006, 22:29
von Jürgen
Hallo Marlene, Hallo Gerda

Vielen Dank für die Beschäftung mit dem Text und Eure Kommentare.

@ Gerda
Du empfindest den Anfang des Textes neutral. So war er nie gedacht. Der Titel könnte auch lauten "Meine Seelenkommode", aber sorry, das klingt für meinen Geschmack zu bildhaft.

Auch Tuch und Staubwedel sind mir wichtig. Das Allerlei, das sich in der Kommode befindet, sind Gefühle, Erinnerungen, Eindrücke, Seelenleben. Sie sind mit Staub bedeckt, also nicht grob verschmutzt, aber auch nicht rein, sondern mit einer Schicht bedeckt. Es fehlen die Mechanismen, das Werkzeug, um eigene Empfindungen unverfälscht betrachten zu können.

Vielleicht lässt das Tuch und Staubwedel für Dich nicht so überflüssig erscheinen.

Schönen Abend und Merci

Jürgen

Verfasst: 20.04.2006, 00:22
von Franktireur
Ich habe lange überlegt, ob ich was schreiben soll, da ich mir nicht schlüssig war, wie ich es formulieren soll - jetzt weiß ichs.

Also, ich finde das Gedicht sehr gut, es steckt viel drin.
Ich habe es so gelesen:

Da ist ein Mensch - die "Schubladen" sind sein gesamtes Wesen (innerlich). Will man diesem Menschen wirklich nahe kommen, muß man sich schon etwas bemühen (klemmende Schubladen). Dafür wird man umso reichlicher belohnt (man findet allerlei), allerdings findet man auch Staub (nicht verarbeitetes, vielleicht ein paar Macken und Spleens u.ä.). Der Hinweis, es gibt keinen Staubwedel und wird auch nie einen geben, weist darauf hin: der Mensch will sich auch nicht "säubern, umändern und ausmisten" lassen - da dadurch die Eigenheit, also die eigene Identität flöten gehen würde.

So, für mich ist es also ohnehin nicht neutral gemeint verstanden worden. Darum kann ich Gerdas Kritik nicht folgen. Allerdings kann ich auch allen anderen nicht folgen, da für mich klemmende Schublade - allerlei - Staub die Kernaspekte darstellen.
Durch das kleine Wörtchen "allerlei" jedoch wird die Wichtigkeit, die es umfaßt, leider nicht genügend zum Ausdruck gebracht. Es geht unter zwischen klemmenden Schubladen und Staub.
Wenn ich mich bemühen soll, sollte es auch lohnenswert sein (ist jetzt viel herzlicher gemeint als es klingen mag) - das sollte doch etwas stärker betont/gewichtet werden. Das "allerlei" ist definitiv zu schwach in dem Kontext.
Mehr Kritik habe ich auch gar nicht.
Aber damit steht oder fällt das Gedicht für mich. Und ich fände es sehr bedauerlich, wenn dem nicht abgeholfen werden könnte eben durch eine größere Gewichtung auf den wesentlichen Aspekt.

So, das meine Meinung. Also: klasse Potential - nur ein kleiner Schwachpunkt, der aber darüber entscheidet, ob es ein tragfähiges Gebäude darstellt oder in sich zusammenstürzt - lohnenswert, den zu eliminieren, dann ist das ein richtiges Klasse-Gedicht.

Gruß
Frank

Verfasst: 20.04.2006, 05:53
von Jürgen
Hi Frank

Du hast den Text sehr genau analysiert. Vielen Dank dafür! Du nimmst sehr gut wahr (Neid hab :mrgreen: ), die Dreh- und Angelpunkte sind exakt aufgezeigt. Es läuft auf ´Allerlei´ zu und nimmt dann eine Wendung. ´Allerlei´ ist Dir nicht lohnend genug, um die Schubladen aufzustemmen. Kann ich nachvollziehen. Ich hatte ursprünglich mal ´manch kleinen Schatz´ geschrieben, aber das war dann doch etwas zu selbst beweihräuchernd. Wie wäre ´manch Goldstück im Sammelsurium´? Oder besser "Allerlei, manch Plunder, manch Goldstück...und Staub´?

Ein Punkt war etwas anders gedacht, als Du ihn analysiert hast. Das Allerlei steht schon sowohl für Positives als auch Negatives (Spleens, Macken), der Staub ist eher Verfremdung bis hin zur Selbstverleugnung, der daran hindert, die eigenen Empfindungen unverfälscht wahrzunehmen und zu verstehen. Tuch und Staubwedel meinten eigentlich, dass sich das Lyrich nicht ändern kann, nicht sich nicht ändern will, weil ihm das Werkzeug, das psychologische Knowhow oder auch die Fähigkeit zu tieferer Selbstkritik, fehlen. Wichtig wäre mir noch zu betonen, dass Staub keine grobe Verschmutzung darstellt (hatte ich an anderer Stelle schon geschrieben, ich weiß :mrgreen: ). Aber etwas Verstaubtes sieht nicht mehr ursprünglich aus, es fehlt jeglicher Glanz und je nach Dichte der Schicht kann es fast unkenntlich werden.

Ein stärkeres Wort als das Allerlei. Da hast Du wohl Recht, es kommt etwas zu bedeutungslos daher. Wie wäre, wie gesagt: "Allerlei, manch Plunder, manch Goldstück, und Staub..."? Oder ´Stück von Wert? Es wird noch gesucht.

Danke nochmal für die intensive Beschäftigung mit der Seelenkommode

Jürgen

Verfasst: 20.04.2006, 08:44
von Lisa
der Staub ist eher Verfremdung bis hin zur Selbstverleugnung, der daran hindert, die eigenen Empfindungen unverfälscht wahrzunehmen und zu verstehen. Tuch und Staubwedel meinten eigentlich, dass sich das Lyrich nicht ändern kann, nicht sich nicht ändern will, weil ihm das Werkzeug, das psychologische Knowhow oder auch die Fähigkeit zu tieferer Selbstkritik, fehlen.


genau deshalb finde ich Staubwedel und Tuch so interessant und sollte nicht gestrichen werden, keinesfalls!!Ich mag nämlich den Ich-Bezug an dem Gedicht am liebsten, mehr als die Thematik von Ich-Kommode und Du-Öffner.

Komischerweise gefällt mir auch das Allerlei, obwohl ich Franks Kritik verstehen kann...das Wort ist aber nicht unpassend (da es sich auch zeitlich verstehen lässt), das Leben an sich meint und wenn man sich vorstellt ein Ich steht vor seinem eigenen Ich als KOmmode, dann ist die Bezeichnung Allerlei für alles, was es darin findet genau das richtige, wie ich finde...so wie wenn man umzieht oder aufräumt und beim Umpacken von seinen Kisten doch hängen bleibt und sich hinsetzt und all den Kram anschaut...

Verfasst: 20.04.2006, 08:49
von Franktireur
Hi Gurke,

"allerlei, manch Plunder, manch Goldstück" geht ja schon in die richtige Richtung, macht es aussagekräftiger.
Mir fällt jetzt so ad hoc auch nichts besseres ein...

Tja, und meine Interpretationen - bei einem guten Gedicht macht es mir tatsächlich Freude, das zu riskieren, auch wenn ich mal daneben liege oder in Schieflage gerate.
In diesem Fall liegt es nicht am Gedicht, daß ich etwas anders interpretiert habe als es gemeint ist, sondern an meiner Art zu denken.
Darum ändere da bloß nichts wegen "Verständnisproblemen eines einzelnen Lesers", der ich in dem Fall ja auch bin.
Denn ich glaube, diese unterschiedlichen Nuancen sind auch ein positives Zeichen dafür, daß ein Gedicht wirklich Tiefe und Sub-Ebenen hat.

Und das ist mit das beste, was ich über ein Gedicht überhaupt sagen kann.
Wie gesagt, auf dieses hier trifft das zu.

Gruß
Frank

Verfasst: 20.04.2006, 08:51
von Birute
Hallo lieber Gurke,

ich finde dein Gedicht inhaltlich echt Klasse.
Habe mal ein sehr ähnliches geschrieben. Da kam übrigens auch "manch kleinen Schatz" drin vor. :mrgreen:
Deine Schlussverse, da muss ich Gerda Recht geben, klingen ein wenig wie angehängt, irgendwie. Sie verwischen das "Allerlei", nehmen ihm seinen verdienten Stellenwert. Du hast hier einen Edelstein. Überleg doch nochmal, ob du das Ende nicht noch schleifen möchtest.

Bei so einem Gedicht finde ich übrigens die durchgehende Kleinschreibung gut. Da kann man schön mit Doppeldeutigkeiten spielen. ich habe mir dein Werk mal unter diesen Gesichtspunkten vorgenommen, um zu zeigen, dass die Kleinschreibung viel Spielraum lässt, nicht als Kritik an deinem Juwel. Okay?

anrichte

die laden aus
eiche massiv
zuweilen klemmts
doch wer
einen ruck tut
findet allerlei mich
unter dem staub
fehlt ein tuch


Nur so als Anregung, allgemein halt, zur Kleinschreibung wenn es passt.
Dein Gedicht gefällt mir auch, so wie es ist.

Lieben Gruß
Birute