Wer kennt sie nicht, nervöse, feine Herren
von jenem Stamm, der stolz sich Dichter nennt?
Wenn sie von ihren Seelenschmerzen plärren,
dann spürt man gleich: Das ist ihr Element.
Der rollt die Augen, rudert mit den Händen -
dass Hörern kalt es übern Rücken kriecht,
das Dichterwort verkrallt sich in den Wänden …
Verpönt ist bloß, was sehr nach unfein riecht.
Vom Himmel holt der Mann die güldnen Sterne,
die Liebe ist's, die ihn zum Schmelzen bringt.
Beschwört sehr eindrucksvoll dann die Moderne,
das Publikum begreift gebannt: Er ringt!
Um jedes Wort, es brennt ihm auf der Seele!
Er girrt, er flüstert, sehr geheimnisvoll,
ein spitzer Schrei entfleucht gar seiner Kehle.
Er gleicht beinahe nun dem Gott Apoll.
Noch sind die letzten Verse am Verhallen,
berauscht saugt er der Seelenklänge Duft.
Erschöpft lässt er sich in den Sessel fallen,
er ringt mit sich und schwer nach Atemluft.
Nun ja, den Herrenwitz am guten Ende,
den kleinen Spaß, den hat er immer drauf.
Dann kommt die Bitte um die Eintrittsspende,
ein Bücherstapel wartet auf Verkauf.
Grandios der Abend, wieder mal gelungen!
Der Beifall tost. O welch ein Publikum!
Der Dichter dankt gerührt mit Engelszungen.
Die Welt der Dichtung – sein Elysium!
Dichterlesung
Nee, Rita, lass den Quatsch, es ist nicht "schön für ihn".
Der Staub wirbelt auf, ja, das hatte ich anfangs auch geschrieben. Und fragte danach, warum/ wozu Du hier eine Dichterlesung aufs Korn nimmst, die es "so" nicht mehr oder kaum noch gibt.
Der Staub wirbelt auf, ja, das hatte ich anfangs auch geschrieben. Und fragte danach, warum/ wozu Du hier eine Dichterlesung aufs Korn nimmst, die es "so" nicht mehr oder kaum noch gibt.
Aber hier spricht das lyrische Ich, nicht Rita. Rita schrieb hier ein Gedicht, in dem ein altbackener, spießiger Mensch sich beklagt. Rita findet dieses lyrische Ich sicherlich auch altbacken und spießig. Und das, worüber dieses altbackene und spießige lyrische Ich sich beklagt, findet auch Rita bestimmt noch altbackener und spießiger.
Danke, Pjotr. So ist es, meine Satire macht sich lustig über die reisenden Edellyriker "aus der Stadt", die es durchaus noch gibt, und wie ich festgestellt habe, gerade in den Dörfern, wo dann das ganze Dorf in der Kulturscheune zusammenkommt und dem von Apoll Auserwählten lauscht, passiert ja sonst nichts. Ich selbst habe zwei solcher Lesungen erlebt, und was ich dort in Ansätzen mitgekriegt habe, habe ich in meiner Satire nur etwas übertrieben. Und Satire lebt ja von der Überspitzung. Was ja nicht heißt, dass es nicht auch wirklich gute Lyriker gibt, gerade in solchen verschlafenen Dörfern, wo der für zehn Dörfer zuständige Pastor der einzige "Kulturträger" ist. Alles, was es an wirklicher Kultur in Brandenburg gab, ist ja seit 1990 beseitigt worden. Die Leute helfen sich eben selbst, und da können sie nicht wählerisch sein.
Ciao, Rita
Ciao, Rita
Amanita hat geschrieben:Der Staub wirbelt auf, ja, das hatte ich anfangs auch geschrieben. Und fragte danach, warum/ wozu Du hier eine Dichterlesung aufs Korn nimmst, ...
Amanita, ich glaube, es ist doch nicht ganz die Rita, die da etwas aufs Korn nimmt, auch ist es nicht das Lyrich allein, sondern es ist eine aus Rita und Lyrich unlösbar zusammengebackene, aus einem Kochtopf entnommene Frikadelle :-)
Die Autorenschaft hat mit dieser Satire nichts zu tun. Diese Satire hat sich selbst geschrieben. Die Autorenschaft ist lediglich der Herausgeber.
Entweder es ist eine Satire über die beschriebenen Dichter, oder, eine Stufe weiter, eine Satire über den Dichter, der sich in seinen Versen über diese anderen Dichter auslässt. Ich denke, es würde dem Text gut tun, wenn das klarer ersichtlich wäre.
Diese Zeile sticht auch für mich positiv heraus.das Publikum begreift gebannt: Er ringt!
Das ist das Schöne an der Sprache, dass ein Wort schöner und wahrer sein kann als das, was es beschreibt. (Meir Shalev)
ich glaube, pjotr, um in deinem bild zu bleiben, dass diese dichterlesung wie beschrieben das fade rohmaterial einer frikadelle ist. der autor würzt, gibt ein eingeweichtes brötchen dazu und gart es in der pfanne. und dann kommt etwas leckeres dabei rum. oder aber nicht. das liegt dann beim autor. für das rohmaterial allerdings kann der wortekoch indes wenig. es ist die grundsubstanz, die gegeben ist.
alles weitere ist eben geschmacksache. zubereitet nach dem geschmack des autors. was aber nicht heißt, dass der autor auch das rohmaterial erstellt hat....
und ob dir es dann schmeckt, ist letztendlich nicht zwingend sache des kochs.
beste wishes.......
alles weitere ist eben geschmacksache. zubereitet nach dem geschmack des autors. was aber nicht heißt, dass der autor auch das rohmaterial erstellt hat....
und ob dir es dann schmeckt, ist letztendlich nicht zwingend sache des kochs.
beste wishes.......
Ich ziehe noch eine dritte Ebene in Erwägung, Flora: Womöglich beabsichtigt diese Satire ihre Leser auf die Frage zu lenken, ob selbige Satire die in ihr beschriebenen Dichter verspottet, oder die Satire sich selbst verspottet, oder gar beides zusammen. Ein Ringen in der dritten Stufe, sozusagen. Und dieses Ringen verspottet diese Satire. Raffiniert, denn dadurch führt die vermeintlich zweifach konzentrierte Altbackenheit über in die Postmoderne, worin sich abermals eine weitere Ebene entfaltet, hat doch die Postmoderne ganz ähnliche stilistische Probleme. Oder anders gesagt: Das ist nicht Ebene Nummer vier, sondern wieder die erste; es ist ein Kreislauf.
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