Wer kennt sie nicht, nervöse, feine Herren
von jenem Stamm, der stolz sich Dichter nennt?
Wenn sie von ihren Seelenschmerzen plärren,
dann spürt man gleich: Das ist ihr Element.
Der rollt die Augen, rudert mit den Händen -
dass Hörern kalt es übern Rücken kriecht,
das Dichterwort verkrallt sich in den Wänden …
Verpönt ist bloß, was sehr nach unfein riecht.
Vom Himmel holt der Mann die güldnen Sterne,
die Liebe ist's, die ihn zum Schmelzen bringt.
Beschwört sehr eindrucksvoll dann die Moderne,
das Publikum begreift gebannt: Er ringt!
Um jedes Wort, es brennt ihm auf der Seele!
Er girrt, er flüstert, sehr geheimnisvoll,
ein spitzer Schrei entfleucht gar seiner Kehle.
Er gleicht beinahe nun dem Gott Apoll.
Noch sind die letzten Verse am Verhallen,
berauscht saugt er der Seelenklänge Duft.
Erschöpft lässt er sich in den Sessel fallen,
er ringt mit sich und schwer nach Atemluft.
Nun ja, den Herrenwitz am guten Ende,
den kleinen Spaß, den hat er immer drauf.
Dann kommt die Bitte um die Eintrittsspende,
ein Bücherstapel wartet auf Verkauf.
Grandios der Abend, wieder mal gelungen!
Der Beifall tost. O welch ein Publikum!
Der Dichter dankt gerührt mit Engelszungen.
Die Welt der Dichtung – sein Elysium!
Dichterlesung
Würdest Du "im" nur bei "Verhallen" anwenden? Oder auch zum Beispiel bei "Schreiben".
"Noch sind die Dichter am Schreiben"
"Noch sind die Dichter im Schreiben"
Bei "Kochen" beispielsweise würde ich "beim" verwenden:
"Noch sind die Dichter beim Kochen"
"Noch sind die Dichter am Kochen"
"Noch sind die Dichter im Kochen"
ich könnte mir denken, pjotr, dass es einen unterschied macht, ob es sich jeweils um ein aktives oder passives verb handelt.
noch sind die gäste am verlassen?
noch ist der wind am wehen?
noch ist die sonne am scheinen?
noch kochen die dichter
noch schreiben die dichter
noch verlassen die gäste
noch weht der wind
noch scheint die sonne
fragen?

Zefira,
die Substantivierung eines Verbs in Verbindung mit einer Präposition (an dem Verhallen) ist nicht auf die rheinische Sprachregion beschränkt, wie du irrtümlich annimmst, sondern gilt ganz allgemein für das gesamte deutsche Sprachgebiet, incl. Österreich und Schweiz. Wirf mal einen schüchternen Blick in den Duden.
Ciao, Rita
die Substantivierung eines Verbs in Verbindung mit einer Präposition (an dem Verhallen) ist nicht auf die rheinische Sprachregion beschränkt, wie du irrtümlich annimmst, sondern gilt ganz allgemein für das gesamte deutsche Sprachgebiet, incl. Österreich und Schweiz. Wirf mal einen schüchternen Blick in den Duden.
Ciao, Rita
korrekter, konsequenter weise hätte rita dann auch schreiben müssen statt: "Um jedes Wort, es brennt ihm auf der Seele!" "Und jedes wort es ist ihm auf der seele am brennen!"
danke für den artikel, zefi.... rita ist als rheinländerin entlarvt!
substantivierung hin und her, rita. dann hättest du schreiben müssten "Noch sind die letzten Verse in Verhallung"

danke für den artikel, zefi.... rita ist als rheinländerin entlarvt!

substantivierung hin und her, rita. dann hättest du schreiben müssten "Noch sind die letzten Verse in Verhallung"
also, im ruhrpott lässt sich datt janze ja auch noch erweitern auf:
... sind am verhallen dran..gif)
also, für mich ist und bleibt das auch umgangssprachlich.
und wirkt in diesem gedicht einfach etwas seltsam.
aber nu je, was solls.
... sind am verhallen dran.
.gif)
also, für mich ist und bleibt das auch umgangssprachlich.
und wirkt in diesem gedicht einfach etwas seltsam.
aber nu je, was solls.
Amanita hat geschrieben:Das ist übrigens eine super Zeitform, die ihresgleichen sucht. Wir hatten als Kinder nie Probleme zu kapieren, dass "he was swimming" was anderes bedeutet als "he swam" - da war er nämlich gerade so schön am Schwimmen, als Tante Erna ihn ungehalten zum Essen rief.
Ganz genau. Manche behaupten ja, die englische -ing-Form könne man im Deutschen nicht ungeschwollen anwenden ("ich bin schwimmend"), aber ich sehe das nicht ein. Denn wir können "am Schwimmen" sagen. Und das ist in meinen Ohren gut so, und nicht zu vergleichen mit Klinsmännern wie "besser als wie das".
Zefira hat geschrieben:Schaut mal hier, herrliche Beispiele:
Am-Progressiv-Diskussion
"Weißte wasde bist?"
"Nee, was denn?"
"Du bist dein Absatz am Verliern biste!"
Das hat einen schöne Symmetrie. "Du bist ein Schatz bist Du." Dadurch verstehe ich auch (was ich früher nicht verstand), warum die Franzosen für die Verneinung zwei Wörter brauchen: "ne ... pas". "Ne" ist einfach zu kurz. Da muss noch was hinterher wenn man grad so genussvoll am Verneinen ist. Auch zum Beispiel drüben: "I don't need no doctor." (Ist in der Lyrik erlaubt übrigens.)
P.
Rita,
ich hab ja nicht geschrieben, dass nur die Rheinländer das am gebrauchen sind, sondern nur, dass man das so nennen tut.
Wiki, Am-Progressiv
ich hab ja nicht geschrieben, dass nur die Rheinländer das am gebrauchen sind, sondern nur, dass man das so nennen tut.
Der Progressiv mit „am“ ist vor allem in der rheinischen Sprache und anderen westdeutschen Dialekten bekannt. Er wird deshalb auch als rheinische Verlaufsform, Ruhrpott-Verlaufsform oder westfälische Verlaufsform bezeichnet. Solche Klassifizierungen sind allerdings irreführend, da sich diese Satzkonstruktion im gesamten westdeutschen Sprachraum bis in die Schweiz nachweisen lässt.
Wiki, Am-Progressiv
Zuletzt geändert von Zefira am 21.01.2015, 14:11, insgesamt 1-mal geändert.
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Lieber Pjotr, die doppelte Verneinung ist auch im Bayrischen üblich, so gibt es von Ludwig Thoma den klassischen Satz (aus den Lausbubengeschichten): "Ich habe keinen Stein nicht hineingeschmissen" und noch erbitterter "Ich habe niemals keinen Stein nicht hineingeschmissen". Worauf der verwirrte Lehrer insistierte: "Antworte ja oder nein." Hätt ich auch getan. Wer soll sich denn da noch auskennen.
Vor der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Nach der Erleuchtung: Holz hacken, Wasser holen.
(Ikkyu Sojun)
Hallo Rita,
konnte wunderbar der Spur Deiner Humorstiefeln folgen, insbesondere als „das Dichterwort verkrallt sich in den Wänden …“ habe ich die Putzkrümel am Boden liegen sehen…
Persönlich empfinde ich es als Situationskomik, deshalb kann ich mich - auch ohne einen Tropfen des Kakaos auf den Objektträger zu legen - amüsieren und es gut finden.
Gruß
René
konnte wunderbar der Spur Deiner Humorstiefeln folgen, insbesondere als „das Dichterwort verkrallt sich in den Wänden …“ habe ich die Putzkrümel am Boden liegen sehen…

Persönlich empfinde ich es als Situationskomik, deshalb kann ich mich - auch ohne einen Tropfen des Kakaos auf den Objektträger zu legen - amüsieren und es gut finden.
Gruß
René
Hallo Rita,
mich hat es amüsiert und zumindest eine gewisse Art Dichtung ist auch treffend beschrieben - die mag zwar ein Strohmann sein, aber zur Entspannung darf wohl auch einmal eine Vogelscheuche verspottet werden (was bei ernsthafter Kritik ein Problem wäre).
Wie Niko sehe ich aber auch ein paar sprachliche Stolpersteine: Dazu gehört die bereits ausgiebig diskutierte Verlaufsform - korrekt oder nicht - wie auch diese Inversion:
"dass Hörern kalt es übern Rücken kriecht,"
bei der die Form sich dem Inhalt aufzuzwängen scheint.
"Beschwört sehr eindrucksvoll dann die Moderne,"
kommt mir an der Stelle merkwürdig vor: Warum und wie kommt er von seinen Liebesschwüren zu einer Beschwörung der Moderne?
Dagegen ist
"das Publikum begreift gebannt: Er ringt!"
in meinen Augen die stärkste Zeile im Gedicht und ein wahres Juwel :)
Liebe Grüße
Merlin
mich hat es amüsiert und zumindest eine gewisse Art Dichtung ist auch treffend beschrieben - die mag zwar ein Strohmann sein, aber zur Entspannung darf wohl auch einmal eine Vogelscheuche verspottet werden (was bei ernsthafter Kritik ein Problem wäre).
Wie Niko sehe ich aber auch ein paar sprachliche Stolpersteine: Dazu gehört die bereits ausgiebig diskutierte Verlaufsform - korrekt oder nicht - wie auch diese Inversion:
"dass Hörern kalt es übern Rücken kriecht,"
bei der die Form sich dem Inhalt aufzuzwängen scheint.
"Beschwört sehr eindrucksvoll dann die Moderne,"
kommt mir an der Stelle merkwürdig vor: Warum und wie kommt er von seinen Liebesschwüren zu einer Beschwörung der Moderne?
Dagegen ist
"das Publikum begreift gebannt: Er ringt!"
in meinen Augen die stärkste Zeile im Gedicht und ein wahres Juwel :)
Liebe Grüße
Merlin
Hab meinen besten Dank, Mnemosyne, fürs Reinschauen in den kleinen Spaß.
Zu deinen Fragen:
"dass Hörern kalt es übern Rücken kriecht" - normalsprachlich hieße der Satz: "dass es den Hörern kalt übern Rücken kriecht". Durch das Vorziehen des "kalt" weise ich auf das Wichtige, nämlich das "kalt", hin. Ein absolut erlaubtes Stilmittel. Hier drängt sich nicht die Form dem Inhalt auf, sondern die Form steht in Übereinstimmung mit dem Inhalt. Eine unerlaubte Inversion wäre: "Es Hörern kalt übern Rücken kriecht". Obwohl auch dieses Stilmittel in der Satire durchaus gängig ist, um etwas zu verdeutlichen oder zu verhohnepiepeln.
Die zweite Frage: "Beschwört sehr eindrucksvoll dann die Moderne". Damit will ich ausdrücken, dass dieser Poet ein Hans-Dampf-in-allen-Gassen ist - er kann einfach alles, von Liebe auf der Ofenbank bis zur Moderne, ein Allround-Poet, mit allen Wassern gewaschen.
Die dritte Sache: Naja, ist mir so untergekommen, halte ich nicht für besonders erwähnenswert. Entschuldige meine falsche Bescheidenheit.
Ciao, Rita
Zu deinen Fragen:
"dass Hörern kalt es übern Rücken kriecht" - normalsprachlich hieße der Satz: "dass es den Hörern kalt übern Rücken kriecht". Durch das Vorziehen des "kalt" weise ich auf das Wichtige, nämlich das "kalt", hin. Ein absolut erlaubtes Stilmittel. Hier drängt sich nicht die Form dem Inhalt auf, sondern die Form steht in Übereinstimmung mit dem Inhalt. Eine unerlaubte Inversion wäre: "Es Hörern kalt übern Rücken kriecht". Obwohl auch dieses Stilmittel in der Satire durchaus gängig ist, um etwas zu verdeutlichen oder zu verhohnepiepeln.
Die zweite Frage: "Beschwört sehr eindrucksvoll dann die Moderne". Damit will ich ausdrücken, dass dieser Poet ein Hans-Dampf-in-allen-Gassen ist - er kann einfach alles, von Liebe auf der Ofenbank bis zur Moderne, ein Allround-Poet, mit allen Wassern gewaschen.
Die dritte Sache: Naja, ist mir so untergekommen, halte ich nicht für besonders erwähnenswert. Entschuldige meine falsche Bescheidenheit.
Ciao, Rita
Mnemosyne hat geschrieben: zur Entspannung darf wohl auch einmal eine Vogelscheuche verspottet werden.
Auf mich wirkt dies Verspotten einer altbackenen und spießigen Auffassung von Dichtung selbst altbacken und spießig. Da wird etwas längst Erledigtes noch mal totgeschlagen.
Die letzte "Dichterlesung", von der ich las, war die in Arthur Schnitzlers posthum ausgegrabenem Manuskript "Später Ruhm". Da rezitiert eine Gruppe von Möchtegern-Autoren namens "Begeisterung" ihre (ebenso wie bei Dir, Rita, nicht vorgestellten) Texte - auch alles altbacken und spießig - aber mit der überlegenen Ironie eines Zeitgenossen 1885 dargeboten ... Dein Gedicht steigt auf wie aus einer Mottenkiste von vorm Ersten Weltkrieg!
Gruß
Quoth
Barbarus hic ego sum, quia non intellegor ulli.
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