Verse von Zeit

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Rita

Beitragvon Rita » 18.01.2015, 06:46

Nun, da die Menschheitsliebe verloren
verlieren wir auch die Zeit, das Vermächtnis
zu kostbar, das die Mütter uns ließen
ihre und unsere Zeit

Sie flieht uns, sie hat keinen Anfang
kein Ende, kennt nicht den Schmerz
des Vergehens, unser Verweilen ist kürzer
als der Gedanke an sie

Nie hatten wir Zeit, doch nun,
da die Verheißung des Lichts eine Schimäre
nun, da wir uns seufzend selbst verlassen
nun haben wir Zeit

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ZaunköniG
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Beitragvon ZaunköniG » 30.01.2015, 10:08

Das alte Sender-Empfänger-Problem, Rita

Ist es mangelndes Textverständnis oder mangelndes Mitteilungsvermögen? Woher nimmst diese überbordende Gewissheit, dass es nur am Leser liegen kann, wenn ein Text nicht oder falsch verstanden wird?
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

Quoth
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Beitragvon Quoth » 30.01.2015, 11:04

Ich lese - mit Verlaub, Rita - diesen Text ganz schlicht als Klage über den Verlust der Geborgenheit im politischen Weltanschauungssystem des Realsozialismus bei der Wende. Bei der Menschheitsliebe geht es nicht, Nera, um die Liebe, die die Menschheit fühlt, sondern um die Liebe zur Menschheit, die der Sozialismus sich auf die Fahne geschrieben hatte. Der verlorene Anfang der Zeit ist die Revolution, ihr verlorenes Ende das geschichtliche Ziel der klassenlosen Gesellschaft. Diese ist die "Verheißung des Lichts", und sie hat sich 1989 schrecklicherweise als Schimäre erwiesen, die Zeit, die einmal einen Anfang und ein Ziel hatte, hat sich in ein amorphes Kontinuum verwandelt, und während früher ständiges Streben nach Verbesserung des Sozialismus seinen Anhängern die Zeit raubte - jetzt, ihres Ziels und Daseinsgrundes beraubt, haben sie immer Zeit. Vergleiche hierzu die Texte "Zeitenwende", "Berliner Elegie", "Radio hören" u.a. auf Ritas Seite im Abschnitt "Politik":

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http://woerterwelt.jimdo.com/die-politik/

Gruß
Quoth
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Amanita
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Beitragvon Amanita » 30.01.2015, 11:13

Danke, Quoth, das war eine große Hilfe.

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nera
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Beitragvon nera » 30.01.2015, 11:44

ich weiß es quoth und habe es zumindest mit meiner bemerkung über "die verheißung des lichts" versucht anzudeuten. nichts destotrotz; wenn ich unbedarfter leser ohne biografisches vorwissen an so einen text gehe, wird er mir wirr erscheinen. schon weil hier das allumfassende lyrische wir spricht. es ist ja nicht mein aufgabe, über die politische ausrichtung eines autors zu spekulieren, gerade wenn er in seinem text nur diffuses andeutet. außer dieser text ist für ein auserwähltes publikum geschrieben, das schon im voraus weiß, in welche richtung es geht.

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Amanita
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Beitragvon Amanita » 30.01.2015, 11:45

Jaja, da hast Du schon recht, nera, umso vereinnahmender das Wir ...

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nera
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Beitragvon nera » 30.01.2015, 12:19

und ich finde es absolut deplaziert, einen leser, der diesen hintergund nicht mal andenkt, abzubürsten mit dem statement; das mißverständniss läge nur an mangelnder leseerfahrung.

Niko

Beitragvon Niko » 30.01.2015, 12:24

ich sollte auch etwas kratzbürstiger sein, dann hätte ich mehr kommentare zu meinen gedichten....

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Beitragvon nera » 30.01.2015, 12:36

du solltest missionarischer sein;)

Rita

Beitragvon Rita » 30.01.2015, 14:32

ZaunköniG,

ein Text wird bekanntlich nicht nur vom Autor geschrieben, auch der Leser "schreibt" mit an ihm, indem er eigene Gedanken dazu einbringt. Du wirst mir zugeben, dass das Verständnis der behandelten Zusammenhänge nicht unwesentlich davon abhängt, welches Wissen beide, sowohl der Autor als auch der Leser, mitbringen. Wenn es also ein Verständnisproblem gibt, kann es einerseits daran liegen, dass der Text ein Problem behandelt, das dem Leser nicht bekannt ist, es kann aber auch rein technische Probleme berühren, wenn der Text zum Beispiel vom Autor nicht gründlich durchdacht wurde oder er sein Handwerk nicht beherrscht. Andererseits kann es aber auch daran liegen, dass der Leser genau diese Erfahrung des Autors nicht nachempfinden kann, und zwar aus mehreren Gründen, die bei ihm liegen. Über das Problem der Denkfaulheit haben übrigens schon Philosophen nachgedacht. Das sagt aber noch nichts über den Text selbst aus. Der Leser kann also von einem ihm unverständlichen Text, wenn er objektiv an ihn herangeht, nur sagen, er könne ihn nicht verstehen, und zwar deshalb und deshalb nicht. Aber du weißt, fast immer es anders: Der Leser versteht nicht, also ist der Text schlecht, das heißt, der Leser gibt ein vorschnelles Urteil ab, er begreift gar nicht, dass der Fehler bei ihm selbst liegen könnte. Das heißt aber nicht, dass mit diesen Überlegungen ein schlechter Text entschuldigt werden soll, das wollte ich nur nachtragen. Aber das Problem des Nichtrezipierenkönnens von Texten ist so bekannt, dass es sich zumindest unter Leuten, die ab und zu Gedichte schreiben, schon herumgesprochen haben dürfte.

Wenn du also mit dem Text nichts anfangen kannst, dann ist es nicht die feine englische Art, den Autor deshalb zu beschimpfen. Wollte ich nur mal beiläufig festgestellt haben.

Alles klar?

Ciao, Rita

Rita

Beitragvon Rita » 30.01.2015, 14:48

Quoth,

schön, dass du auch mal in meine Homepage reingesehen hast. Speziell scheinen dich da die gesellschaftspolitischen Gedichte interessiert zu haben, ob du jedoch etwas verstanden hast, da habe ich meine Zweifel, wenn ich dein Statement richtig verstehen sollte. Wenn du die Texte auf deine Weise verstehst bzw. missverstehst, dann das ist nur natürlich, du hast in einer anderen Welt gelebt, weshalb du dich gar nicht in meine Gedankengänge unvoreingenommen einfühlen kannst. Zumindest wäre das ein Wunder.

Aber du befindest dich im Irrtum, wenn du annimmst, das obenstehende Gedicht würde von der Zeit um 89 handeln, nein, ich spreche in diesem Gedicht von der heutigen Zeit. Und wenn du das Gedicht so liest, vielleicht, dass es da bei dir einen kleinen Anlass zum kritischen Nachdenken gibt. Das wäre dir zu wünschen.

Viele dieser Texte habe ich in die von mir herausgegebenen Gedichtbände übrigens aufgenommen. Ich habe viel Zuspruch zu meinen Texten von Lesern aus Ost und West erhalten. Nur zu deiner Information.

Ciao, Rita

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Beitragvon ZaunköniG » 30.01.2015, 17:30

Rita,

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Der Leser kann also von einem ihm unverständlichen Text, wenn er objektiv an ihn herangeht, nur sagen, er könne ihn nicht verstehen, und zwar deshalb und deshalb nicht. Aber du weißt, fast immer es anders: Der Leser versteht nicht, also ist der Text schlecht, das heißt, der Leser gibt ein vorschnelles Urteil ab, er begreift gar nicht, dass der Fehler bei ihm selbst liegen könnte.


Nein, das weiß ich nicht, und ich halte dein Urteil für vorschnell, wenn du bei der ersten Nachfrage auf mangelndes Textverstaändnis schließt. man könnte jetzt wortklauben und unterstellen dass ein unverständlicher Text naturgemäß nicht verstanden wird, aber lassen wir das.

Gute Lyrik behandelt oft verschiedene Themen und Ebenen. Du magst da sehr kunstfertig sein, aber mit der komplexität eine Textes wächst auch der Interpretationsspielraum. Wenn du von einer Vielzahl deiner Leseer "falsch" interpretiert wirst, war es wohl eine Spur zu kompliziert.
Und entgegen deiner Einschätzung gibt es niemanden im Salon, der noch nie ein Gedicht gelesen hätte.

Und wenn deine Texte schon hier auf Verständnisprobleme stoßen, wie verwirrt muß dann erst das normale Fußvolk sein?
Sagst du einem Lesungsbesucher, der einen Text nicht verstanden hat auch, dass er besser in Schule hätte aufpassen sollen?
Der Anspruch ihn auszudrücken, schärft auch den Eindruck

Rita

Beitragvon Rita » 30.01.2015, 18:32

ZaunköniG

wenn du etwas nicht verstehst, tut es mir leid. Ich bitte dich, künftig jede Art von Unterstellung und Vermutung, was meine Person angeht, zu unterlassen.

Rita

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Beitragvon Quoth » 30.01.2015, 19:20

Rita hat geschrieben: ... ob du jedoch etwas verstanden hast, da habe ich meine Zweifel, wenn ich dein Statement richtig verstehen sollte. Wenn du die Texte auf deine Weise verstehst bzw. missverstehst, dann das ist nur natürlich, du hast in einer anderen Welt gelebt, weshalb du dich gar nicht in meine Gedankengänge unvoreingenommen einfühlen kannst. Zumindest wäre das ein Wunder.

Nein, keine Sorge, Rita, das Wunder findet nicht statt. Du bist und bleibst hier die perfekte Unverstandene, vielleicht sogar Unverstehbare! In dieser Rolle gefällst Du Dir viel zu gut, als dass irgendwer sie in Frage stellen dürfte! :-)
Gruß
Quoth
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DonKju

Beitragvon DonKju » 30.01.2015, 19:37

pardon,

ich finde, niko hat recht - hier geht es nurmehr um befindlichkeiten und nicht, wie es sollte, um den text. und das musss nicht sein. ritas letzte antwort auf die meine habe ich zur kenntnis genommen und gut ist.

in anderen foren erschiene jetzt die aufforderung: "don't feed the trolls"

in diesem sinne donkju
(riesentöter in ausbildung)


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