Salomé

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 11.04.2006, 16:31

Es wird sich schon
Gelohnt haben für dich.
Warum auch nicht?

Sammle weiterhin die
Köpfe deiner Liebhaber
Am Gürtel.

Errichte Tempel dir
Aus grauem Sichtbeton
Und Schlösser aus
Schwarzem Stein.

Häufe Geld dir an,
Verschwende nichts.
Berge alles tief im Fels.

Derweil will ich
Durch öde Straßen ziehen.
Mir bleibt nur noch das
Wort und das ist nichts
Mehr wert. Du hast den Stein.

Doch vergiss auch nicht
In einem deiner vielen
Häuser, die du baust,
Ein Mausoleum einzurichten
Für uns.

Dann werde ich sein,
Was mir nun einzig übrig bleibt.
Ein alter König, traurig und
Verlassen, wie einst der kleine
Prinz ihn fand.

Max

Beitragvon Max » 15.04.2006, 22:06

Lieber Paul,

ich fürchte, diese Kritik ist zunächst ein wenig oberflächlich, da sie nach einem ein- bis zweimaligen Lesen Deiner Zeilen entsteht.

Was mir an Deinem gedicht gefällt, ist das Thema "Salome" und die Perspektive, die Du dabei einnimmst. Das habe ich so noch nicht gelesen und das finde ich originell. Etwas übertrieben finde ich die Originalität am Schluss, als der kleine Prinz (der mir schon an anderen Stellen die Allergieflecken ins Gesicht treibt) in Dein Gedicht Einzug hält. Sollte er nicht lieber auf seinem kleinen Planeten bleiben?

Liebe Grüße
Max

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 16.04.2006, 16:17

Hallo Max,

danke für deine Anmerkungen. Das mit den Allergieflecken kann ich sehr gut nachvollziehen. :grin:

Originalität ist für uns heutzutage wahrscheinlich schwer zu erreichen. Vor ungefähr hundert Jahren war das Salomé-Bild, das ich hier gewählt habe, durchaus üblich. Ich bin ein großer Jugendstil-Fan. Daher habe ich dieses kulturelle Muster hier recycelt.

Der kleine Prinz hat sich allerdings gegen meinen Willen in das Gedicht hineingestohlen. Ich hätte ihn auch lieber auf seinem Planeten gelassen. Als ich aber beim Schreiben des Gedichts die letzte Strophe erreicht hatte, wurde mir klar, dass sich der Liebhaber im Gedicht in einer ziemlich bescheuerten Situation befindet. Er befiehlt der grausamen Schönen, der das Gedicht gilt, ständig Dinge, die sie sowieso schon tut. Sie macht das außerdem, ohne ihn zu fragen. Seine Worte sind nichts mehr wert. In diesem Moment betrat der kleine Prinz die Bühne meiner Gedanken und nervte mich mit seiner Weisheit: "Siehst du! Das ist wie mit meinem traurigen König, der ganz ohne Volk auf seinem Planeten sitzt und mir, weil ich gehen will, den Befehl gibt, dass ich gehen soll. Nur so kann er seine verzweifelte Selbstachtung wahren."

Sicher hat mich der kleine Prinz an dieser Stelle genervt. Wer möchte schon gerne ein König ohne Volk sein, auf dessen Worte keiner hört. Aber der kleine Spinner hat eben doch Recht...

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 23.04.2006, 21:10

Lieber Paul,

ach ja, der arme, selbstmitleidvolle König... Ich hoffe, dass er bei seinem Zug durch öde Gassen gelegentlich auch auf blühende Landschaften trifft...Aber vielleicht will und kann er die gar nicht sehen...
Habs gern gelesen. Vor allem auch Deine Antwort zum kleinen, unverschämten Prinzen, der auch da auftaucht, wo man ihn gar nicht eingeladen hat.

Liebe Grüße

leonie

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 24.04.2006, 21:44

Liebe Leonie,

herzlichen Dank für dein Lob. Aber der Vorwurf des Selbstmitleids... Ich bin ein Yeats-Fan.

Lieber ein paar Thränen [sic] vergießen, als Köpfe rollen zu lassen, denke ich mir. Kennt ihr übrigens das Bild "Die Erscheinung" von Gustave Moreau?

Was die blühenden Landschaften angeht, stehe ich da ganz auf der Seite der Demographie und der Natur: Deutschland renaturiert.

Grüße

Paul Ost

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 25.04.2006, 09:53

Lieber Paul,

ich meinte natürlich das lyrIch, nicht Dich persönlich...
Muss zu meiner Schande gestehen, dass ich weder Yeats noch das angesprochene Bild kenne.

Trotzdem viele Grüße

leonie

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 25.04.2006, 19:39

Gewiss, Leonie, wir Literaturspezialisten sollten es da nicht zu Verwirrungen kommen lassen, obwohl ich an anderer Stelle in diesem Forum schon die Meinung gelesen haben, dass das lyrische Ich ja doch immer auch irgendwie der Autor wäre.

Grüße

Paul Ost

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 26.04.2006, 10:52

Könnte was dran sein. Andererseits kann man sich so schön dahinter verstecken, ihm Sachen in die Schuhe schieben, etc. Halten wir die Möglichkeit offen, dass es doch auch jemand anders sein könnte....

Viele Grüße, auch an den König, wer immer es ist

leonie

Paul Ost

Beitragvon Paul Ost » 26.04.2006, 21:22

Das ist ja eine interessante Gedankenüberkreuzung. Ich schaue bei literarischen Namen und Künstlernamen immer genau hin. Bei einem deiner Kommentare neulich musste ich schmunzeln und dann folgendes aufschreiben, was ja nun kein echtes Gedicht ist:

leonie
werde ich schlau
aus deinem lächeln
vielleicht, weil es
sich hinter den Zeilen
verbirgt, wenn ich
versuche, dich
zu lesen?

Mit freundlichem Gruß an das lyrische Ich

Paul Ost

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 28.04.2006, 09:56

Lieber Paul,

meine Frage dazu habe ich Dir als PN geschickt. Ich fand, das gehört nicht mehr wirklich zur "Textkritik"...

Gruß

leonie


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Bing [Bot] und 69 Gäste