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Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Kurt
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Beitragvon Kurt » 04.06.2016, 00:21

Du bist stets besorgt
um Sicherheit;
deine Internet-Passwörter
erfüllen ihr Maximum;
wohnst in einem Tresor;
den Zahlencode bewahrst
du im Gedächtnis.

Dein Essen und alles Weitere
empfängst du durch
eine gesicherte Klappe.

Du gehst nicht aus;
es wäre viel zu gefährlich.
Ständig versucht jemand
bei dir einzudringen.

Alle glauben, du sitzt
auf einem Haufen Gold.
"Wir befinden uns stets mitten im Weltgeschehen, tun aber gerne
so, als hätten wir alles im Blick." (Kurt)

Estragon

Beitragvon Estragon » 05.06.2016, 12:30

zumal wenn man des englischen gar nicht mächtig
und deshalb des englischen einen vorkommt wie
etwas farbloses dunkles
etwas dass man auf gar keinen falll heiraten will

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 05.06.2016, 12:44

Interessanterweise ist die Diskussion um Fremdwörter indirekt im Gedicht selbst beinhaltet; sie ist nicht nur eine Kritik der Überschrift.

Ich sehe das alles so:

Der Mensch schwingt hin und her zwischen Heimweh und Fernweh.

Zwischen Burg und Große Weite Welt.

Zwischen Skepsis und Wagemut.

Zwischen Althergebracht und Neureinbekommen.

Zwischen diesen beiden Polen. Zwischen bekannt und unbekannt. Es sind immer diese beiden.

Sprachregeln, Einwanderungsregeln, Bierbrauregeln -- alles Sachen der Kultur. Und diese Kultur ist aufgespannt zwischen jenen beiden Polen, wie eine Saite. In der Mitte schwingt sie am stärksten, da ist sie am lebendigsten.

Überzieht man die Saite hin zu einem Pol, also hin zur Burg, oder hin zur Großen Weiten Welt, dann kracht alles zusammen. Man muss das Schwingungsfeld im mittleren Bereich erhalten, weil beide Pole wichtig sind.

Verschiedene Menschen bevorzugen verschiedene Stellen entlang der Saite. Die meisten mögen eine irgendwo in der Mitte. Die haben die stärkste Überlebenskraft. Deshalb gibt es davon so viele.

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birke
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Beitragvon birke » 05.06.2016, 12:49

interessante gedanken, pjotr.

das gedicht könnte sich auch auf das leben eines (hollywood-) stars beziehen.
wer lyrik schreibt, ist verrückt (peter rühmkorf)

https://versspruenge.wordpress.com/

Estragon

Beitragvon Estragon » 05.06.2016, 12:51

birke hat geschrieben:interessante gedanken, pjotr.

das gedicht könnte sich auch auf das leben eines (hollywood-) stars beziehen.


auf tom cruise :eek:

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 05.06.2016, 12:58

Es ist eine Burg. Ständig will etwas rein. Fremde Menschen wollen rein. Fremdwörter wollen rein. Fremde Regeln wollen rein. Kurz: Das Fremde will rein. Dieses Gedicht beschreibt -- unvorausgeahnt -- die Fremdwortkritik des Gedichts.

Estragon

Beitragvon Estragon » 05.06.2016, 13:01

Wörter wollen gar nix, die wollen ihre Ruhe haben

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 05.06.2016, 13:08

... in der Wolle von Frau Holle.

Estragon

Beitragvon Estragon » 05.06.2016, 13:10

wolle die auch nicht

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Zefira
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Beitragvon Zefira » 05.06.2016, 13:16

@ Pjotr: ich lese das Gedicht mehr auf die Schlusspointe zugespitzt. Je mehr Sicherheitsanlagen jemand anbringt, um so stärker wird der Eindruck (bei den anderen, aber auch bei ihm selbst), dass er Gott weiß was für Schätze besitzt.
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.

(Ikkyu Sojun)

Estragon

Beitragvon Estragon » 05.06.2016, 13:22

dabei ist doch gott unser größter schatz :-)

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Pjotr
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Beitragvon Pjotr » 05.06.2016, 13:25

Zefira, ... sicherlich ... und dabei ist das lyrische Du doch ganz einsam.

Was ich beschrieb, war nur ein allgemeiner Nebeneffekt, der sicherlich nicht in den Absichten des Schreibers und der Diskutanten lag.

Ich bin übrigens auch ein Fremdwortkritiker.

Estragon

Beitragvon Estragon » 05.06.2016, 15:34

ich liebe fremdwörter, vorallem jene die ich nicht verstehe, aber dat englische kann mir
so ziemlich gestohlen bleibe

Kurt
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Beitragvon Kurt » 05.06.2016, 15:37

Mich ärgert ja schon längst, dass mein Notebook sich vor mir schützt und ich jedesmal mein Passwort eingeben muss. Emotional lache ich inzwischen darüber. Aber wenn ich eine Geschichte oder Gedicht drüber machen wollte, steht dem entgegen, dass es alles sinnvoll erscheint, ich den Laptop aber nur zuhause benutze. Es gibt einsichtige Gründe, dass ich die Sicherung nicht abstellen kann, ebenso die Kindersicherung am TV.

Mein Nachbar Mike hatte vor ein paar Tagen Internet & Telefon bekommen, und ich half ihm beim Einrichten. Wir legten ihm ein E-Mailkonto an und er wollte gern die maximale Anzahl Zeichen fürs Passwort nehmen; es waren, wenn ich mich recht erinnere, 60. Ich schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Ich fragte ihn, ob er die im Kopf behalten könne. Er war sich unsicher. Also riet ich ihm sich mit 18 Zeichen zu begnügen. Das wollte er nicht, ebenso beim Registrieren eines PS4-Kontos. Irgendwann fragte ich ihm spontan, warum er nicht in einem Tresor wohne.

Und damit habe ich nun dies Gedicht gemacht. Aber wie gesagt, die Schwierigkeit, sich über diese Sicherheitseinrichtungen lustig zu machen, ist ja immer die, dass sie vernünftig erscheinen. Emotional habe ich ganz andere Eindrücke, und im Hinterkopf den Wunsch von einer Welt, wo es das nicht bräuchte. Aber das ist so ein Gefühl, wie viele Amerikaner auf keine Waffen verzichten wollen, um sich zu schützen. Für mich entsteht aber der Eindruck einer traurigen Welt, wo ein Nachbar sich vor dem anderen schützen muss. Tatsächlich sind es aber die Einbrecher, würde man mir entgegen halten.

Am Ende blieb mir nur, das Gedicht so zu machen. Wenn das von Pjotr empfundene mitschwingt, sehr gut.

LG Kurt
"Wir befinden uns stets mitten im Weltgeschehen, tun aber gerne
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