ich sehe dich

Bereich für Texte mit lyrischem Charakter: z.B. Liebeslyrik, Erzählgedichte, Kurzgedichte, Formgedichte, Experimentelle Lyrik sowie satirische, humorvolle und natürlich auch kritische Gedichte
Benutzeravatar
Elsa
Beiträge: 5286
Registriert: 25.02.2007
Geschlecht:

Beitragvon Elsa » 26.06.2007, 19:59

2. Fassung

ich sehe dich

hinter dem erstaunen – wie groß
wie rund kannst du die augen machen und sagen:
was hab ich dir getan?

mit engelszungen

was stellst du an mit mir
schreie ich
derweil meine flügel in deiner hand zittern
ich schuldig über den boden krieche

du liebst mich doch

durchdröhnt dein flüstern alles
häutet mich

und ich mag das lächeln dir aus dem mund schneiden
und du trinkst und trinkst mich zum täter


Danke Mucki und Pjotr für die Hilfe!




1. Fassung

ich sehe dich

hinter dem erstaunen – wie groß
wie rund kannst du die augen machen und sagen:
was hab ich dir getan?

mit engelszungen

wieso machst du das mit mir, schreie ich, derweil
meine flügel in deiner hand zittern
ich schuldig über den boden krieche

du liebst mich doch

durchdröhnt dein flüstern alles
häutet mich

und ich mag das lächeln dir aus dem mund schneiden
und du trinkst und trinkst mich zum täter



(c) ELsa Rieger
Zuletzt geändert von Elsa am 28.06.2007, 23:51, insgesamt 1-mal geändert.
Schreiben ist atmen

Benutzeravatar
Elsa
Beiträge: 5286
Registriert: 25.02.2007
Geschlecht:

Beitragvon Elsa » 28.06.2007, 23:46

Liebe Trixie,
Ich freu mich natürlich sehr über deine Worte, es ist irgendwie ein Gedicht, auf das ich stolz bin, wenn ich meine lyrische Entwicklung ansehe :-) Auch freu ich mich, dass du das derweil magst, eigentlich habe ich dieses Wort nämlich als das Zentrum des Textes gewählt, auch wenn runum die Welt zerbricht, tut sie es derweil ....

Was vorgeschlagene Umstellung von Mucki betrifft, funktioniert die nur, wenn das besagte Wort fällt.
Sonst macht es keinen Sinn, wie Pjotr erkannt hat.

Liebe Mucki,
Dieses Schreien im Kontext mit dem "derweil", das ist es, was mir Kopfzerbrechen macht, verstehst?
ja, ich verstehe, was du meinst. Dennoch schätze ich den Ausbruch so ein, dass er aus heiterem Himmel passiert, derweil das grausame Spiel alltäglich weitergeht. Ich werde es so lassen.

Lieber Pjotr,
genau. Man kann das nicht umstellen.

Liebe Caty,
Vielen Dank, dass dir der Text gefällt.
höchstens das "mag" erscheint mir zu schwach.
Das muss schwach sein, LI begreift erst in diesem Augenblick, welche Wut sich aufgestaut hat, wagt aber noch nicht recht, dran zu glauben, dass Kraft da ist, der Sache eine Ende zu setzen. Das kommt wohl erst, nachdem das gedicht zu Ende ist.
Und du trinkst und du trinkst und machst mich zur Täterin (ist doch eine Frau?). Da denkt man dann gleich an Handgreiflichkeiten, und das ist ja bei einem Trinker auch gang und gäbe.
Es könnte auch eine Trinkerin sein und der Mann befreit sich. Daher lasse ich es bei Täter. Und die Frage der Handgreiflichkeiten - das war vorher. Täterschaft kann je nach Lesart verschiedenes bedeuten.
1. LI versorgt das Du mit Alkohol
2. LI schlägt zurück
3. LI verlässt das Du.

Vielen Dank für die vielen Gedanken, ich fühle mich geehrt.

Oben stelle ich nun die überarbeitete Version ein.

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

Benutzeravatar
Pjotr
Beiträge: 6793
Registriert: 21.05.2006

Beitragvon Pjotr » 29.06.2007, 01:04

Trixie hat geschrieben:... und so hört sich das gestelzt an, wenn da einzeln steht "meine Flügel in deiner Hand zittern", verstehst du?

Ja, wenn die Zeile einzeln wahrgenommen wird, verstehe ich Dich.

Cheers

Pjotr

Benutzeravatar
Pjotr
Beiträge: 6793
Registriert: 21.05.2006

Beitragvon Pjotr » 29.06.2007, 01:21

Hallo Elsa,

nochmal eine Frage, sicherheitshalber, man weiß ja nie ...

"du liebst mich doch"

Das sagt nicht die am Boden kriechende, sondern die flüsternde Person, richtig? Im Moment des Lesens dieser Zeile ist mir das unklar, weil erst die nächste Zeile den Kontext dazu bietet. Hier hängt der Fluss ein wenig, weil die Stimme im Kopf an der Stelle noch keine zugeordnete Stimme hat.

Du verzichtest hier ja bewusst auf Satzzeichen der direkten Rede, um das Textbild eleganter zu gestalten (wie neulich bei einem anderen Gedicht).

Es gibt gute Gründe gegen Satzzeichen. Ich frage mal als Laie: Gilt das eigentlich auch gegen Text-Farben und -Stile? Wäre es in unserer aktuellen Stilepoche unangebracht, beispielsweise die direkte Rede des Lyrdus hier in dunkelblau und den Rest in schwarz zu tauchen? Wäre das zu kinderbuchhaft? (Möglicherweise.)


Cheers

Pjotr

Benutzeravatar
Elsa
Beiträge: 5286
Registriert: 25.02.2007
Geschlecht:

Beitragvon Elsa » 29.06.2007, 09:24

Lieber Pjotr,

Ja, das sagt nicht jener, der am Boden kriecht.

Ich weiß nicht, ob es bei Entfall der Satzzeichen möglich ist, farbig zu kennzeichnen, wer was ist oder sagt, hm.

Ich habe mich in der Hörbar versucht damit, vielleicht wird es dort eindeutiger?

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

Gast

Beitragvon Gast » 29.06.2007, 12:50

Liebe Elsa,

ein starker Text, ein direkter. Ohne Umschweife geht es hier um die Sache der Coabhängigkeit, bei Trunksucht. Treffende Formulierungen wie ich finde.

Aber so ganz konsistent - verzeih, wenn ich noch einmal hinterfrage - scheint er mir noch nicht zu sein.
Ich habe versucht mich hineinzufinden und kann an diesen Stellen nicht ganz folgen.
Die Stelle mit dem Flügel gefällt mir sehr, aber ich frage mich, ob es "textlogisch" ist, wenn Lyrich die Flügel hat, da doch das Du mit Engelszungen redet. @ Bildkonsistenz.
Ich würde noch einmal genau überlegen, gerade weil die Flügelstelle so toll ist.
Kann Flüstern dröhnen? Oder ist es ein unheimliches Rauschen, was den Körper erfasst und nicht nur in den Ohren dröhnt?
Oder geht des dem, dem geflüstert wird nicht eher so, das es ihm "durch und durch" geht? Vielleicht hat das flüstern doch "Messer in der Stimme" und schneidet, oder zischt, wie eine Schlange, wobei ich die Schlange nicht benutzen würde.

Dann bleibt für mich das "mag" unverständlich.

Elsa hat geschrieben:und ich mag das lächeln dir aus dem mund schneiden


Erst dachte ich, hm warum hat Elsa hier umgestellt und wollte vorschlagen:
und ich mag dir das lächeln aus dem mund schneiden,

aber die Frage blieb:
Will das Lyrich das Lächeln für sich konservieren oder will es das Lächeln zerstören?
Falls zweiteres stimmern sollte, wozu ich tendiere, dann ist "mag" zu schwach, denke ich.
Nur mal ein Vorschlag, der möglicherweise an deiner Intention aber vorbeigeht.

Elsa hat geschrieben:durchdröhnt pflügt dein flüstern alles
häutet mich
und ich mag das lächeln will dir aus dem mund schneiden
und doch du trinkst und trinkst mich zum täter


Es tut mir leid, dass ich jetzt so hinten dran bin mit dem Kommentieren, wenn du es nicht mehr gebrauchen kannst - ist es auch in Ordnung.

Liebe Grüße
Gerda

Benutzeravatar
Pjotr
Beiträge: 6793
Registriert: 21.05.2006

Beitragvon Pjotr » 29.06.2007, 16:40

Hallo,

in Sachen "Engel" und "dröhnen" stimme ich Gerda zu.

Ich habe mir den vermeintlichen Widerspruch so zurechtgerückt, indem ich mir ein Engelspaar vorstellte.

Zum "dröhnen": Es gibt bestimmt ein großes Angebot an Verben, die etwas durchdringendes beschreiben, dies aber nicht im tiefen Brummen tun, sondern im zischenden, hohen rauschenden.


Cheers

Pjotr

Benutzeravatar
leonie
Beiträge: 8896
Registriert: 18.04.2006
Geschlecht:

Beitragvon leonie » 29.06.2007, 17:22

Liebe Elsa,

ich finde Dein gedicht sehr gelungen, es berührt mich. Nur mit dem "mag" geht es mir wie gerda, ich glaube, ich würde ein Wort suche, dass in eine eindeutigere Richtung geht.

Liebe Grüße

leonie

Benutzeravatar
Elsa
Beiträge: 5286
Registriert: 25.02.2007
Geschlecht:

Beitragvon Elsa » 29.06.2007, 20:13

Liebe Gerda,

Die Stelle mit dem Flügel gefällt mir sehr, aber ich frage mich, ob es "textlogisch" ist, wenn Lyrich die Flügel hat, da doch das Du mit Engelszungen redet. @ Bildkonsistenz.
Es ist die Übertragung gedacht. Weil das Du mit Engelszungen spricht, fühlt das LI sich als hätte es Flügel.

Kann Flüstern dröhnen?
Danke für deine Ausführungen dazu. Trotzdem glaube ich derzeit (ein so neues Gedicht), dass mir das Dröhnen am nächsten dem Gefühl kommt. LI kann es einfach nicht mehr hören, diese Insistierungen. Es geht doch sehr um die Akustik an dieser Stelle, denn LI windet sich am Boden, ist körperlich demnach schon zermürbt und am Ende. Aber es kann durchaus sein, dass ich das in ein paar Wochen anders wahrnehme, ich hebe mir die Kommentare ja alle in meinem Text-Dok, auf. Ich muss nachdenken darüber.
Will das Lyrich das Lächeln für sich konservieren oder will es das Lächeln zerstören?
es will zerstören. Aber ist hier noch zu schwach, daher nur das feige "mag" so wie: am Liebsten würde ich, aber trau mich nicht.

Ob ich die beiden "und" in den letzten 2 Zeilen .... das weiß ich auch noch nicht zurzeit.

Aber etwas anderes mache ich vielleicht, damit der schwebende Satz:
du liebst mich doch, vielleicht besser dem Du zuzuordnen ist:

dein flüstern durchdröhnt alles:
du liebst mich doch

häutet mich


wäre eine Möglichkeit.

Vielen Dank und lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen

Benutzeravatar
Elsa
Beiträge: 5286
Registriert: 25.02.2007
Geschlecht:

Beitragvon Elsa » 29.06.2007, 20:15

Lieber Pjotr, liebe leonie

siehe meine Antwort an Gerda wegen dem "mag", Engelszungen, Flügel.

leonie, danke fürs gelungen. Vielleicht ist es ja noch nicht fertig, aber für den Moment schon. Es muss liegen ....

Lieben Gruß
ELsa
Schreiben ist atmen


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Google [Bot] und 15 Gäste