augustwunsch III

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
pandora

Beitragvon pandora » 11.08.2007, 22:02

gone
Zuletzt geändert von pandora am 15.03.2008, 17:08, insgesamt 3-mal geändert.

hwg

Beitragvon hwg » 12.08.2007, 08:43

Fühle mich an die Ostsee versetzt
(wo ich noch nicht gewesen bin).

Sehr stimmig, gratuliere!

Gruß aus der meeresstrand-
und daher möwenfreien
Steiermark!

Hakuin

Beitragvon Hakuin » 12.08.2007, 15:55

liebe pandora

pandora hat geschrieben:der gelbe stein
im tang kannst du ihn finden
(man sagt, dass er die sonne hält)

ein stück nur wünsch ich mir
für dunkle zeit

unter meinen schritten knirscht sand
muschelsplitter bohren sich in die sohlen


bis hier kommt es aus einem guss, dann reduziert die aussage:
pandora hat geschrieben:wie winzige schädel
bleichen seeigel in der hitze
(sie grinsen)

die eigene interpretation, bin verwirrt....seeigel grinsen...jetzt würde ich das bild eines solchen wünschen und es selbst sehen wollen....
mit dem letzten teil, da steckt sicherlich eine menge drin...rutscht mir das gefühl und erleben vom anfang dann weg...
pandora hat geschrieben:möwen schreien als gelte es
was vom krieg blieb sinkt in die dünen

ein stück nur vom stein


ein stimmiges bild was sich dann langsam zum ende hin in abstraktion wandelt.

interessiert gelesen,
salve
hakuin

Louisa

Beitragvon Louisa » 13.08.2007, 10:15

Hallo Pandora!

Huh, das ist ja sehr geheimnissvoll!

Ich habe bei der ersten Strophe kurz an einen "Bernstein" gedacht, aber der ist wohl nicht gemeint... An sich finde ich die Idee ganz schön...

Hier:

"(man sagt, dass er die sonne hält)"

-würde ich vielleicht auf diesen sagenhaften Märchentonfall verzichten und einfach mutig behaupten: "der ein (Stück?) Sonne hält" oder Ähnliches... "Man sagt" wirkt eigenartig für mich... Warum kann ich auch nicht richtig erklären.

Schöne Idee, dass Du Dir ein Stück davon für finstre Zeiten wünscht. (Vielleicht ginge ja auch kürzer:

"Den wünsch ich mir...")

Hier beeindruckt mich das Muschelbild sehr!!!

"unter meinen schritten knirscht sand
muschelsplitter bohren sich in die sohlen"

Vielleicht könnte der Sand ja auch noch etwas schockierenderes tun, als zu "knirschen" ?

Mir gefallen diese negativen Strandbilder sehr! Das ist für mich ein ganz neuer Tonfall!

wie winzige schädel
bleichen seeigel in der hitze
(sie grinsen)

Das ist auch wunderbar! Obwohl ich mich frage, weshalb sie "grinsen" ... Sie sterben doch!? Wie grinsen sie ohne Münder? (Ich denke wohl wieder zu rational... Aber manchmal meine ich die Fantasie muss auch ihre eigene Logik besitzen oder? Und die gibt es sonst eigentlich in Deinem Text-)

"möwen schreien als gelte es
was vom krieg blieb sinkt in die dünen"

"gelte es ´WAS" würde ich sagen!

-Dann musste ich schmunzeln... Denn was sucht denn der Krieg da auf einmal? Welcher Krieg? Das lenkt das ganze Gedicht für mich in eine andere Richtung... Puh...
Ich finde es sehr gut gedichtet, dass die Überreste vom Krieg in die Dünen sinken. Aber ist das nicht ein anderes Thema?

"ein stück nur vom stein"

Ja, fein :smile: .

Insgesamt bin ich sehr angetan von diesem Gedicht. Beim ersten Lesen ist mir auch gar keine Kritik eingefallen, weil ich eben die Strandbilder so gelungen finde und auch die Idee mit diesem magischen Stein, der wohl von diversen Leiden Erlösung verschaffen kann!? interessant finde.

Ja, und jetzt habe ich diese kleinen Verständnissprobleme und Haken gelesen, aber das ist nicht so tragisch, denke ich.

Insegsamt finde ich das sehr gut!

Liebe Grüße!
l

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Ylvi
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Beitragvon Ylvi » 13.08.2007, 10:29

Hallo Pandora,

ich hatte schon den Bernstein gelesen und in der letzten Strophe das Phosphor (aus dem Krieg), das an die Küsten angespült wird, und fälschlicherweise für Bernstein gehalten wird.
Das hieße für das Gedicht wohl, dass die Gefahr sich zu verbrennen und getäuscht zu werden mit der Zeit verschwindet, bzw. aufgenommen wird von den "Dünen". Es wird nicht vergessen sondern wird ein Teil des Weges, auf dem man sich bewegt.
(Was es mit den Muschelsplittern, den grinsenden Schädeln und den schreienden Möwen auf sich hat, öffnet sich mir nicht so recht.)

liebe Grüße smile

Gast

Beitragvon Gast » 13.08.2007, 12:29

Liebe pan,

für mich ist das Gedicht (nach der kleinen Änderung) perfekt.
Ich möchte den Text nicht analysieren, auch nicht nach verborgenen Zusammenhängen suchen, die ich intuitiv erfühlen kann. Für mich ist es stimmig und erhellend ...

Liebe Grüße
Gerda

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 13.08.2007, 14:41

Liebe pandora,

hu, die ersten Zeilen schaffen einen fabelhaften Rhythmus...sofort ist Leselust und Schönheit und Verstehen da - das gefällt mir sehr, wie ein Wind.

Ich habe trotz des starken Eindrucks, der auch bis zum Ende bleibt, diesmal doch relativ viele Fragen:

An dieser Stelle stört mich der Rhythmus bzw. sein "Verlust":

muschelsplitter bohren sich in die sohlen

ich wünsche mir eine silbe weniger (das die streichen?oder das sich? ~~ )

Hier könnte ich (sehr) auf das wie verzichten:

wie winzige schädel


Desweiteren denke ich, dass es richtig ist, was Louisa anmerkt: Der plötzlich auftauchende Krieg irritiert mich auch. Das ist nicht a priori die "Schuld" des Textes, aber durch eine bestimmte Konditionierung/Historie kann man es nicht frei/zufällig/als eine Wahrnehmung unter anderne lesen, wenn es so am Ende steht, auch die Möwen mutieren zur "Einleitung" der Stelle. Weil er ziemlich gegen Ende ankommt, kann man/ich das gar nicht anders als als Hinführung auf das Thema Krieg lesen, auch wenn ich nicht(!) denke, dass das die Intention des Textes ist, sondern dass auf einer Wanderung am Meer genau so etwas diesbezügliches (was da genau in den Dünen noch vom Krieg zu erblicken ist bleibt ja offen und kann es auch!) eben auch da war, (unter anderem) wie auch die Seeigel oder die schreienden Möwen oder unter dem, was fehlt (der Stein). Das "unter anderem" ist in der derzeitigen Komposition nicht lesbar, es wirkt darauf zugespitzt. Das finde ich unglücklich oder sagen wir: anders fände ich es freier und dadurch wirkungsvoller.

Darum würde ich die Stelle

was vom krieg blieb sinkt in die dünen

anders plazieren im Gesamttext, auf jeden Fall früher nennen, sodass der Leser (er braucht in diesem Fall Hilfe) keine Spirale sieht, meiner Meinung nach ist es trotzdem möglich den Bogen (der durch den Stein ja geschlagen wird..Bernstein und anderer Stein @gebautes) zu erhalten.

Der Text kann natürlich auch seine Schultern straffen und sagen, dass er für eine spätere Natürlichkeit arbeitet und die "Reihenfolge" eben genau deshalb so lassen möchte, wie es ist, (so wie es jetzt auch noch unnatürlich/albern ist, dass in amerikanischen Zukunftsfilmen der gute Präsident immer ein Schwarzer ist...es wäre halt erst frei, wenn es ohne Druck wäre, es eben keien Rolle spielte, der Eindruck entsteht für den Kinoschauspieler aber nicht)ich glaube aber, dass so keine Entwicklung zustnade käme, der Leser ist zu dumm/konditioniert dafür.

Ich bin nicht mal ganz sicher, ob durch eine Umstellung der Fokus frei genug wird, oder ob der Krieg nicht dann immer noch zu einsam erwähnt wird.

Oder liege ich völlig falsch damit, dass der Text ohne primär bewusste Zielführung die Hinweise auf den Krieg erwähnen, aber nicht darauf zeigen möchte?Dann wären die Hinweise natürlich allesamt hinfällig - mir aber dann das Arrangement zu dominant gestaltet in diesem Punkt (der allerdings sehr grudnlegend für den Text ist, trotz aller Sprachstärke).

das Grinsen dann noch als letztes ist mir als Bild etwas zu exklusiv bei gleichzeitiger Mächtigkeit (grinsen hat ja fast etwas griechisch tragödisches) - man bleibt draußen warum (ich stelle mir vor, dass irgednetwas, die Form, das Licht, die Farbe, so aussah als grinsten sie, aber ich kann da nicht "mitgehen") und kann die Größe der Beschreibung dadurch nicht nachvollziehen, also ich (ich soltle mir mal "man" abgewöhnen).

Ziemliche Detailkritik, vielleicht unverhältnismäßig, aber vielleicht kannst du ja etwas davon verwenden.

Liebe Grüße,
Lisa
Vermag man eine Geschichte zu erzählen, die noch nicht geschehen ist?
Es verhält sich damit wohl wie mit unserer Angst. Fürchten wir uns doch gerade vor dem mit aller Macht, was gar nicht mehr geschehen kann, eben weil es schon längst geschehen ist.

pandora

Beitragvon pandora » 13.08.2007, 18:58

lieber hwg, lieber hakuin, liebe luisa, liebe lisa,

danke fürs lesen!

ich freue mich über eure anmerkungen und kann viele der einwände nachvollziehen.

@hakuin: du hast recht. ins seeigelbild werden die leser nicht mitgenommen. ich habe den vers in einer neuen version vereinfacht.

@luisa: mit dem gelben stein ist schon bernstein gemeint, da liegst du ganz richtig. ich glaube, du bist die einzige, die zum ausdruck gebracht hat, dass die strandbilder in summe negativ/bedrohlich wirken. das sollen sie. mit den dingen, die vom krieg blieben, sind reste des atlantikwalls gemeint. (es war ein dänischer august!) bunker, die ganze strandzüge verschandeln wie pockennarben. immerhin versinken einige von ihnen langsam aber sicher in den dünen.

@lisa: zum plötzlich auftauchenden krieg habe ich etwas geschrieben. eine beobachtung. mehr nicht. ich glaube, meine augustwünsche sind immer "nur" beobachtungen, sie tragen skizzencharakter und ich arbeite sie nicht aus. ich bewahre ein stück sommer in ihnen.
ich habe aufgrund eurer anregungen eine zweitvariante eingestellt, die den wunsch mehr in den fokus rückt. sowohl die grinsenden seeigel als auch das bild der versinkenden kriegsüberbleibsel fehlen. vielleicht ist es so stimmiger?


lg
peh

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Lisa
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Beitragvon Lisa » 20.08.2007, 10:59

Liebe pandora,

ich muss ehrlich gestehen, dass mir die zweite Variante sehr gut gefällt. Ich weiß natürlich nicht, ob das jetzt nur daran liegt, dass es die "einfachere" Variante ist, aber ich finde es wirklich bestechend in der zweiten Fassung. Es erschreckt mich natürlich, auch wenn ich es vorgeschlagen habe, dem Text sozusagen dann eine andere Ebene zu nehmen, aber ich kann mich nicht über das Gefühl erheben, dass mir die zweite Variante sehr gut gefällt. Vielleicht würden meine Einwände auch dadurch, dass der Text seinen Platz in der Reihe "Augustwünsche" einnimmt, völlig entkräftet, weil dadurch gesicherter wäre, dass es "nur" um Beobachtungen geht?

Du siehst, mir gefällt Version 2 sehr, aber ich traue meinem Urteil nicht wirklich.

Liebe Grüße,
Lisa
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Gast

Beitragvon Gast » 20.08.2007, 11:36

Liebe pan - liebe lisa,
zur Erwähnung des Wortes "Krieg" möchte ianmerken, dass ich an der dänischen Nordseeküste, auch Bunkeranlagen vom letzten Krieg gesehen habe, die langsam in den Düpnen verschwinden. (Nordspitze, Nähe Skagen) Vielleicht hat mich deshab diese "Beobachtung" nicht gestört. mir gefällt nach wie vor die erste (wenn auch unausgearbeitete) Fasuung. Die Zweite ist natürlich sehr rund und glatt.

Liebe Grüße
Gerda

Max

Beitragvon Max » 20.08.2007, 21:51

Liebe Pandora,

ja, auch mir gefällt diese neue Variante sehr gut.

Dass der Krieg fehlt in diesem Kaleidoskop, schadet diesem in meinen Augen nicht, da er doch recht überraschnd auftauchte, auch wenn es (siehe Gerda) gute Gründe gibt ihn auftauchen zu lassen. Ich finde es bemerkenswert, wie Du in der zweiten Version, die Gedanken in eine sehr sinnvolle Reihenfolge bringst.

Das hab eich gern gelesen.

Liebe Grüße
Max

Sam

Beitragvon Sam » 22.08.2007, 15:06

Hallo Pandora,

mir gefällt (wie meistens) die erste Version viel besser. Sie ist nicht nur ursprünglicher, sondern hat auch die nötige Ambivalenz des aufmerksamen Beobachtens. Zwischen Sommeridylle und den Resten einer "dunklen Zeit".
Solche Reste findet man ja überall, sei es an der Ost- oder Nordsee, in der Normandie oder auch in den Dolomiten oder auf Kreta.

So lese ich die erste Version:

Der Urlauber findet ein Stück Bernstein im Tang. Einen steingewordenen Sonnenstrahl, der scheint und funkelt, als wäre nie etwas Schlimmes geschehen an diesem Strand. Derjenige, der ihn findet wünscht sich etwas von dieser Ewigkeit, von diesen konservierten Sonnenstrahlen, dem steingewordenen Glück. Aber er geht weiter. Muscheln bohren sich ein wenig in die Füße, es schmerzt leicht. Er weiß, dass er nur einer Illusion nachhängt. Er sieht die Seeigel und sie kommen ihm wie grinsende Totenschädel vor (vielleicht weiß er genaueres über das, was an diesem Strand schon vorgefallen ist), vor allem, weil er jene Kriegereste im Blick hat, die langsam in den Dünen versinken. Dazu schreien die Möwen, als gelte es....ja was? Ignorieren oder Hinschauen?
Offenbar schaut der Beobachter hin und wünscht sich ein Stück eingefangener Sonnenstrahlen für dunkle Zeiten, die, so gemahnen es ihm die Bunker, ja jederzeit wiederkommen können.

Durch das Eleminieren der Kriegsreste und der Totenschädel verliert das Gedicht für mich eine Menge an Inhalt, schränkt es die Perspektive, aus der die ursprüngliche Fassung geschrieben wurde doch erheblich ein und reduziert sie auf rein persönliches.


Liebe Grüße

Sam


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