Davon, wie ich Frauen liebe

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Chiquita

Beitragvon Chiquita » 18.06.2007, 13:25

Davon, wie ich Frauen liebe




In meiner Kindheit
erklomm ich die Wipfel der Bäume und
zeriss mir manche Hose
dabei fühlte ich mich wie ein
Eroberer
doch der Zauberwind
der durch das Blattgewebe fuhr
betörte mich
und machte mich demütig
ich war geborgen, wie ich da
auf der Astgabel
saß

Niemals fühle ich mich heute
als Eroberer, wenn sich eine Frau
mir hingibt
ich klingele nicht an ihren Türen
mit einem Blumenstrauß hinter dem
Rücken
ich schmeichele ihnen nicht
mit Pralinen
niemals erstürme ich ihre Festungen
doch wird mir nicht selten
das Tor geöffnet

Wahr ist, daß ich vor ihren Mauern
meine Lieder singe
ich denke dabei an den Zauberwind
ich denke an meine Liebe zu den Bäumen

Manche Stämme sind zu hoch, daß ich
sie erklimmen kann
andere zu glatt
manches Geäst ist zu morsch, daß
ich mich darin halten kann
sehr oft stürzte ich ab
und mein Herz brach
trotzdem bleibe ich das Kind in der Liebe
rappele mich vom Boden auf
und wandere weiter
durch den Garten der Sinnlichkeit
und Verführung




...
Zuletzt geändert von Chiquita am 29.06.2007, 11:39, insgesamt 2-mal geändert.

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 20.06.2007, 14:50

gerda, ich habe zu den prosagedichten eine andere einstellung. ich danke dir für die vorstellung des gedichts als fließtext (gar nicht übel). wie oft hatte ich schon diese diskussionen um die übergänge von prosagedicht zu kurzprosa - meist verlieren sich die in haarspaltereien.
ich schrieb es nunmal als gedicht, auch wenn du keine lyrik darin erkennen magst.
zugegebenermaßen gehe ich das gedichteschreiben unakademisch an.

gruß
chiquita
Zuletzt geändert von Chiquita am 20.06.2007, 15:02, insgesamt 2-mal geändert.

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 20.06.2007, 14:59

allgemeiner hinweis:

als beispiellektüre dieser art dichtung empfehle ich zb. "in deinen träumen reist das herz" von pablo neruda oder "die luft ist schwer wie blei" von nazim hikmet - zwei hervorragende gedichtbände.

Gast

Beitragvon Gast » 20.06.2007, 16:02

Hallo Chiquita, auch von mir erst mal ein herzliches "Willkommen".
Lach, dein Nick passt zum Gedicht, außer dass das Geschlecht nicht stimmt. "Chico" (kleiner Junge) wäre passender.

Ich stimme Perry zu: Inhaltlich sagt dein Text wirklich mehr darüber, wie die Frauen den Prot. lieben, als umgekehrt. Vielleicht auch sehr viel darüber, wie der Autor die Liebe betrachtet und was er darin sucht? Anscheinend jemanden, der ihn auffängt, wenn er wieder mal von einem hohen Baum runterpurzelt, ihm Pflaster auf die aufgeschlagenen Kniee klebt und seine zerrissenen Hosen flickt ;).

Mal ein bisschen Textarbeit:

    In meiner Kindheit
    erklomm ich die Wipfel der Bäume und
    zeriss mir manche Hose
    dabei fühlte ich mich nur kurz wie ein
    Eroberer
    der Zauberwind, der durch das Blattgewebe fuhr
    betörte mich
    und
    machte mich demütig
    ich war geborgen, wie ich da
    auf der Astgabel
    saß
==> Hier würde ich streichen. Warum: 1. "Zauberwind" beinhaltet bereits das Betörende, 2. der Einschub lenkt vom Gegensatz "Eroberer" - "demütig" ab.

    Niemals fühle ich mich heute
    als Eroberer, wenn sich eine Frau
    mir hingibt
    ich klingele nicht an ihren Türen
    mit einem Blumenstrauß hinter dem
    Rücken
    ich schmeichele ihnen nicht
    mit Pralinen
    niemals erstürme ich ihre Festungen
    doch wird mir nicht selten
    das Tor geöffnet
(Kurz gefasst: "Ich bin auch ohne irgendwas zu tun einfach unwiderstehlich." Hmm.)

    Wahr ist, daß ich vor ihren Mauern
    meine Lieder singe
    ich denke dabei an den Zauberwind
    (ich denke) und an meine Liebe [hier Umbruch]
    zu den Bäumen
Wenn du hier einen Zeilenumbruch machtest, käme in meinen Augen ein Überraschungsmoment hinein, auch ein wenig Selbstironie, was meiner Ansicht nach recht gut zum Text passen würde.
Die Wiederholung von "ich denke" gefällt mir nicht besonders gut, brauchst du sie?

    Manche Stämme sind zu hoch, [als] daß ich
    sie erklimmen kann könnte
    andere zu glatt
    manches Geäst ist zu morsch, [als] daß
    ich mich darin halten kann könnte
    [hier würde ich im Präsens bleiben:]
    sehr oft stürze ich ab
    und mein Herz bricht
    trotzdem bleibe ich das Kind in der Liebe
    rappele mich vom Boden auf
    und wandere weiter
    durch den Garten der Sinnlichkeit
    und Verführung

So... hoffe, du kannst was damit anfangen. Es sind ja keine starken "Eingriffe" in deinen Text.

Die Form gefällt mir gut, ich sehe das als klassisches Prosagedicht.

LG Mel


P.S.:
Eben erst gesehen: "zerriss" mit "rr" (Tippfehler); wenn du alte Rechtschreibung verwendest, müsste es außerdem heißen: "zerriß". Ist inkonsequent, "daß" und "zerriss" zu schreiben.

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 20.06.2007, 18:40

na ja, danke, ich muß die grammatikalischen punkte von dir mal bei einem butterbrot überdenken. ob das wirklich alles so richtig ist, wie du es korrigierst? nun, ich bin kein deutschlehrer.
alte-neue rechtschreibung ist für mich uninteressant. ich denke, daß ein gutes gedicht nicht davon abhängt. aber natürlich sind diese formalitäten alle bemerkenswert, und ich danke dir für deine mühe, sie hier nach deinem besten wissen aufgelistet zu haben.

in dem gedicht geht es darum, wie ich frauen liebe - und nicht wie frauen mich lieben. in dem text finde ich absolut keine belege für deine annahme - im gegenteil schreibe ich über die art und weise, wie ich auf bäume und frauen klettere und nicht andersherum, wie frauen und bäume mich erklimmen.

das gedicht paßt zu meinem nick? darüber dachte ich noch gar nicht nach. danke für diese humorige bemerkung am rande, melusine. das geschlecht muß nicht passen. ist sozusagen banane. ein chico bin ich schon lange nicht mehr, auch wenn mich vielleicht manche gerne so sehen.

gruß
chiquita

Gast

Beitragvon Gast » 20.06.2007, 19:13

Das waren keine "Korrekturen" (schon gar nicht deutschlehrermäßige), sondern Vorschläge. Tschuldige, dass ich das nicht extra erwähnte.

Trample mir doch nicht gleich meine schöne Textarbeitsburg kaputt, du Banause Banane.

Inhaltlich scheint mir das Gedicht mehr davon zu handeln, wie du von Frauen runterfällst, als wie du auf sie raufkletterst. Außerdem hast du doch geschrieben "bleibe ich das Kind", Chiquito ;)

Bisschen offtopic: Komisch, ich muss dauernd an das ABBA-Lied "Chiquitita" denken... kennst du das? Ich stell mir grad vor, wie du unter dem Fenster oder meinetwegen unter dem Balkon deiner Julia stehst und es zur Mandoline singst. Ungefähr so:
:d050:

(Sorry, das ist nicht despektierlich gemeint. Dein Gedicht gefällt mir.)

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 20.06.2007, 19:23

schön, daß du solche assoziationen hast, melusine. damit kommst du meiner intention beim schreiben schon recht nahe.
vom runterpurzeln handelt das gedicht nur nebenbei. es gehört eben zu dieser art, frauen zu lieben, und muß deswegen auch erwähnt werden. mit der zeit gewöhnt man(n) sich daran.
die liebe des prot. zu den frauen ist auf abenteuer programmiert und nicht auf alltag - das dürfte klar sein. er kletterte nicht auf die bäume, um von ihnen kinder zu kriegen, sondern um sich der romantischen/leidenschaftlichen liebe hinzugeben. darum der schlußsatz: "und wandere weiter durch den garten der sinnlichkeit und verführung ..."

bei chiquita denke ich nur an banane.

gruß
chiquita

Gast

Beitragvon Gast » 20.06.2007, 19:32

"er kletterte nicht auf die bäume, um von ihnen kinder zu kriegen"
Das Bild stimmt nicht.
"Er nascht nicht vom Nektar, um die Blüten zu bestäuben" wäre passender :)

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 20.06.2007, 19:43

meinst du? mir geht es schon um das erklimmen bzw. das klettern, was ja einige mühe beinhaltet. so einfach war es dann für den prot. doch nicht, die frauen zu besteigen, daß du ihn sozusagen lediglich als "früchtenascher" oder "nektartrinker" sehen kannst. der typ gibt sich nämlich wirklich mühe und ist durchaus nicht einer von der sorte, der die vertrauensseligkeit von frauen ausnutzt. nein, er macht das in der harmonie des zauberwindes: die liebe zur poesie, die liebe zur kreatur, die liebe zur welt - mit allen zweifeln, mit allen tälern und mit allen abstürzen.

gruß
chiquita

Gast

Beitragvon Gast » 20.06.2007, 19:55

Hm, ja, wird schon was Wahres dran sein, Casanova. Ähm. Chiquita, mein ich natürlich.
Übrigens denke ich, dass ein Kolibri beim Nektartrinken auch ganz schön viel Energie verbraucht. Und: Ich meinte vor allem, dass das Bild "von Bäumen Kinder kriegen" nicht passt. Oder hast du schon mal eine schwangere Bäumin gesehen?

Gast

Beitragvon Gast » 20.06.2007, 19:59

Hallo Ralph,

möglicherweise lässt sich das Missverständnis über die Perspektive des Erzählichs ein wenig erhellen.
Ich stimme dir zu, dass du aus Sicht des Erzählichs von seiner Art - die du auch ins rechte Licht rückst - wie dein Erzählich die Frauen liebt, schreibst.
Diese Art des Erzählens enthält zwangsläufig Hinweise darauf, wie das Erzählich geliebt werden möchte, sich die Liebe vorstellt.

(@ Metamitteilungen, auf Grund der sich aber auch unrichtige Rückschlüsse ziehen lassen, wenn nach "Schema F" psychologisiert wird).

Ich finde die Betrachtung deines Textes unter diesem Gesichtspunkt wenig am Thema orientiert.
Natürlich gibt jeder Autor etwas von dem Preis, wie er sich geschilderte Vorgänge im Text, möglichweise aus einer anderen Perspektive vorstellen könnte. @ Spekulation. ;-)

Ganz etwas anderes:

Was ich mir wünschen würde bei deinen Texten wäre, dass du einmal konkret auf Kritik eingehst und nicht mit Hinweisen auf die Werke namhafter Autoren argumentierst, oder damit, dass du aber nun mal so schreibst.
Mir vermindern die diese allgemein gehaltenen Begründungen für deinen Stil, etwas die Lust zu deinen Texten weiterhin detailliert zu schreiben.
Das trifft nicht nur auf deine Antwort auf meine Rückmeldung in diesem Faden zu, sondern das ist grundsätzlicher Natur. Ich verlange ja nicht das du Vorschläge übernimmst, aber eine Auseinandersetzung mit den Vorschlägen, und warum du sie nicht gebrauchen kannst, wäre auch für mich sehr interessant. Im Sinne von Geben und Nehmen.

Sollte das Posten deiner Beträge jeoch eher so von dir intendiert sein, dass du sie zwar zur Diskussion stellst, du sie aber dem Grunde nach für rundum fertig und gelungen hältst, und deshalb Änderungen schwerlich übernehmen kannst, wäre es vielleicht ratsam, dass du dir ein Autorenportät zwecks Päsentation einrichtest, und nicht in Fäden postest, in denen Texte besprochen werden sollen.
Ich frage mich nämlch ganz ehrlich, was dir einausführliches Feedback bringt, wenn du wie bisher, Hinweise im Ruckzugverfahren zurückweist.

Verstehe mich bitte nicht falsch, ich finde es völlig Ordnung, dass du für deine Texte eintrittst. Ich bin aber genauso sicher, dass die Kommentare, die du erhältst es Wert sind, genauer betrachtet zu werden, vielleicht sogar mal etwas längere Überlegungen wert sind, als sie in kürzester Zeit als wenig bis nicht relevant zu einzusortieren und so zu zu bescheiden.

Ich finde, und das möchte ich dir auch sagen, dass deine Texte durchweg interessant sind und eine Bereicherung für den Salon.

Liebe Grüße
Gerda

PS Pablo Neruda ist mir selbstverständlich ein Begriff, allerdings nur in Übersetzungen, die es schwer machen zu beurteilen, woran sich die Originale stilistisch orientieren.
Von Nazim Hikmet kenne ich so gut wie nichts. Bedaure, aber er wird nicht der einzige Lyriker des 20. Jhs. sein, der mir nur dem Namen nach bekannt ist.

Liebe Grüße
Gerda

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 20.06.2007, 20:01

melusine, das war in der nachbarschaft zur allegorie "frau-baum" gemeint, welche ja sozusagen die basisidee zu dem gedicht darstellt.

danke für die nette konversation. leider muß ich nun aussteigen - ein paar bäume sind zu erklimmen ...

dir einen schönen abend
chiquita

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 21.06.2007, 17:29

gerda, leider fand ich noch keine kritik auf mein vorgestelltes werk übernehmenswert. ich glaube schon, daß ich auf die kritiken eingehe. vielleicht bin ich in deinen augen zu doof. zb. smiles kritikpunkte arbeitete ich punkt für punkt ab. ich kann allerdings nicht auf jede kritik detailliert eingehen, weil das meine kräfte übersteigen würde. ich bin arbeitnehmer, und meine energie sowie meine zeit ist begrenzt. trotzdem antwortete ich auf jede kritik und gab mir mühe, verständlich zu machen, warum ich sie ablehnte.
ich poste hier texte, weil mir eine resonanz wichtig ist, natürlich auch kritik. einige kritik hier halte ich allerdings für überspitzt und oberlehrerhaft. entschuldige. klar ist, daß ich meine werke poste, wenn ich sie selbst für fertig halte - sonst würde ich sie doch in einer schreibwerkstatt besprechen.

lieben gruß und danke für die ehrlichen ausführungen.

chiquita

moshe.c

Beitragvon moshe.c » 21.06.2007, 20:48

Lieber Chiquita!

Hier gibt es eine Schreibwerkstatt.

Vielleicht nutzt du sie.

Moshe

Nihil

Beitragvon Nihil » 21.06.2007, 21:31

Ach Chiquita - auch ich liebte die Frauen, doch ich erwies mich selbst als morsch und unfähig ihre Liebe zu tragen ..

LG

Nihil


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