herzensbrecherin, ich

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Edith

Beitragvon Edith » 14.07.2007, 19:18

Hallo, liebe Lyriker!
Im Prosabereich habe ich meinen Einstand ja schon gegeben. Das möchte ich hier natürlich auch gerne machen und stelle Euch dazu mein Gedicht "herzensbrecherin, ich" vor.

Herzliche Grüße und schönen Samstagabend,
Edith
... gespannt auf Eure Meinungen :-)


herzensbrecherin, ich

Edith Huber


I.

vergangenheit,
verschwunden in den annalen
der gegenwart.
zeit versickert
und -
herzensbrecherin, ich
- vergehe wie sie.
wie sie!
du wirst schon sehen.


II.

herzensbrecherin
hat er mich nicht
geheißen.
gar nichts
hat er mich mehr
geheißen,
nicht einmal
meines namens.
kein mehr wert mehr,
nur ein einziges
weniger.


III.

mein mehr habe ich
bekommen,
mit schönen,
einsichtigen aussichten.
hineinsicht ist weitblick.
sein weniger ist
mein preis.
was ist schon schmerz?

herzensbrecherin, ich!

Max

Beitragvon Max » 16.07.2007, 21:40

Liebe Edith,

da ich Deine Einstand im Prosabereich noch nicht gesehen habe, von hier ein herzliches Willkommen von mir.

Dein dreiteiliges Gedicht hier hat für mich sehr viele interessante Ansätze, gelegentlich finde ich aber auch Kritikpunkte. Gerade in Teil I finde ich den Auftakt sehr schwer:

vergangenheit,
verschwunden in den annalen
der gegenwart.
zeit versickert


das klingt für mich wie ein Versuch des lyrischen Ich neben dem Gefühl, das die Zeit für einen selbst vergeht auch das ganze Problem der Zeit und der Vergänglichkeit treffend in vier Zeilen zu packen. Das Thema finde ich zu groß für den Raum - zumal sich das Gedicht ja dann doch auf ein "Ich" konzentriert.

Ich finde das "herzensbrecherin" als Bindeglied zwischen den einzelen Teilen sher schön, nur erschließt sich mir seine Rolle in teil I nicht ganz ... wer ist denn da die Herzensbrecherin?

In II gefällt mir das Wortspiel

kein mehr wert mehr,


In
hineinsicht ist weitblick.

scheint mir eine Menge ausbaufähiges Material zu stecken, das teilweise in diesem gedicht schon wieder in Text geflossen ist, aebr eben nur zum Teil ...
Ich bin jedenfalls gespannt auf mehr.

Liebe Grüße
Max

Edith

Beitragvon Edith » 16.07.2007, 21:57

Hallo Max,
eindlich eine Antwort auf mein Gedicht. Danke! Ich hatte schon überlegt, es wieder rauszunehmen...

Aber jetzt zu Deiner Kritik:
Im ersten Teil meine ich damit einfach, dass der Schmerz des Verlassenen irgendwann vergeht - wie die herzensbrecherin (ich) vergangen ist. So wie man landläufig sehr dumm sagt (und das meine ich durchaus als Seitenhieb): Du wirst sehen, in hundert Jahren denkst du nicht mehr dran.

So ist die herzensbrecherin in Teil I die, die vergeht wie die Zeit, sprich: die Gefühle der Trauer, des Leids, des Schmerzes ob dem Verlassenwerden vergehen - irgendwann.

Die herzensbrecherin ist immer die gleiche Person. nur die Perspetiven in den Teilen verschieben sich etwas.

Ich glaube, Du kennst den Prosatext schon, den ich online gestellt habe, weil er nämlich bei meiner Bewerbung dabei war... und da Du ja Moderator bist, gehe ich mal davon aus :-).

Herzliche Grüße und vielen Dank für Deine nette Kritik,
Edith

Gast

Beitragvon Gast » 17.07.2007, 13:18

Liebe Edith,

die Intention deines Textes glaube ich nachvollziehen zu können.
Mir ist er zu erklärend, sich selbst erklärend. Mir fehlen lyrische Bilder und/oder Verknappung. - auch beides ist möglich.
So kommt dein Text bei mir an, als habest du Freude am Wort "Herzensbrecherin", der möglichen anderen Deutungsebene und dich damit beschäftigen wollen., was mir aber nicht reicht.
(Eine Selbstbetrachtung die noch nicht weit genug gewachsen ist, als das sie sich auch vom Lyrich weg bewegen darf?)
Es steckt einiges im Text aus dem sich ein refeletierendes lyrisches Liebesgedicht entwickeln ließe. Ich würde mich an deiner Stelle davon lösen das Empfinden des Lyrich an einem Wort festzumachen, ich würde auf "Bildersuche" gehen.

Liebe Grüße
Gerda

Max

Beitragvon Max » 17.07.2007, 13:24

Liebe Edith,

ja den Prosatext kenne ich schon ... :-)

Dass es diesmal hier länger gedauert hat, ist eigentlich etwas ungewöhnlich für den Salon, ist mir auch aufgefallen, aber rausnehmen solltest Du solche Texte natürlich nicht!

Gerdas Eindruck, dass vieles in Deinem Gedicht sich selbst erklärt, kann ich dennoch nachvollziehen. Allerdings habe ich durch die jüngsten Diskussionen hier im Forum auch gelernt, dass es eben sehr viele verschiedene Stile in der Lyrik gibt (naja, irgendwie habe ich das auch schon vorher gewusst ;-) )
und deshalb wäre ich auf mehr gespannt - auch damit ich das Vorliegende besser einordnen kann.

Liebe Grüße
max

Edith

Beitragvon Edith » 17.07.2007, 17:06

Liebe Gerda, lieber Max,
danke für die Statements.
Ich verstehe Euch da schon. Das Gedicht erklärt, lässt keinen Raum für irgendwelche Freiheiten...
Ehrlich gesagt: es gab das Gedicht schon mal in anderer Form, weniger erklärend. Ich hatte es damals in einem anderen Forum eingestellt und es wurde NULL verstanden :-/! Irgendwie hab ich da dann wohl den Mittelweg noch nicht gefunden.

Max, ich bin schon gespannt, wohin Du mich einornen willst / wirst :-)!

Viele Grüße,
Edith

Max

Beitragvon Max » 17.07.2007, 19:59

Liebe Edith,

selbst wenn ich gelegentlich Mathematiker bin, habe ich keinen zwanghaften Ordnungssinn (ein Blick auf mein Zimmer kann es beweisen, ein Blick auf meine tippfehler hier auch ;-) ).

Kannst Du vielleicht die weniger erklärende Version mal daneben stellen ... vielleicht kommt die hier sogar besser an :-) ...

Liebe Grüße
max

Edith

Beitragvon Edith » 18.07.2007, 00:10

Hallo Max,
nun, die alte Version gibt es nicht mehr. Ich habe sie überspeichert... Da müsste ich mich erst auf gedankliche Suche machen...

Im Großen und Ganzen mag ich das Gedicht. Gerade der erste Abschnitt lebt von der genauen Erklärung - der war auch schon immer so. Weil es ein Trostversuch banalster Art ist, der so natürlich niemals funktionieren würde und er eine Zwiesprache ist (mit dem literarischen Du :-)).

Der zweite und dritte Teil war / wird :-) aber nochmal überarbeitet, dann stell ich die Änderungen ein.


Liebgruß,
Edith

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 18.07.2007, 15:31

hallo edith. mein eindruck: karg aber niedlich. ich kann gar nicht sagen, warum ich das gedicht mag. vielleicht wegen titel und vers "herzensbrecherin, ich" - sprachlich benutzt du einige ungewöhnliche wendungen ... fügen sich ganz gut.
meine interpretation: vom erkennen der vergänglichkeit und geringen bedeutung zur wertschätzung des eigenen ich, zur selbstliebe - also zur eroberung des eigenen herzens. und damit erreicht das lyr-ich sein selbstbewußtsein, um mit seiner "kleinheit" und der vergänglichkeit klarzukommen.
das innere wachsen ist wichtiger als das äußere schrumpfen/vergehen.

etwas ungewöhnlich geschrieben (für meine lesegewohnheiten), aber ich mag es.

gruß
chiqu.
Zuletzt geändert von Chiquita am 18.07.2007, 16:17, insgesamt 1-mal geändert.

Edith

Beitragvon Edith » 18.07.2007, 16:13

@ chiqu.:
danke! Freut mich, wenn es Dir gefällt!

Glg,
Edith

Chiquita

Beitragvon Chiquita » 18.07.2007, 18:19

ja, edith, ich bin gespannt auf weiteres. mein geschmack ist nicht leicht zu befriedigen. die meiste lyrik ist mir zu gekünstelt lyrisch hier (nicht nur hier). da wirkt dein gedicht erfrischend wie ein prickelndes glas wasser mit eiswürfeln.
ich nehme dir dieses gedicht ab.

gruß
chiqu.


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