Abschied

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
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leonie
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Beitragvon leonie » 09.06.2006, 12:17

Der Abschied
hebt
den Zeigefinger.

Doch ich kann
seine Pergamenthand
nicht fassen.

Ich decke
bunte Worte
über Narbengewühl.

Damit er nicht fragt:
Hast du dich
verletzt.

Lieben?
Nicht mehr.
Nur

mir selbst
verzeihen.

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 11.06.2006, 15:27

Es gibt für mich ein Wort, das den Zustand des Gedichts sehr gut beschreibt: etwas nicht verwirken können...von (nicht) verzeihen wollen/können würde ich in diesem Gedicht nicht sprechen.

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leonie
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Beitragvon leonie » 11.06.2006, 17:38

Liebe Lisa,
gerade nach der Diskussion möchte ich es so offen lassen, wie es ist. Ich mag interpretationsoffene Texte grundsätzlich. Und ich finde es nicht schlimm, wenn andere es anders lesen, als ich es ursprünglich gemeint habe.
Ich kenne die Redewendung „etwas verwirkt haben“. Hier hätte das Elternteil die Liebe ders Kindes „verwirkt“. Meinst Du das?

Liebe Iris,
ich glaube, es gibt manchmal Verletzungen, die man nicht verzeihen kann. Und trotzdem bleibt das schlechte Gewissen, gerade, wenn es sich um die eigenen Eltern handelt, die man ja lieben sollte.
Gerade wenn es z.B. um Missbrauch geht, haben Kinder oft zudem noch Schuldgefühle. Ich denke, da kann es nur darum gehen, sich selbst zu verzeihen. Und sich zu erlauben, die Eltern nicht zu lieben. Das Kind hat nicht die Pflicht, die Beziehung, die Eltern zerstört haben zu heilen und womöglich daran kaputt zu gehen. Es bleibt also etwas offen und unversöhnt, aber meiner Meinung nach zum Wohl des Kindes.
Dieses Thema wollte ich aufgreifen, da ich eine Reihe Menschen kenne, die von Vater oder auch Mutter sehr verletzt wurden.
Liebe Grüße
leonie

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 11.06.2006, 17:45

hallo leonie,
wenn du es allgemeiner halten willst ist es genau richtig wie es ist :grin: .

ich benutze (komischerweise?) den Ausdruck verwirken nur mit nicht, also etwas nicht verwirken können...nicht verwirken kann in meinen Augen das Ich in dem Gedicht etwas (die zugefügten Wunden des anderen ichs), obwohl es, aufrgund des Todes des anderen, die letzte Möglichkeit wäre. Etwas nicht verwirken können...darüber hat man keine Macht...beim Verzeihen KANN man (in meinen Augen) noch Aufwand in sich selbst betreiben um verzeihen zu können...verwirken geht für mich tiefer...es ist unüberwindbar, wenn es nicht geht...

Liebe Grüße,
Lisa

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leonie
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Beitragvon leonie » 12.06.2006, 13:43

Liebe Lisa,
ja, so etwas meinte ich. Auch wenn ich diesen Ausdruck dafür noch nicht kannte!
Liebe Grüße
leonie


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