Mozartjahr

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Max

Beitragvon Max » 07.12.2006, 21:56

Mozartjahr, Chatelet, 18:15 Uhr

Nervös
pulsen wir
durch die Adern
der Stadt

Doch dann
am Ende eines Tunnels
aus Leben und aus Arbeit
dieses Kammerorchester
und das Salzburger Divertimento*

Menschen fluten vorbei
nur manchmal
stockt
der
Fluss
und einer bleibt stehen

Die Mauern
knien nieder und lauschen

Und werden jung



*vorher: "das Divertimento, D-Dur, KV 136" geändert auf den Wunsch sehr, sehr vieler ;-) .. der konkrete Vorschlag stammt von Herby, danke
Zuletzt geändert von Max am 09.12.2006, 12:40, insgesamt 1-mal geändert.

Max

Beitragvon Max » 10.12.2006, 14:05

Lieber Aram,

nein, ich werde sicher nicht stumm bleiben, dazu schätze ich deine Textarbeit zu sehr - nur muss ich halbwegs ausgeglichen sein, um über einen lyrischen text nachzudenken.

Liebe Grüße
max

Nifl
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Beitragvon Nifl » 10.12.2006, 14:42

Hi Max,

deine Replik enttäuscht mich, wenn ich ehrlich bin. Aber Dichter sind eben (über)empfindliche Geschöpfe. Ich wollte deine Mauernpassage natürlich nicht lächerlich machen, sondern nur zeigen, wie wenig sie sich mir IM KONTEXT erschließt (erschließen kann) . Tschuldigung.
Schade, dass du das gleich persönlich nimmst. Aber ich gebe zu, ich bin ein flapsiger Typ, der nicht immer gleich ahhhh und oohhhh ruft und sollte wohl besser der zartbesaiteten Lyrikecke fern bleiben.

Zum Thema Hilde Domin. Natürlich stelle ich mir erst vor, wie sie ihren Fuß in die Luft hebt … danach erst entwickeln sich bei mir "die harmonischen Oberwellen", oder "die Metaebene".

Nenne mir bitte nur einen einzigen Text von ihr, in dem sie die Perspektive wechselt, in dem sich die Bilderwelt nicht stringent entwickelt, dann nehme ich die Stilkritik sofort zurück.

Liebe Grüße

Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Max

Beitragvon Max » 10.12.2006, 15:41

Ni Nifl,

es tut mir sehr leid, wenn ich für Deine witzigen Kommentare zu empfindlich bin.

Gruß,
max

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 10.12.2006, 17:43

Hallo,

ich finde den text gelungen. Ich finde zwar auch , dass sein Aufbau noch etwas klarer (flüssiger) sein könnte, bis er in die letzte Strophe taucht, aber das ja auch zu schaffen.
Das Ende ist für mich so stimmig, wie es ist (man könnte das letzte und streichen vor „werden jung“, weil es sich um „ein“ Bild handelt.), aber das, was das Bild transportieren soll, was ich erwarte, trägt das Bild für mich - die Musik taucht plötzlich einem Tunnel auf und holt einem aus dem Moment heraus und man lauscht...um diese magie geht es doch...

Ich finde eher den Anfang noch etwas zu „ungehobelt“,

Den Perspektivenwechsel kann ich gut verstehen: Erst ist das lyr. Ich in diesem Fluss, und dann – eben durch die Musik – nicht mehr, es ist stehen geblieben, lauscht der Musik und kann dadurch zum Betrachter dessen werden, dessen Teil es vorher war. Für mich passt das, weil das Gedichte ja auf zwei Momente hingeschrieben ist – Eilen und Verweilen und so der Perspektivwechsel ausdrückt, was in dem Gedicht (mit dem lyr. Ich) geschieht.

Womit ich die meisten Schwierigkeiten habe, ist das „nervös“ und das „aus Leben und aus Arbeit“ (wenn das so bleibt wäre ich auch dafür, das „aus“ zu streichen). Ich könnte mir beiden Worten eine Streichung vorstellen, weil das pulsen alleine stärker ist als das „nervös pulsen“ finde ich...das aus Leben und Arbeit, finde ich lyrisch noch nicht perfekt umgesetzt...ich muss bei Arbeit auch immer an die Arbeit der Tunnelarbeiter denken, aber die ist ja gar nicht gemeint (denke ich?)

Aram: Diesen Einwand verstehe ich noch nicht ganz:
"am ende des tunnels aus leben und arbeit" verstehe ich nicht ...ist am ende des tunnels kein leben mehr?


ich lese den Tunnel (den U-Bahn-Schacht) AUS Leben und Arbeit (Leben = Menschen, die sich bewegen...das schließt ja nicht unbedingt aus, dass am Ende des Tunnels kein Leben ist? Also wie ein Tunnel aus Stein...dann heißt das ja auch nicht, dass wenn der Tunnel zuende ist, automatisch nichts mehr aus Steinen da ist? (man, das klingt jetzt doof..aber ich kann es nicht anders erklären )
„problematisch“ finde ich die Passage aber wie gesagt auch.

Meine Idee daher:

Mozartjahr, Chatelet, 18:15 Uhr

Wir pulsen
durch die Adern
der Stadt

Doch dann
am Ende eines Tunnels
dieses Kammerorchester
und das Salzburger Divertimento*

Menschen fluten vorbei
nur manchmal
stockt
der Fluss
und einer
bleibt stehen

Die Mauern
knien nieder und lauschen
werden jung


Das wären meine Ideen (habe die Setzung auch ein bisschen verändert). Die „Leben und Arbeit-Stelle“ könnte für mich dann noch bearbeitet werden.

Lieber Nifl,
ich finde deine Kritiken immer sehr treffend und frisch, aber ich kann in diesem Fall schon verstehen, warum ein Autor - auch einer, der nicht zart besaitet ist - dich ab einer gewissen Stelle alleine lässt (lassen will) mit deiner Kritik. Ich glaube, das Schlussbild kann nicht begründet/aufgeschlüsselt werden, wie du es verlangst. Entweder fängt es einen ein oder eben nicht. Und bei dir scheint das nicht der Fall zu sein, wie das ja oft (meistens!) der Fall ist, wenn man Lyrik liest und was auch völlig legitim ist. Ob das eine Schwäche des Bildes ist oder ob Empfindung von Leser und Bildwelt dabei einfach nur nicht zueinander kommen, ist wohl objektiv ebenso wenig auszumachen.

Ich glaube, ich hätte an Max Stelle auch ab einem gewissen Punkt gesagt: ich will das nicht erklären (weil es unmöglich ist) und es gut sein lassen wollen, vor allem, weil man das Bild in meinen Augen nicht "bearbeiten" kann, um den Fehler, den du bemängelst, zu beheben? Ich glaube, das Bild ist fertig ,wie es ist, soll hier heißen: unveränderbar in die Richtung, die nötig wäre, es dir näher zu bringen.
Aram hat zum Beispiel in meinen Augen den Text viel grundsätzlicher infrage gestellt bzw. kritisiert als du, aber auf eine Weise, die es zulässt, darüber zu kommunizieren, etwas in Gang zu setzen. Das vermisse ich bei deiner Kritik und deshalb kann man als Autor auch darüber enttäuscht und wütend werden, sollte sich aber (Blick wechselt zu max) vielleicht doch mit etwas mehr Humor davon distanzieren können.

Aus der Antwort auf deinen Kommentar von dir dann aber zu folgern, gar nicht mehr in die Lyrik zu gucken, finde ich dann aber auch eine Verallgemeinerung, die man so nicht machen müsste (und vor allem, eine Verallgemeinerung, die selbst ein bisschen „zart besaitet“ klingt :-)). Bei mir zum Beispiel darfst du gerne immer herumnifleln und ich denke, das gilt auch für viele andere. Ich würde dich gerne hier mehr lesen!!

ich würde mich freuen, wenn die Diskussion noch dazu beitragen kann, dass das Gedicht noch gewinnt.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

pandora

Beitragvon pandora » 10.12.2006, 17:46

"This language that we call music is a language that comes from a space that we call soul."

"I don't understand why, but when I play mozart in my concerts something happens between all of us. The audience becomes more united too."

- Giora Feidman -

Nifl
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Beitragvon Nifl » 10.12.2006, 18:14

(und vor allem, eine Verallgemeinerung, die selbst ein bisschen „zart besaitet“ klingt )

o, ja … stimmt!*g
Es ist wohl auch eine Frage des Vertrauens an den Kritiker und des Selbstvertrauens des Texters, … das eben noch nicht so richtig vorhanden ist….
Deine Sichtweise zum Perspektivenwechsel finde ich sehr interessant, überzeugt mich fast (ich schrieb fast!*g)

Jedenfalls habe ich dank Max mal wieder Hilde Domin Texte gelesen und das war die ganze Aufregung schon wert.

LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Max

Beitragvon Max » 11.12.2006, 14:51

Liebe Kommentatoren,

hier kommt eine kleine Friedenspfeife von mir (angenommen, Nifl?) und auch der Versuch, mich mit Euren Kommentaren auf inhaltliche Weise auseinander zu setzen.
Zunächst vorweg: ich bin gar nicht der Meinung, dass das Gedicht so, wie es gerade ist, nicht verbesserungsfähig wäre, vielleicht sogar verbesserungsfähig durch mich. Da ich, hätte ich das Gedicht (unvoreingenommen) zu kritisieren gehabt, es vermutlich mit einigen kritischen Anmerkungen versehen hätte, aber insgesamt auch mit keinem ganz schlechten Urteil (dazu mag ich wohl Mozart zu sehr), war ich über beides erstaunt, das uneingeschränkte Lob ebenso wie die Verrisse.
Was den Perspektivwechsel angeht, so ist er wohl intrinsischer Bestandteil des Gedichts. Lisa hat das sehr treffend beschrieben (gut, dass das Gedicht wenigstens bei ihr so weit funktioniert, schließlich war sie dabei ;-) ): der Wechsel soll so funktionieren, dass das lyr. ich oder wir inmitten der Hektik der Großstadt mit diesem Kammerorchester eine Oase entdeckt. Ich weiß nicht, wie ich das vernünftig beschreiben sollte, ohne dabei den Perspektivwechsel einzubauen.
Der zweite zentrale Kritikpunkt, die jungen, niederknienden Mauern, haben mir inzwischen ungefähr so viel Lob eingebracht wie Kritik. Einige scheinen zu verstehen, was ich sagen möchte, empfinden das bild als richtig, andere gar nicht. Was das „niederknien“ angeht, so soll es dafür stehen, dass inmitten dieses Trubels (wie gesagt Chatelet ist ein riesiger U-Bahnhof, um 6 Uhr abends, wenn alles nach Hause hastet, ist der wirklich turbulent) so etwas wie Andacht entstehen konnte. Das „jung“ verweist zum einen auf das Alter der Musik. Selbst die Mauern fühlen sich in die Zeit der Musik versetzt, zu welcher sie jung oder noch gar keine Mauern waren. Außerdem soll es den Zauber der Musik unterstreichen, jemanden jünger machen, ist ein Wunder, jemanden älter machen funktioniert von ganz allein. Insofern sollen die jungen Mauern positiv besetzt sein.
Zu den Details. Mir ist nicht ganz klar, wieso das „nervös“ das „pulsen“ schwächen sollte – vielleicht ist aber nervös noch nicht das richtige Wort, das muss ich wirklich nochmal überlegen. Der „Tunnel aus Leben und aus Arbeit“; Aram, Deine Frage, ob dahinter kein Leben sei, ist mir unverständlich. Lisa hat es, glaube ich, schon geschrieben: dass etwas aus einem Material ist, heißt doch nicht, dass dieses Material dahinter nicht mehr zu finden ist. Der Tunnel aus Leben und aus Arbeit schien mir eine schöne Metapher, für die hektisch von der Arbeit nach Hause (in ihr Leben) hetzen, aber vielleicht ist es richtig, dass dieses Bild nicht genau trifft, was ich sagen möchte. Leben und Arbeit ganz wegzulassen, ist vielleicht eine Option, aber vielleicht auch nicht die beste. Was die Funktion des „und“ angeht, so gebe ich zu, dass man es kausal lesen kann, aber nicht muss. Trotzdem verstehe ich Nifls Einwand hier und mir gefällt auch sein Verbesserungsvorschlag – das werde ich mal ändern.
Aram, was Deinen Einwand betrifft, dass Strophen 1 und 2 erzählen und ich dort zu kurz greife, wo ich in Strophen 3 und 4 lyrisch verdichten könnte, so denke, ich, dass für mich die Einschnitte anders liegen. Inhaltlich nach S. 1, das ist der vieldiskutierte Perspektivwechsel und formal nach S.3, dort versuche ich mit lyrischen Mitteln die Wirkung der Musik zu zeigen. Natürlich ist es ganz schwer Musik wirklich hörbar zu machen, aber diese Zeilen sind der Versuch die Wirkung sichtbar zu machen.

Was Korrekturen angeht, so bitte ich um etwas Zeit … ganz einfach finde ich das nämlich nicht ;-).

Liebe Grüße
max

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Beitragvon leonie » 11.12.2006, 15:23

Lieber Max,
ich kann ja nur sagen. warum ich so begeistert war: Ich ging einen Weg mit und jeder Schritt war nachvollziehbar, treffend beschrieben, keins der Bilder warf mich aus der Bahn, bis hin zu diesem magischen Moment, wo Raum und Zeit außer Kraft gesetzt scheinen, wo alles möglich ist, auch Mauern, die niederknieen. Einzig das "und werden jung" unterbrach das Mitgehen und brachte mich ins Nachdenken, wie es gemeint ist. Aber war dann für mich stimmig.

In meinem Überschwang habe ich dann nicht mehr jedes einzelne Wort daraufhin geprüft, ob es nötig ist. "Nervös" scheint mir nicht unbedingt nötig, für mich ist es im "pulsen" drin, dass es eine sehr unruhige, nervöse Bewegung ist.
Bei "und werden jung" frage ich mich jetzt tatsächlich, ob es nicht diesem innigen, andächtigen Niederknieen und Lauschen etwas "wegnimmt". Für mich muss es nicht unbedingt da stehen.

Ich kann gut und immer noch begeistert mitgehen bei Deinem Gedicht.

Liebe Grüße
leonie

Nifl
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Beitragvon Nifl » 11.12.2006, 21:42

hier kommt eine kleine Friedenspfeife von mir (angenommen, Nifl?)

Bin zwar schon ewig Nichtraucher … aber wenn Max ne Pfeife kreisen lässt, kann ich natürlich nicht ablehnen!
Ich würde den Text an deiner Stelle nicht zwingend ändern, wenn du (wie viele andere ja auch) damit zufrieden bist. Allen Nifls kannst du das eh nie recht machen …

LG
Nifl
"Das bin ich. Ich bin Polygonum Polymorphum" (Wolfgang Oehme)

Klara
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Beitragvon Klara » 11.12.2006, 22:00

Hallo,

die Idee finde ich schön (wenn ich sie überhaupt richtig verstanden habe?), und die Umsetzung nicht. Also kann ich nicht anders, als es wieder ganz anders zu machen, ist nicht böse gemeint.

Das Bild mit den niederknieenden und jünger werdenen Mauern - da muss ich Nifl zustimmen, sorry - macht den ganzen Text lächerlich.

Ich würde aufteilen in Stimmung 1, STimmung 2 und Stimmung drei und keine davon unnötig mit Bedeutung aufladen, die sie nciht hergibt. Hier ins Unreine, nur als meine Idee für die Richtung der nötigen Über/Be-arbeitung.

mozartjahr am boden

I
nervös
hasten wir
durch die stadt
am ende des tages
am ende der straße

II
da stehn sie
am ende des tunnels
und spielen
das divertimento!

de menge zerstreut sich
verhält sich
nur manchmal
bleibt auch einer stehen

III
und lauscht.


lg
k

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leonie
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Beitragvon leonie » 11.12.2006, 22:07

Oh, Klara,

jetzt muss ich mit Dir streiten. Das kommt mir vor wie jemand, der einen Sonnenuntergang physikalisch erklärt. Der Zauber geht verloren durch Versachlichung. Vielleicht trifft der Text von Max eine romantische Ader in mir, die Wunder und ähnliches für möglich hält.

Posaunenklänge sollen in Jericho Mauern zum Einstürzen gebracht haben, es gibt die Rede vom Steinerweichen, warum sollen in einem Bild die Mauern nicht niederknieen dürfen, weil sie dem Zauber der Musik erliegen. Vielleicht sind es ja auch Mauern in uns Menschen.

Liebe Grüße

leonie

Klara
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Beitragvon Klara » 11.12.2006, 22:34

Hallo Leonie,

wahrscheinlich liegt das daran, dass ich im Vergleich zu dir völlig unromantisch bin.
Deshalb werde ich wohl nie Maxens Gedichte verstehen geschweige denn nachempfinden können, aber ich bin der Ansicht, dass Romantik und Gedichteschreiben nicht zwingend zusammen gehören (außer natürlich in dieser einen Epoche, Eichendorff und so, die ja diesen Namen trägt).

Mir scheint, dass in diesem Salon die meisten Gedichte romantischer Art sind oder sein wollen, aber wenn man romantische Bilder baut, müssen sie stimmen, finde ich. Wir leben ja nicht mehr zu Jerichos Zeiten, und dass jemand ein gutes Gefühl zu einer bestimmten Situation hat, heißt noch lange nicht, dass es dann auch gut "übersetzt" wird.

Und deshalb streiten sich die verschiedenen Geister über die verschiedenen Texte.

Die Mauern in uns Menschen - ja. Das ist eine schöne Metapher. Aber sie erschließt sich mir nicht aus dem Gedicht von Max. Das konnte sich für mein Sprachgefühl für keine Bild-Richtung entscheiden und nahm dann im Mozartschen Überschwang alle zusammen. Das ist, wie wenn jemand mit Salz und Zucker zu gleichen Teilen die Mahlzeit würzt - ungenießbar.
Das ist jetzt alles mein Eindruck, und jetzt werde ich sicherlich auf den Deckel bekommen, aber so sehe ich es nun einmal. Gedichte stehen schließlich nicht unter Artenschutz - davon gibt es sooo viele ,-)

Meine kursiven Verse dazu sollten nur die eine Möglichkeit zeigen, stringent zu bleiben. Man kann das natürlich auch in Richtung romantisch tun, zum Beispiel so (wieder gnadenlos ins Unreine):

Der Puls
durch die Adern
der Stadt
steht nie still
wir nehmen ihn auf
Tag für Tag

Doch dann stoppt
uns am Ende des Tunnels
ein Klang
Das Divertimento!

Die Menge
fließt weiter
nur manchmal
bleibt einer

und kniet
und lauscht


lg
k

Gast

Beitragvon Gast » 11.12.2006, 23:35

Hallo Max,

lass dir um alles in der Welt Zeit.
Selbst wenn die Mauern von Jericho einstürzen sollten. ;-)
Vielleicht ist es mit diesem Gedicht tatsächlich so, dass es die Leser in zwei Lager spaltet.
Eines, dem sich das Gedicht erschließt und ein anderes, dem es verschlossen bleibt und deshalb die "Verbesserungs"vorschläge den Autor geradezu erschlagen könnten.
(Lass dir beistehen).
Wenn du für das "nervös" auf die Suche gehst, wie wäre es mit "abgehetzt" oder "genervt" vielleicht...
Mir gefällt das Gedicht immer noch und da weiß ich mich in guter Gesellschaft.
leonie hat sehr schön beschrieben, wie sie sich den Text "zu Gemüte" geführt hat.
Als romantisch habe ich dein Gedicht nicht empfunden.
Vielleicht mangelt es manchem Leser an Phantasie, um einen solchen von Musik durchdrungenen Moment nachfühlen zu können.

Liebe Grüße
Gerda


Hallo Klara,

Wo bleibt die Achtung vor Max' Text?

Mit deinen Umschreibungen nimmst du dem Text das Wesen, und das finde ich mehr als schade.

Musik kann den Menschen, die sich ihr öffnen, auch heutzutage Genuss bereiten, gerade im allergrößten Trubel als Kontrast. Ich denke um einen solch andachtsvollen Moment, den das Lyrich inmitten des U-Bahnhofs einer Metropole während der Hauptverkehrszeit erlebt hat, geht es in diesem Gedicht.
Und weiß Gott, wie Eichendorff & Co hört sich das nun wirklich nicht an.
Dass Max den "Tunnel" nicht physkalisch meint, dürftest du aber doch bemerkt haben.

Obwohl mich das nicht betrifft, empfinde ich deine "Kritik" als ungehobelt und wenig einfühlsam.
Überdies habe ich den Eindruck, dass du im Grunde nur ausprobieren möchtest, wie weit du gehen kannst, dass es dir nicht wirklich um eine Arbeit an Max Text geht.

Mit anderen Worten, warum nimmst du dir ein Gedicht vor, zu dem du ganz offensichtlich keinen Zugang hast?

Nachdenklich Grüße
Gerda

Mucki
Beiträge: 26644
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Geschlecht:

Beitragvon Mucki » 12.12.2006, 00:19

ich verstehe die Diskussion hier nicht.
Gerade dieses hier:

Die Mauern
knien nieder und lauschen


finde ich so klasse, wie ich ja auch gleich zu Anfang schrieb. Lyrische Freiheit! Alles ist möglich. Und das ist das Schöne an der freien Lyrik. Und jetzt hat Max es doch, auch wenn er es gar nicht wollte (was ich sehr gut verstehen kann, ich mag das nämlich auch nicht), explizit erläutert, was er damit ausdrücken wollte (und ich genauso verstanden habe und deshalb so mag).

Wir lassen in unseren Texten innere Gefühle, Phantasien lebendig werden, und dann können auch Mauern niederkien, wobei hier sogar noch die Assoziation zu der Mauer im Menschen enthalten ist.

Wir haben doch alle Freiheit der Welt, unsere "Figuren", seien es Bauwerke, die leben, seien es Gefühle, die personifiziert werden, in unseren Zeilen so zu kreieren, wie wir es in diesem Moment fühlen.
LG
Magic


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