Zimmer mit Zukunft

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Perry

Beitragvon Perry » 25.06.2007, 22:58

Zimmer mit Zukunft


Endlich vier eigene Wände
eine Tür zum Abschließen
Fenster mit Vorhängen

Wir schliefen auf dem Boden
wechselten öfter die Stellung
jeder sollte es mal bequem haben

Am nächsten Morgen kauften wir
eine Zeitung als Unterlage
checkten die Stellenangebote

Gast

Beitragvon Gast » 26.06.2007, 22:26

Hallo Perry, auf die Gefahr hin, nur was zu wiederholen, was ohnehin schon gesagt wurde: Mir gefällt das. Und ich würd auch - unbedingt!! - gerade die zweite Strophe lassen wie sie ist.

LG Mel

Scal

Beitragvon Scal » 26.06.2007, 23:56

Endlich vier eigene Wände, eine Tür zum Abschließen, Fenster mit Vorhängen. Wir schliefen auf dem Boden, wechselten öfter die Stellung. Jeder sollte es mal bequem haben. Am nächsten Morgen kauften wir eine Zeitung als Unterlage, checkten die Stellenangebote.

Hallo Manfred,

ich schrieb das jetzt ohne Zeilenumbruch, weil ich mir die Frage stellte, inwiefern dein Text Lyrik ist. Lässt sich wohl auch ganz prosaisch lesen.

Lieben Gruß
Scal

Gast

Beitragvon Gast » 27.06.2007, 00:01

Ja. Damit kann man (fast) jedes Gedicht zerlegen.

Niko

Beitragvon Niko » 27.06.2007, 02:55

scal......-ich glaube, das nennt man destruktivismus oder so. auf die art sollte man nicht an ein gedicht herangehen. das finde ich ein wenig polemisch und oberflächlich. nix für ungut...

lieben gruß: Niko

Louisa

Beitragvon Louisa » 27.06.2007, 08:00

Hallo Scal!

Das ist übrigens eine ganz beliebte Lyrik-Form in unserer Zeit. Die meisten Gedichte heututage sind prosaisch aufgebaut, denke ich.

(Zum Beispiel bei Brinkmann ist das oft so...)

Und ich glaube man kann so an ein Gedicht heran gehen. Es ist ja kein Makel, dass es prosaisch wirkt oder? Mir gefällt Perrys "Satz-Stellung" :smile: besser.

Liebe Grüße!
l

Caty

Beitragvon Caty » 27.06.2007, 09:46

Lieber Perry, mich sprechen alle drei Strophen an. Ein Anfang wird getan, er ist nicht leicht, so oder so haben wir ihn alle mal kennengelernt. Wie Chiquita schreibt: Es riecht nach Schmieröl. Die Sprache ist treffend, Alltagsdeutsch. Nicht gefällt mir der Anglizismus checken. Er soll wohl das Gedicht "moderner" machen, ihm etwas "Cooles" geben, befremdet mich aber nur. Außerdem - das Geschehen muss lange her sein - dies Wort ist noch nicht sehr alten Datums in der deutschen Umgangssprache. Was hältst du von prüfen, überfliegen, aussuchen usw. Die deutsche Sprache ist doch recht vielfältig. a la vida. Caty

Perry

Beitragvon Perry » 27.06.2007, 13:06

Hallo Melusine,
freut mich dass dich diese kleine Lebenserinnerung ansprechen konnte.
Danke für deine Zustimmung und LG
Manfred

Hallo Scal,
danke für deine Meinung. Natürlich sollte Lyrik mehr sein, als die Aneinanderreihung prosaischer Sätze. Auf der anderen Seite vertrete ich aber auch die Meinung Lyrik braucht keine "besonderen" Worte nur tiefe Gründe. Der Leser muss allerdings auch bereit sein sie suchen.
Hinter der erotisch freudigen Bildebene, bietet der Stellungswechsel "mal oben, mal unten", die gegenseitige Sorge um das Wohlbefinden und der Wille eine gemeinsame Zukunft aufzubauen meiner Meinung nach dazu genügend Stoff .
LG
Manfred

Hallo Caty,
es war in den 70igern und da haben wir durchaus schon das eine oder andere gescheckt. :smile:
Moderner wollte ich den Text damit nicht machen, der Blickwinkel ist aber vielleicht gar nicht schlecht, denn dieses "mit nichts als Liebe und dem Willen etwas Gemeinsames zu schaffen" wäre vielleicht auch heute noch, oder wieder, ein gutes Motto.
Danke und LG
Manfred

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 27.06.2007, 16:21

Nun fehlt aber die Antwort auf die Frage, was denn der Unterschied zwischen Lyrik und Prosa wäre.

Manche sagen: Da gibt es keinen!

Hm?

Hatten wir das nicht schon?, vor einem Jahrhundert oder so?

Moshe

Perry

Beitragvon Perry » 27.06.2007, 16:40

Hallo Moshe,
ich denke, wir sollten dieses "große" Thema nicht in diesem Thread zu lösen versuchen. Ich bin da im eigenen Interesse für größtmögliche Toleranz. :smile:
LG
Manfred

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 27.06.2007, 17:09

Lieber Manfred!

Finde ich auch.
Magst du anhand deines Textes die Thematik nicht an anderer Stelle eröffnen?

Fände ich ganz gut.

Moshe

Perry

Beitragvon Perry » 27.06.2007, 23:25

Hallo Moshe,
ich bin ein lyrischer Autodidakt, deshalb höre ich mir solche Diskussionen vielleicht an, führe sie aber nicht. :smile:
LG
Manfred

Scal

Beitragvon Scal » 29.06.2007, 20:02

Hallo Manfred,

mit deiner Anmerkung "hungrige Zufriedenheit" charakterisierst du deinen Text - diese Lebenserfahrung, dieses Damals-Lebensgefühl - sehr treffend, finde ich.

"Wechselten öfter die Stellung" kann man phantasievoll interpretieren, aber auch ganz einfach - ohne an Oben und Unten zu denken.
Eine für mich denkbare Variante zu

"jeder sollte es mal bequem haben":

"(wir) wünschten es so"

Ich glaube, dass es nicht unberechtigt ist, anlässlich deines Text die Frage aufzuwerfen, inwiefern es sich um noch um Lyrik oder schon mehr um Prosaisches handelt. Was würde man denn jemanden antworten, der mit Gedichten kaum oder wenig vertraut ist ? Aber das sei dahingestellt. Es kann sich jeder selber dazu seine Gedanken machen. Eine wirklich klare Abgrenzung lässt sich ohnehin nur schwer finden.

-

Hallo Niko,

mein Kommentar ist nicht polemisch gemeint und eigentlich auch nicht oberflächlich, weil er eine grundsätzliche Frage anspricht. Allenfalls könnte man sagen, es sei taktlos, auf ein Gedicht so einseitig zuzugehen und nur diesen Aspekt herauszuschälen. Die Frage an sich sollte in einem Literaturforum nicht als "Tabu-Sakrileg" empfunden werden, meinem Dafürhalten nach.
Mein Kommentar bezog sich auf den Text, nicht den Autoren (der, nebenbei gesagt, sehr viel Forenerfahrung hat).

-

Hallo Louisa,

es ist mir schon klar, was du über die Prosaform sagst. Auch etliche meiner Texte würde ich mehr als Prosalyrik oder lyrische Prosa bezeichnen. Warum und wo der Bezug zum Lyrischen zum Ausdruck kommt, sollte aber begründbar sein (der bloße Hinweis auf "historische Gepflogenheiten" reicht da nicht ganz hin).

Liebe Grüße euch
Scal

Perry

Beitragvon Perry » 01.07.2007, 16:30

Hallo Scal,
freut mich, dass du deinen Komm noch einmal erläutert und ein paar Gedanken zum Gedicht beigesteuert hast.
Meine Erfahrungen, gerade mit Lesern, die wenig Umgang mit Gedichten haben ist, dass sie gerade zu freudig lyrische Prosa lesen, weil sie ohne große Gedankenakrobatik den Text erspüren können.
Es ist übrigens nicht so, dass mir literarisch anspruchsvolle Lyrik nicht gefällt. Ich bevorzuge aber nun mal das einfache Wort hinter dem sich (hoffentlich) lyrische Weiten öffnen. :-)
Danke und LG
Manfred


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