wenn ich nicht glaubte

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Mucki
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Beitragvon Mucki » 07.10.2009, 13:23

.
wenn ich nicht glaubte an
jede wunde in dem was bricht
verrücktes gefälle auf all meinen irrwegen
verlorene wünsche in der härtesten prüfung

wenn ich nicht glaubte an
vergessene klänge in meinem schweigen
gehütete schätze im offenen herzen
kampf im schmerz um die balance

wenn ich nicht glaubte an
was ich glaube
leben bist freund



[align=right]inspiriert durch:
"noch" von Renée Lomris[/align]

Lydie

Beitragvon Lydie » 08.10.2009, 11:15

Hallo Gabriella,

Habe das Gedicht gerade gesucht und bin froh es gefunden zu haben. Es ist so ein Gedicht, dass innere Arbeit in mir in Gang bringt, wo ich hinhören muss, und noch mal hinhören, was da genau im Gedicht und dann in mir spricht.

"jede wunde in dem was bricht"

"gehütete schätze im offenen herzen"

Das spricht erst einmal.

Herzlichst,

Lydie :love-anfang:

Mucki
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Beitragvon Mucki » 08.10.2009, 12:45

Liebe Lydie,

fein, es freut mich, dass die Zeilen zu dir sprechen, da etwas bei dir in Gang gesetzt wird. :))

Saludos
Mucki

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 17.10.2009, 14:34

Liebe Mucki,

Ich bin sehr beeindruckt von deinem Text. Nur "glauben" und "härteste Prüfung" sind Worte, deren Konnotation mir nicht so richtig eingehen will. Alle anderen Wort-Assoziationen sind sehr ansprechend. Sofort hat mich die Zeile
gehütete schätze im offenen herzen

berührt.

....... :schneemann: ......... :lachen0031:

oder "meine Verschnupfung nimmt ab" & "ich freue mich wie ein Schneekönig"

sehr liebe Grüße
Renée

Mucki
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Beitragvon Mucki » 17.10.2009, 14:48

Liebe Renée,

mit diesem "wenn ich nicht glaubte" möchte ich ausdrücken: "wenn ich nicht (an den tieferen Sinn) glaubte .... der Wunden, der Irrwege, der härtesten Prüfungen, etc. , dann "könnte ich nicht daran glauben, dass das Leben mir ein Freund ist". So habe ich es quasi vorangestellt geschrieben und eben an das Ende gesetzt, dass ich daran glaube. Dieses "glaubte" hat nichts Religiöses im Sinn, sondern soll die Haltung des LI ausdrücken, wie es zum Leben steht, eben so, wie ich es in deinen Zeilen verstehe, deshalb inspirierten sie mich ja hierzu. ;-)

Saludos
Mucki

Renée Lomris

Beitragvon Renée Lomris » 17.10.2009, 15:04

Ja, "Leben bist Freund", sehr, sehr schön, das habe ich auch so verstanden.

Aber 'glauben an', auch "an tieferen Sinn", das ist mir (HEUTE) nicht mehr "sagbar". "Glauben" ist im Sinne "glauben" "an" ganz aus meinem Wortschatz herausgefallen und zum Synonym von "vermuten" verkommen. ;-)

dass "noch" dich inspiriert hat :

:d040: :d040: :d040: :icon_redface2: :icon_redface2: :icon_redface2:
schönen Sonntag
lG
Renée

Mucki
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Beitragvon Mucki » 17.10.2009, 15:37

Liebe Renée,
"Glauben" ist im Sinne "glauben" "an" ganz aus meinem Wortschatz herausgefallen und zum Synonym von "vermuten" verkommen. ;-)

da kann man mal sehen, wie unterschiedlich die Prozesse im Leben ablaufen. Bei mir ist es genau umgekehrt. Früher war es eher in Richtung "vermuten", sogar im Sinne von "misstrauen". Heute steht es für mich sinngemäß für "etwas für wahr(haftig) halten" im durchaus positiven Sinne. ;-)

Saludos
Mucki

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Beitragvon Elsa » 19.10.2009, 20:16

Liebe Mucki,

In der Tat, eine andere Herangehensweise an Reneès Text, die die inneren Vorgänge beschreibt.

wenn ich nicht glaubte an
jede wunde in dem was bricht
verrücktes gefälle auf all meinen irrwegen
verlorene wünsche in der härtesten prüfung
müsste es nicht in der heißen? oder meinst du : indem was bricht?

Egal, das ist eine sehr feine Strophe!

wenn ich nicht glaubte an
vergessene klänge in meinem schweigen
gehütete schätze im offenen herzen
kampf im schmerz um die balance
Hier wird es sehr dramatisch, was wohl an den üppig verwendeten Adjektiven liegt, ich würde wahrscheinlich abspecken, ungerfähr so:

wenn ich nicht glaubte an
klänge in meinem schweigen verloren
die schätze im offenen herzen
gehütet aus schmerz ums gleichgewicht


damit würde das "fremdwort" verschwinden, ebenso wie eins der beiden "im".

wenn ich nicht glaubte an
was ich glaube
leben bist freund
und hier wundere ich mich über die pointe, ich hätte glatt gelesen:

wenn ich nicht glaubte
an was ich glaube
wäre ich tot


weil du ja den Konjunktiv bemühst, der (mich) ein Resümee mit "wäre" erwarten ließ.

Lieben Gruß
ELsie
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Beitragvon Mucki » 19.10.2009, 22:40

Liebe Elsie,

ja, bei mir haben Renées Zeilen sozusagen eine "innere Reise" in Gang gesetzt.
müsste es nicht in der heißen? oder meinst du : indem was bricht?

nein, nicht "indem". Das "dem" bezieht sich nicht auf die Wunde, sondern auf das, aus dem die Wunde hervorgeht.
Die zweite Strophe ist dramatisch, stimmt, ist aber so gewollt, damit der Schluss, der Glaube, dass das Leben (dennoch) Freund ist, umso bestimmter rüberkommt.
Und auch den Zeitenbruch am Schluss habe ich ganz bewusst so gesetzt. Man soll sich einen Doppelpunkt hinter "glaube" vorstellen. Stünde hier ein Konjunktiv, also:
wenn ich nicht glaubte an
was ich glaube
wäre leben mir freund


würde ich ja das Gegenteil ausdrücken. Und: "wäre das leben mir nicht freund" klingt mir nicht gut in den Ohren. Mit "wäre ich tot" wollte ich nicht schließen, ist mir zu negativ. Es sollte positiv enden.
Durch das "bist" möchte ich den ganzen vorherigen Gedankengang quasi ins Hier und Jetzt holen.
Danke dir für deine Gedanken zum Text.

Saludos
Mucki

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Beitragvon Elsa » 21.10.2009, 00:16

Liebe Mucki,

danke für die Erklärung, jetzt hab ich es auch verstanden.

Das Leben ist Freund, käme auch raus nach meiner Lesart, aber dann wäre es negativer zu spüren.

Lieben Gruß
ELsie
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Beitragvon Mucki » 21.10.2009, 00:28

Liebe Elsie,
Das Leben ist Freund, käme auch raus nach meiner Lesart, aber dann wäre es negativer zu spüren.

eben, ich wollte, dass es friedlich ausklingt ;-)

Saludos
Mucki


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