Im Kaffee Burger

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Louisa

Beitragvon Louisa » 04.10.2007, 19:21

Wir haben keine Zeit zu verlieren,
denn hier herrscht Zeitverlust.
Wir reden wie halbdunkle Tiere
mit Manieren, die niemand benutzt.

Wir ritzen einander die Lebenslügen
in die Stirn als Gravur -

Das Mädchen mit blassem Haar
reckt ihre Hände ins Blitzlicht und
man hört wie sie in Zeitlupe spricht.

Sie tanzt, als ob gleich zwei Hände
sie nehmen und über uns heben,
irgendein faltiger Gott der Musik,
mit dem sie über uns fliegt -

Und langsam löst sich das Weiß
ihrer Haare auf, als seien wir alle
eingesperrt in einer Photographie,
die ihre Pixel verliert -

Und auch ich bemerke
schon schwarze Punkte
auf meiner Haut.

Wir haben keine Zeit zu verlieren,
denn hier herrscht Zeitverlust.
Ich habe nicht gewusst,
ob Sonne oder Mond höher steht
oder ob dieser Song von Lennon/McCartney
jemals vergeht

Und der Schweiß Deiner Hand
tropft hinauf zum Mädchen,
dass über uns schwebt
und der Wodka aus meinen Augen
fließt in die Lücken im Raum,
der vom Schwarz zerfressen ist

Und das Letzte, was wir noch hören,
ist der Gott an der Decke, der singt:

"König ist, wer am Meisten vergisst!
König ist, wer am Meisten vergisst!"




Der Anfang vom Anfang :) lautete :

Wir haben keine Zeit zu verlieren,
denn hier herrscht Zeitverlust.
Wir reden wie halbdunkle Tiere
mit Manieren und lauwarmer Lust.

Wir malen einander die Lebenslügen
mit Blut auf die Stirn.
Unser Schnee fällt als Asche
in unseren Nebel aus Qualm.
Zuletzt geändert von Louisa am 10.10.2007, 16:53, insgesamt 4-mal geändert.

Perry

Beitragvon Perry » 08.10.2007, 08:18

Hallo Louisa,
ich habe Gedicht und Komms mit Interesse gelesen und will dir gerne meinen Eindruck dalassen.
Ein besonderer Text allemal, weil er Realeindrücke und Gedankenfantasien gelungen vermischt.
Klasse finde ich die "halbdunklen Tiere" und den "faltigen Gott."
Im Detail würde ich sicher einiges anders formulieren (gleich zwei Hände, blasses Haar etc.), aber das ist eben deine Sprache.
LG
Manfred

Louisa

Beitragvon Louisa » 08.10.2007, 11:40

Hallo Manfred-Perry!

Ein einarmiger Gott :smile: ?

(Das Haar das Mädchens war wasserstoffblond. Mm...sollte man das ändern?)

Ich danke für Dein Kommentar. Ich nehme mal an, dass Du einen Eindruck der Bar bekommen hast... Das hoffe ich zumindest!?

Einen schönen Wochenanfang!

l.

PS: Ach ja, was meinst Du denn zu meinem Vorschlag?

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Elsa
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Beitragvon Elsa » 08.10.2007, 12:28

Liebe Louisa,

ok, kein fastfood, was das Essen betrifft :-)
Ich habe mich gleich umgesehen im Kaffee.

Nun verstehe ich besser das Schweben über dem Alltag, die Zeit steht still. Es ist nicht Schnellbetrieb, aber viel Betrieb. Daher bleibt mein Gefühl trotzdem das Gleiche für deinen Text.

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

Louisa

Beitragvon Louisa » 08.10.2007, 16:40

Danke Elsa :blumen: !

(Ich glaube ich schieße da heute auch mal ein paar Bilder, damit ihr seht wie es wirklich ausschaut :smile: !)

Schönen Tag!

l

Perry

Beitragvon Perry » 08.10.2007, 19:06

Hallo Louisa,
"wasserstoffblond" ist durch Marylin zu vorbelastet. Ich würde das blass durchaus lassen nur es auf das Mädchen insgesamt und nicht auf ihre Haare beziehen.
LG
Manfred

Louisa

Beitragvon Louisa » 09.10.2007, 04:39

Hallo!

ich komme gerade von besagtem Ort :smile: --- Ich meinte eigentlich meinen Änderungsvorschlag bezüglich der 1.Strophe, Perry!

Schlaf schön!

Perry

Beitragvon Perry » 09.10.2007, 07:16

Hallo Louisa,
was den ersten Vers anbelangt, so gefällt mir der doppelte Zeitbegriff weniger und die letzte Zeile insgesamt nicht besonders (Marnieren klingt fremdartig in diesem Umfeld, Lust zu allgemein und benutzt zu distanziert).
Hier meine Variante:

Wir haben keine Zeit zu verlieren,
denn hier ertrinken die Stunden.
Wir reden wie halbdunkle Tiere
drücken uns durchs Dickicht.

Guten Morgen und LG
Manfred
Zuletzt geändert von Perry am 09.10.2007, 21:58, insgesamt 1-mal geändert.

Gast

Beitragvon Gast » 09.10.2007, 14:16

Liebe Louisa,

so, so du kamst gerade von besagtem Ort. :rolleyes:

Also ich dann noch mal. :blink2:
Inzwischen habe ich mich in die Stimmung eingelesen.

Weißt du, ich glaube, das ist das typische an "LouIsaLyrik", dass sie in einfachen Worte ganz sanft und blumig das absurde des Lebens, der Liebe beschreibt.
Unter dieser Prämisse - nicht als Charakterisierung des bestimmten Ortes, wie sie der Titel mich zunächst vermuten ließ, lese ich den Text nun viel offener und freier und halte ihn für atmospärisch gelungen (auch wenn er flutscht)
Zum ersten Vers:
ich habe mir deinen Vorschlag für die Änderung mal angesehen und muss sagen, so richtig kann ich mich nicht damit anfreunden.
Perrys Vorschlag zu den Stunden, die ertrinken, gefällt mir sehr, denn da ist viel drin und viel (un)ausgesprochen ...
Vielleicht so eine Mischung aus beidem?
Vers zwei gefällt mir in der zweiten Version entschieden besser, obgleich, die erste nicht übel war, aber ich glaube, dass Version 2 ungewöhnlicher ist und eindrücklicher (@Gravur).

Liebe Grüße und weiterschreiben bitte :daumen:
Gerda

Peter

Beitragvon Peter » 09.10.2007, 22:57

Liebe Louisa,

du entwickelst einen Hang zur Dunkelheit, wie mir scheint. Lisas Vergleich zu Beckmann finde ich treffend, auch, weil es eine expressionistische Überzeichnung gibt, die aber, für mein Lesen, zum Großteil in bloße Worte verfällt. Jeder Augenblick ist dramatisch gesetzt, aber dahinter oder darin ist ein Schweigen. Ob es vielleicht diese schwarzen Punkte sind, die die Mitte des Gedichtes einnehmen? Scheinbar zielt die Aussage auf das Schwarz hin, das... nicht mehr zu vergessen ist, das eingedrungen ist, so stark, dass selbst ein Gottesgesang darin versinkt.

Es soll aber Maler gegeben haben, denen das Schwarz der wesentliche Grund war. Sie hoben aus dem Schwarz die Farben hervor. Ob man so auch dichten kann? (Und leben?)

Liebe Grüße,
Peter

Louisa

Beitragvon Louisa » 10.10.2007, 15:58

Guten Nachmittag!

Perry, danke für deine Ideen!

Mir ist aber schon recht wichtig, dass es heißt: "Tiere mit Manieren" ... Das ist beinahe bedeutsamer (für mich) als das "halbdunkel".

"Lust" habe ich ja in meinem Änderungsvorschlag (falls Du den beachtet hast) eh schon gestrichen.

Ich kann ihn ja noch einmal anführen:

Wir haben keine Zeit zu verlieren,
denn hier herrscht Zeitverlust.
Wir reden wie halbdunkle Tiere
mit Manieren, die niemand benutzt.


Also...ich finde es ja schön, dass euch zweien die "ertinkenden Stunden" so sehr gefallen :smile: , aber ich bin mir da noch sehr unsicher.

Ich möchte schon eine gewisse Paradoxie in ein Wortspiel verpacken. Es geht mir eigentlich darum, dass es am Anfang heißt: "Wir haben keine Zeit zu verlieren", was ja eigentlich bedeutet: "Wir haben es eilig", aber in meinem Kontext: "Wir haben wirklich keine Zeit zu verlieren, weil es an diesem Ort gar keine Zeit mehr gibt, die man verlieren könnte. Das ist ein Zeitloch hier!"

-Das habt ihr bestimmt auch so verstanden, aber ich persönlich finde, dass "ertinken" ein ganz anderes Sinnfeld ist. Dort "ertinken" die Stunden auch nicht. Für mein Empfinden ist das nicht richtig, weil es ja so etwas wie "Stunden" dort gar nicht gibt. Es herrscht eben wirklich "Zeitverlust".

Mm....das ist schwierig. Vielleicht ist euch die Zeile "Denn hier herrscht Zeitverlust" nicht eindeutig genug oder zu hart. Ich überlege noch einmal wie ich das ändern soll. Ansonsten übernehme ich schon mal meinen kleinen Änderungsvorschlag (siehe oben).

Gerda, du willst aber hoffentlich nicht sagen, dass Du diesen Text "sanft und blumig" findest :smile: ! Dann falle ich nämlich gleich in Ohnmacht :smile: !

Kann mir bitte mal jemand erklären wie ich cool und fleischlich schreiben kann? Jetzt haben wir doch alles! Jetzt haben wir Drogen, Alkohol, Rock and Roll, Blut und Sex :smile: ! Da ist doch alles! Was wollen wir denn noch??? Was braucht es denn noch? *dreht durch*
Was wollen die Menschen eigentlich von mir :smile: ? Selbst Gott klebt an der Decke wie ein Pfannkuchen in diesem Gedicht :smile: ! Hilfe! Sogar Blasphemie steckt da drin! Hihi...

Ähem...

Vielen Dank, dass Du auf meinen Änderungsvorschlag eingegangen bist, Gerda! Dann nehme ich es einmal...

Hallo Peter!

Ich entwickle insbesondere einen Hang zum Berliner Nachtleben wie mir scheint :smile: ! Findest Du diese "Überzeichnung" denn schlecht? Eigentlich ist das für mich im Nachhinein ganz eigenartig. Ich setze mich immer hin und denke: "So, und jetzt kommt mal ein ganz realistisches Gedicht!" und dann lese ich später etwas von Stirngravuren und solch anderem Schmarn :smile: !

Aber...wenn ich das mal so sagen darf... Diese "schwarzen Pixelverluste" habe ich wirklich gesehen :eek: ... Lalala... Man muss dazu sagen, dass es ziemlich stickig in diesem Raum ist und an diesem Abend war ich mit einem Freund da und nachdem ich meinte: "So, jetzt sollten wir langsam gehen!" ... bin ich einfach vom Hocker gefallen :smile: ... Das hört sich jetzt wieder an, als sei ich eine richtige Pennerin, aber dem Herrn war auch schwindlig :smile: ... Also kann es nicht nur an mir gelegen haben... Jedenfalls stand ich wieder auf und fand, dass den Leuten die Pixel fehlen :smile: ... und das erste Wort, dass ich sprechen konnte war: "Peinlich!"

:smile:

So, jetzt habe ich wieder viel zu viel erzählt. Was Du da mit dem Schwarz in die Diskussion wirfst, Peter, finde ich sehr spannend! Ich finde es ist auch oft so, dass man nachts die Augen schließt und zunächst nur Dunkelheit sieht, aus der dann kuriose Bilder und Szenen entstehen können, wenn man dem Raum gibt. Oder :smile: ?

Jedenfalls vielen Dank für Eure Hilfe! Wenn euch noch etwas dazu einfällt oder ihr eure Rausch-Erlebnisse kundtun wollt: Immer her damit :smile: !

Dank und Gruß :blumen: !

Das verdorbene Blümchen (hihi)
Zuletzt geändert von Louisa am 10.10.2007, 16:54, insgesamt 2-mal geändert.

Peter

Beitragvon Peter » 10.10.2007, 16:25

Hallo Lou,

dass in der Nacht zum Einschlafen den Augen Bilder werden, kenne ich auch gut. Ja, vielleicht vermisse ich ja dieses Steigen in deinem Gedicht. Aber... meine Wahrnehmung.

Es ist aber kein Trinklied, oder?

Vom Stuhl bin ich noch nie gefallen, aber mit dem Stuhl schon.

feste Grüße

Peter

Louisa

Beitragvon Louisa » 10.10.2007, 16:49

Ähem...also ich dachte eigentlich, dass es schon eine ganz, ganz kleine Steigerung gibt und zwar von der Geschichte des Mädchens, die sich eigentlich mit der des Ortes verbinden sollte.

Am Anfang tanzt sie, dann verliert sie die Pixel, dann schwebt sie wirklich mit dem Gott an der Decke und am Ende ist alles schwarz.

So meinte ich das. Aber es ist immer blöd, wenn man sein eigenes Gedicht erläutert. Vielleicht ist die Klimaxstruktur (hohoho) auch zu schwach.

Schön, dass Du mit dem Stuhl gefallen bist :smile: !

Das war generell ein eigenartiger Abend, denn vorher war der Herr an meinen Beinen verschwunden und meinte immer: "Hier muss ein Kleiderhaken sein! Wo ist der Haken? Wo ist der Haken?" (= Sprichwort Nummer 1 !)

und dann bin ich "vom Hocker gefallen" (= Sprichwort Nummer 2!) und meine eine Kopfseite hat immer gesagt: "Du bist im Bettchen!" und die andere: "Bist Du total irre? Du bist im Kaffee Burger, nix da mit Bettchen! Stehst Du wohl auf!" und dann die andere wieder: "Jaja...das ist doch das Bettchen hier!"

:smile:

Ähem... Die Burger-Seite hat zum Glück gewonnen :smile: !

Jaja...Oma erzählt wieder ihre Anekdoten :smile: ...

Danke Peter für Deine Rückmeldung!

Oma

Peter

Beitragvon Peter » 10.10.2007, 17:02

Oma Lou,

anscheinend hörst du nicht mehr so gut, also ich selbst spreche von einem Steigen, so wie es in der Nacht ist: das aufsteigende Bild, nur dann im Wort. Allerdings muss ich gestehen, das tanzende Mädchen hab ich so nicht verstanden.

Wie du erzählst, ist sehr schön (voller Erlebnis). Mach doch eine Geschichte draus.

Liebe Grüße,
Peter

Louisa

Beitragvon Louisa » 10.10.2007, 18:16

Hauptsache es steigt etwas, mein Junge :smile: !

O.

PS: Die Geschichte kennt ihr ja jetzt schon :pfeifen: ....


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